Frank Viola

Ur-Gemeinde


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klappt nicht immer, vor allem wenn der Zug so schnell unterwegs ist, dass die Wanderer entlang der Gleise einfach verschwimmen. Wenn auch Sie einer solchen Wandergruppe angehören, die als organische Gemeinde unterwegs ist, dann wird dieses Buch Ihre Wertschätzung für die neutestamentlichen Wurzeln wiederbeleben. Wenn Sie dagegen in einem vorbeirauschenden Zug sitzen, wird es Sie vielleicht überraschen, dass einige dieser verschwommenen Farbflecke dort draußen tatsächlich Menschen sind, die mit Gott unterwegs sind! Sie sind gerade an einer organischen Gemeinde vorbeigerauscht.

      Sie sollten unbedingt wissen, dass der Versuch, Gemeinde als lebenden Organismus zu entdecken, kein Tagtraum ist. Auch heute kann die Kirche Jesu das sein, was sie im ersten Jahrhundert war: ein Organismus. Die folgenden Ausschnitte aus Briefen stammen von unterschiedlichen Menschen, die in den vergangen Jahren Erfahrungen mit organischen Gemeinden gemacht haben.

      Brief 1 (eine Lehrerin)

      Ich hatte nie vor, meine übernommenen Vorstellungen von Kirche aufzugeben oder gar meine Kirche zu verlassen. Weder habe ich eine neue Kirche gesucht, noch hatte ich irgendeine Vorstellung von organischer Gemeinde, als man mich das erste Mal in eine solche einlud. Ich bin der Einladung gefolgt. Was ich dort sah, war ganz anders als alles Bisherige. Diese Gemeinde war weder ein Bibelkreis noch eine Gebetszusammenkunft, sie war weder eine Heilungsveranstaltung noch ein Gottesdienst.

      Stattdessen konzentrierte man sich ganz auf Jesus Christus. Die Menschen sangen von ihm, tauschten sich über ihn aus und beteten ihn an. Diese Christen waren völlig eingenommen von der Großartigkeit des Herrn Jesus Christus. Sie verlangten – ganz ehrlich – nicht danach, bei ihren Treffen irgendetwas anderes zu tun, als über ihn / von ihm / zu ihm zu singen, sich über ihn zu unterhalten und einander durch ihn Liebe zu erweisen.

      Was mir zuerst auffiel, war ihre Innigkeit. Ich habe noch nie Menschen getroffen, die in einem solch innigen Verhältnis zum Herrn lebten. Diese Menschen brauchten ihn und schöpften ihr Leben aus ihm. Meine bisherigen Erfahrungen mit der Kirche sahen anders aus. Ich habe hingegebene Menschen gesehen, leidenschaftliche, ja sogar liebende Menschen. Ich habe aber noch niemals zuvor Christen gesehen, die das Herz Gottes selbst zu kennen schienen.

      Lange zuvor hatte ich gelernt, dass der Herr unter seinem Volk wohnt; diese Gemeinde jedoch war die erste, in der diese Erkenntnis auch in die Tat umgesetzt wurde. Hier teilte jeder jedem Christus auf eine Art und Weise mit, dass er mir ganz nah vor Augen geführt wurde. Durch die Menschen dort lernte ich verstehen, dass Christus unsere Speise und unser Trank ist. Jetzt erkannte ich, wer und wie er in unseren Versammlungen und in unserem Alltagsleben wirklich ist. Ganz neu „verliebte“ ich mich in ihn.

      Die Innigkeit, die ich hier erlebte, weckte meine Neugier; es war aber die Freiheit, die diese Christen auslebten, die meine Aufmerksamkeit dauerhaft fesselte und mich schließlich dazu bewegte, immer wieder hinzugehen und mich schließlich dieser Gemeinschaft anzuschließen. Wenn mir etwas Ermutigendes in Bezug auf den Herrn in den Sinn kam, konnte ich es einfach aussprechen; die anderen sagten „Amen“ oder „Preist den Herrn“. Ihre Ermutigung machte mir klar: Hier darf ich frei sein. Mehr noch: Christus schenkt seinem Volk Freiheit – und ich gehöre dazu.

      Zum allerersten Mal habe ich unter Christen solche Freiheit erlebt. Allmählich erkannte ich, wie es ist, wenn Christus den ersten Platz im Leben seines Volkes und dessen Zusammenkünften einnimmt und zu unglaublicher Einheit führt. Seit nunmehr zwei Jahren sehe ich, wie Christus jedes Treffen mit seiner Wahrheit erfüllt. Weder geh ich leer aus, noch kann ich mir vorstellen, die Tiefen Jesu Christi je auszuloten. In dieser Gemeinde und mit diesen liebevollen Geschwistern fange ich an zu entdecken, wie herrlich er wirklich ist.

      Brief 2 (Frau eines ehemaligen Pastors)

      Die ganze Erfahrung organischen Gemeindelebens hat mein Leben in vielfacher Hinsicht verändert. Die Gemeinde ist aus einer Konferenz hervorgegangen. Was wir auf dieser Konferenz zu hören bekamen, war wirklich erstaunlich. Der Herr zeigte mir seinen Plan und seine Absicht für die Gemeinde, seine Braut. Meine Vision erhielt eine himmlische und Christus-bezogene Dimension. Aber das sollte nur der Anfang sein.

