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Das 1x1 der Baumkontrolle


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Jugendphase (bis zum 15. Standjahr) • Reifephase (Ende Jugendphase bis ca. 50 oder 80 Jahre Standzeit) • Altersphase (nach 50 oder 80 Jahren Standzeit)

      Als Hilfestellung zur Einordnung der unterschiedlichen Baumarten hinsichtlich des variablen Begins der Altersphase können die Definitionen nach Roloff (2018) herangezogen werden. So können unterschieden werden:

„Kurzlebige“ mit etwa 80 bis 100 Jahren Lebenserwartung: z. B. Sandbirke, Moorbirke, Schwarz-Erle, Götterbaum, Kultur-Apfel, Kultur-Birne, Kultur-Kirsche, Mehlbeere, Hybrid-Pappel;
„Mittelalte“ mit etwa 150 bis 300 Jahren Lebenserwartung: z. B. Spitz-, Berg-Ahorn, Amberbaum, Rot-Buche, Rot-Eiche, Esche, Fichte, Gleditschie, Hainbuche, Baum-Hasel, Schwarz-, Wald-Kiefer, Nussbaum, Platane, Robinie, Rosskastanie, Schnurbaum, Silber-Weide, Flatter-Ulme;
„Langlebige“ mit meist deutlich über 300 Jahren Lebenserwartung: z. B. Eibe, Stiel-, Trauben-Eiche, Ginkgo, Ess-Kastanie, Europ. Lärche, Sommer-Linde, Winter-Linde.
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      Bild 7: Typische Veränderung des Habitus im Laufe der Entwicklung bei Linde, Jugendphase, Beginn und Ende der Reifephase, Altersphase (von links nach rechts, von oben nach unten) (Quelle: H. Weiß)

      Die Jugendphase {Jugendphase} beginnt mit dem Einpflanzen des meist aus einer Baumschule beschafften Jungbaums und erstreckt sich i. d. R. über 15 Jahre Standzeit. Nach Beendigen der Jungendphase hat der Baum dann je nach Alter bei der Pflanzung ein entsprechend höheres Lebensalter.

      Die Jugendphase umfasst die Anwachsphase und eine Zeit intensiverer Jungbaumpflege (Erziehungs- und Aufbauschnitt) und besonders bei Straßenbäumen Schnittmaßnahmen zum Erreichen des Lichtraumprofils. Schäden und Fehlentwicklungen haben normalerweise zunächst keinen Einfluss auf die Verkehrssicherheit. In der Jugendphase auftretende Fehlentwicklungen in der Krone und Rindenschäden wirken sich auf die Verkehrssicherheit i. d. R. erst in den späteren Entwicklungsphasen aus. Deshalb kommt der systematischen Jungbaumpflege eine besondere Bedeutung zu, Versäumnisse wirken sich durch später erhöhten Kontroll- und Pflegaufwand aus.

      In der nachfolgenden Reifephase {Reifephase} erreichen die Bäume meist ihre größten (jährlichen) Zuwächse und beginnen zu blühen bzw. fruktifizieren. Der Baum erreicht seine volle Funktion. In dieser Phase wird zwischen „kurzlebigen“ Baumarten bzw. Pionierbaumarten mit eher geringer Lebenserwartung und älter werdenden Baumarten (z. B. Baumarten des Klimaxstadiums im natürlichen Waldökosystem) unterschieden. Die Reifephase erstreckt sich deshalb ab dem Ende der Jugendphase bis ca. 50 (bei kurzlebigen Baumarten) oder bis ca. 80 Jahre (bei mittelalten und langlebigen Baumarten) Standzeit. Normalerweise treten während dieser oft sehr vitalen Wuchsphase keine nennenswerten natürlich bedingten Schäden mit Einfluss auf die Verkehrssicherheit auf. Die Pflegemaßnahmen beschränken sich deshalb auf Korrekturen von Fehlentwicklungen (Kronenpflege), das Entfernen von Totholz und das Freihalten des Lichtraumprofils an Straßen.

      Die Altersphase {Altersphase} beginnt nach der Reifephase, also je nach Baumart und Standortverhältnissen nach ca. 50 (bei kurzlebigen Baumarten) bzw. 80 Jahren (bei mittelalten und langlebigen Baumarten) Standzeit. Der Zuwachs wird geringer, der Höhenzuwachs stagniert meist, wodurch die Kronenform oben abflacht. Die Häufigkeit von natürlich bedingten Schäden nimmt zu, ebenso der Umfang der erforderlichen Pflegemaßnahmen.