      Nach der Pflanzung der Gemeinde erlebte ich Christus unter meinen Brüdern und Schwestern wie nie zuvor. Schlagartig wusste ich: Das ist es! Endlich hatte ich nach Hause gefunden. Gott wusste, was mein Mann und ich brauchten. Diese Offenbarung begann nach und nach zu wachsen und sich vor meinen Augen zu entfalten. Ich sah eine wunderschöne Braut, die ihrem Herrn voller Leidenschaft zugetan war. Ich sah eine Gemeinschaft von Gläubigen, die sich zu einem Wohnort für Gott zusammenfügen ließen. Ich sah Brüder und Schwestern aus verschiedenen Hintergründen, die sich noch nie gesehen hatten und dennoch liebten.

      Indem wir Christus gemeinsam liebgewannen, verbanden sich unsere Herzen. Die wachsende Einsicht in Gottes ursprünglichen Plan veränderte unser Leben. Ich sah, dass Gemeinde wirklich der Leib des Christus ist und er dessen Haupt. Erst wenn wir ihm erlauben, seinen rechtmäßigen Platz in unseren Herzen einzunehmen, werden wir sein Leben erfahren, wie er es uns zugedacht hat. Diese Art von Gemeindeleben ist die natürliche Heimat des Christen. Dort wachsen und gedeihen wir und ernähren uns von den Reichtümern Christi. Ich könnte manches erzählen, es gab so viel zu entdecken!

      Was ich dort gesehen und erfahren habe, hat mein Leben und das Leben meines Mannes für immer verändert. Wir hatten den Herrn schon lange gebeten, uns sein Herz und seine Wünsche zu offenbaren. Ich glaube, er hat dieses Gebet erhört. Es ist so aufregend, zu wissen, dass wir den Rest unseres Lebens erfahren dürfen, wie Christus sich seiner Gemeinde offenbart!

      Brief 3 (Marketing- und Unternehmensberater)

      Ich bin in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen und besuchte die Kirche bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Ich wusste, wie man als Christ lebt und sich zu benehmen hat. Ich war sozusagen ein Vorzeigekind.

      Im Gymnasium und später auf dem College lernte ich Christen kennen, die eine Leidenschaft in mir weckten, die ich nie für möglich gehalten hätte. Sie strebten nach einer tiefen Christus-Erkenntnis und schienen Christus bereits besser zu kennen als ich. Die Begegnung mit ihnen machte mir die Oberflächlichkeit meines eigenen Glaubens und meiner mangelhaften Christus-Erkenntnis bewusst. Obwohl ich gerne zur Kirche ging, um mit meinen Freunden und meiner Familie zusammen zu sein, war Kirche für mich eher eine notwendige, zu ertragende Verpflichtung, um nach der Sonntagsschule, dem Gottesdienst oder der Jugendgruppe mit meinen Freunden abzuhängen.

      So ließ ich die Predigten über mich ergehen und hoffte im Stillen, sie mögen endlich vorbei sein, damit wir anschließend ins Restaurant konnten. Wenige Minuten nach einer Predigt hatte ich ihren Inhalt vergessen. Ich hörte immer wieder: Du musst öfter in die Kirche, den „Zehnten“ geben, mehr in der Bibel lesen und deinen Glauben bezeugen. Bis ich jenen Christen begegnete, war mir nicht bewusst, dass keine der Kirchen, die ich besuchte, meinen Durst nach Jesus stillte. Statt Leben gaben sie mir Regeln und Vorschriften. Statt in Christus zu wachsen, „verdorrte ich am Weinstock“, ängstigte und schämte mich und fühlte mich unwürdig. Vom Herrn zu reden, machte mir keine Freude, und mir fehlte der Mut, Jesus vor Ungläubigen zu bekennen.

      Ich fragte mich: Wenn du der gute Christ bist, für den du dich hältst, wieso fällst du immer weiter zurück? Je mehr Zeit ich mit diesen Christen verbrachte, desto dringlicher wurde mein Wunsch, Christus zu kennen, wie sie ihn kannten. Christus zog mich an wie eine Straßenlaterne Motten. Ich verbrachte zunehmend mehr Zeit mit ihnen und besuchte ihre Versammlungen. Diese waren frei und offen. Dort gab es weder eine Liturgie noch einen Pastor. Offensichtlich brauchte man diese nicht. Es gab genügend Gläubige, die dem Herrn begegnet waren und fähig waren, andere aufzubauen.

      Sie brauchten keine Genehmigung sich zu Wort zu melden. Sie benötigten keinen, der sie unter einem Regelwerk lebloser Verpflichtungen begrub. Viele ihrer Lieder schrieben sie selbst. Reihum beteten sie füreinander; ihre Gebete kamen von Herzen und waren nicht einstudiert. Sie versammelten sich so, als wäre Jesus wirklich im Zimmer. Sie gingen liebevoll miteinander um wie in einer Familie.

      Schon bald war mir klar, dass mir genau diese organische Art, Christus zu erfahren, fehlte. Ich lechzte danach, mich mit diesen Gläubigen zu treffen. Ich ging in ihre Zusammenkünfte