      Es gibt keine Altersgrenze, ab der pauschal die Verkehrssicherheit durch natürliche Prozesse so stark eingeschränkt ist, dass Bäume deshalb entfernt werden müssten. Wegen der Zunahme der Wahrscheinlichkeit von Gefährdungen und wenn der Aufwand für Sicherungsmaßnahmen unangemessen steigt, werden ältere Bäume an Standorten mit einem hohen Sicherheitsanspruch deshalb oft bereits vor dem Erreichen ihrer natürlichen Absterbephase entfernt (Bild 8 rechts). Gerade in dieser Phase ist jedoch die Funktionserfüllung als Lebensraum stark zunehmend und naturschutzfachliche Überlegungen müssen in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Mithilfe fachgerechter Baumpflege können durchaus auch sehr alte Bäume an vielgenutzten Standorten lange verkehrssicher erhalten (Bild 8 links).

images/hinweis.png Hinweis
Das Alter eines Baums allein kann nicht das Kriterium für eine Gefahrenbeurteilung sein!
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      Bild 8: Weit fortgeschrittene Alterungsphase einer durch Kronensicherungsschnitt stark entlasteten und künftig bruchsicheren Eiche (links), Zerfallsphase eines mehrere Jahrhunderte alten, morschen Eichenstamms mit nur noch einem schmalen Rindenstreifen und einem lebenden Ast (rechts) (Quelle: H. Weiß)

      Regel-Kontrollintervalle {Kontrollintervalle}

      Je nachdem, in welcher Kombination die vorgenannten Kriterien auf den Baumbestand zutreffen, sind für die Einzelbäume unterschiedliche Kontrollintervalle sinnvoll. In den Baumkontrollrichtlinien (FLL 2020) vereinfachen zunächst zwei wichtige Regeln die Vielfalt der möglichen Regel-Kontrollintervalle:

1. Bäume in der Jugendphase müssen aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht nicht regelmäßig kontrolliert werden. Im Zeitraum bis zum 15. Standjahr erfolgen in der Anwachsphase und später zur Erziehung einer artgerechten Krone und für das Erreichen des Lichtraumprofils i. d. R. häufige Kontrollen und Pflegen, bei denen ggf. auch Schäden mit Einfluss auf die Verkehrssicherheit anlassbezogen beseitigt werden. Bruch- und wurfgefährdete Jungbäume, deren Verkehrssicherheit mit baumpflegerischen Maßnahmen nicht wiederhergestellt werden kann, werden ausgetauscht.
2. Stärker geschädigte Bäume in den zu kontrollierenden Entwicklungsphasen Reife- und Altersphase werden zur häufigeren Beurteilung der Schadensdynamik grundsätzlich jährlich kontrolliert.

      Hieraus ergeben sich nur noch für gesunde oder leicht geschädigte Bäume variable Regel-Kontrollintervalle (Bild 9). Wegen der schwer abschätzbaren Grenzen zwischen Standorten mit höherem und geringerem Sicherheitsanspruch hat sich in der Praxis eine eher seltene Anwendung der Kontrollintervalle bei geringem Sicherheitsanspruch durchgesetzt, wodurch sich die Zeitspannen der Kontrollabstände im Wesentlichen zwischen einem bis zwei Jahren bewegen.

      Sommergrüne Gehölze sollen im Laufe von drei aufeinanderfolgenden Regelkontrollen mindestens einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand kontrolliert werden. Jedoch dürfen die Regel-Kontrollintervalle nicht um mehr als drei Monate überschritten werden. Für Bäume einer Anlage oder eines zusammenhängenden Straßenabschnitts in unterschiedlichen Entwicklungsphasen kann es aus organisatorischen Gründen sinnvoll sein, einheitlich ein Regel-Kontrollintervall (i. d. R. das kürzeste) festzulegen. Im Ergebnis der Regelkontrolle muss festgelegt werden, ob und welche Maßnahmen durchgeführt werden müssen. Bei Handlungsbedarf sollten Angaben zur Dringlichkeit gemacht werden.

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      Bild 9: Regel-Kontrollintervalle (Quelle: nach FLL-Baumkontrollrichtlinie, 2020, vereinfacht)

      Zusatzkontrollen, besondere Kontrollintervalle

      Nach extremen Witterungsereignissen (Orkanen, z. B. Bild 10 links, Eisregen etc.), Schadensfällen, erheblichen Veränderungen im Baumumfeld (z. B. größere Baumaßnahmen, Aufgrabungen im Wurzelbereich, vgl. Bild 10 rechts) oder erheblichen Eingriffen in den Baum sind Zusatzkontrollen erforderlich. Diese finden anlassbezogen unabhängig von dem nach Regel-Kontrollintervall festgelegten Zeitpunkt statt. Bei großräumig wirkenden Witterungs-Schadereignissen müssen die Schäden