weiter an neuen Projekten.
Auf jeden Fall aber muss man als Leipziger viel erzählen. Wo auch immer man unterwegs ist. Über die Geschichte von ’89, die Kultur, den Brause-Klub RB, den Aufschwung und über die vielen positiv verrückten, kreativen Menschen in meiner Stadt. Ich glaube, die Mischung macht’s! Leipzig als kulturelles Top-Ziel für reisefreudige Menschen …
Trotz alledem ist auch Vorsicht, Aufmerksamkeit geboten. In Zeiten von PEGIDA, LEGIDA und anderen skurrilen Erscheinungen, sei es hinsichtlich fast als gezielt anzusehender Verblödungs-Formate im Unterhaltungsangebot mancher Fernsehsender, sei es im Blick auf die tagtäglich zu erlebende Überschüttung mit schrecklichen Ereignissen aus aller Welt, auf die der normale Bürger kaum Einfluss nehmen kann, sondern eher dazu gebracht wird, mit seinen etwas trotz allem ihn umgebenden Wohlstand dürftigen Verhältnissen zufrieden zu sein, sei es durch nicht Beachtung bestimmter kritischer Positionen und anderer Dinge.
Irgendetwas läuft hier falsch. Oder wie sagte schon Shakespeare: „Es ist was faul im Staate Dänemark“. Aber das musste man letztlich ja auch bei der NSU-Sache feststellen. Woran soll der Bürger sich noch zuverlässig orientieren? Ja, liebe Leute, werte Leser, so sieht die Realität aus.
Schon klar, dass ist eine Menge, und manches wird vielleicht im Reich der Träume bleiben. Aber zu träumen war schon immer nicht die schlechteste Voraussetzung für Veränderung.
Akte „M-S-K“
Ich habe mir mal etwas Zeit genommen um Ihnen den Begriff Akte etwas näher zu erläutern, denn nicht jeder ist eine ‚Sprachnudel‘, ein Wortakrobat, ein eingefleischter Deutsch-Lehrer, Pädagoge oder Dozent.
Das Wort Akte der Singular abgeleitet aus dem Lateinischen acta, deutet „die Geschehnisse“´ oder vielmehr „die Aufzeichnungen“ an. Die freie Enzyklopädie-Wikipedia, verrät weiter, dass Akte vom Wortstamm her auch, „das Vollbrachte, die Handlung“ ausdrücken, wiedergeben kann. Das Synonym, ein sprachlicher Ausdruck mit annähernd gleicher Bedeutung für das Wort Akte bezeichnet auch eine Niederschrift, ein Dokument, ein Schreiben.
In ‚meinem‘ Fall stehen die Kürzel, das M für Menschen, das S für Schicksale und das K für Kuriositäten. Ich möchte Sie hier und jetzt einladen, zu einem Streifzug durch Raum und Zeit. Erzählen von Geschichte und Geschichten über Menschen, Schicksale und Kuriositäten, die das eine oder andere geheimnisvolle Bild im „Kopfkino“ entstehen lassen.
Einblick in die Szenen vergangener Zeiten
Wir schreiben das Jahr 1950. Auf deutschen Boden existieren zwei Staaten, der eine unter der Kontrolle westlicher Demokraten, der andere unter dem Diktat der kommunistischen Sowjetunion. Im Februar besagten Jahres wird das Ministerium für Staatssicherheit gegründet und fünf Monate später beginnt die Ära des Leipziger „Spitzbartes“-Walter Ulbricht.
Am 4. Oktober erblickt in einem Leipziger Krankenhaus ein Junge, der auf den Namen Michael hören wird, das Licht der Welt. Michael Heubach wächst in Leipzig-Reudnitz zu einer Zeit heran, als die Stadt noch grau in grau und nicht multikulti durchwachsen ist. Es war die Zeit, als Videorekorder, Internet, Smartphone, CD, DVD oder auch USB-Stick noch Fremdwörter waren. Andererseits gehörte ein Kinobesuch in den 1950er Jahren zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen. Beliebt sind vor allem unterhaltende Filme wie Komödien, Musik- oder Liebesfilme. Erinnert sei an die Filmkomödie Alles für Papa, 1953 oder die Premiere des ersten DEFA-Farbfilmes im Dezember 1950 Das kalte Herz, der mit fantastischen Trickaufnahmen das Publikum begeisterte. Ich glaube, die meisten Menschen waren in dieser Zeit, fünf Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges, zufrieden und glücklich. Peter Gotthardt, dessen Kompositionen „Geh zu ihr“ und „Wenn ein Mensch lebt“ durch den Film Die Legende von Paul und Paula einen Kultstatus erlangt haben, oder Frank Schöbel, einer der erfolgreichsten Schlagersänger der DDR, sowie „Tote Hosen“-Sänger Campino, haben familiäre Wurzeln in Leipzig. Wie schon erwähnt, ist auch Michael Heubach ein gebürtiger Sachse, ein Leipziger. Die Älteren kennen ihn noch als Keyboarder in verschiedenen Bands, als Komponist von „Du hast den Farbfilm vergessen“, „Wasser und Wein“ und „Tagesreise“, aus Sendungen des DDR-Fernsehens, von Aufnahmen des Plattenlabels AMIGA oder als den musikalischen Vater des deutschen Märchenfilms Die Geschichte vom goldenen Taler, 1985 sowie des Kinderfilms Die Weihnachtsgans Auguste aus dem Erscheinungsjahr 1988.
Es ist schon interessant, so ein Musikerleben, und selbstverständlich hat es auch eine eigene Vorgeschichte. So wie im Sport oder in der Mode, beim Film oder beim Fußball verdient auch nicht alles auf dem Gebiet der DDR-Musik, im tiefen See des Vergessens versenkt zu werden. So darf ich nun hier und jetzt an einen kreativen Kopf, einen Vollblutmusiker aus Saggsn-Leibzsch erinnern, der am 4. Oktober dieses Jahres seinen 65. Geburtstag feiert und damit offiziell Anspruch auf Regelaltersrente hat.
Im Westen hieß es Gig, im Osten sprachen wir eher von einer Mugge und meinten dennoch dasselbe – ein Musikalisches Gelegenheitsgeschäft.
Fernab von der großen Mehrheit gab es in der DDR, ich nenne es mal etwas lakonisch „eine Spezies von Menschen“, die auf der Suche nach einem Ventil waren, um dem Alltag im sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat zu entfliehen. Anderssein als die anderen, das war’s? – aufbegehren, Flagge zeigen, Revoluzzer spielen. Ein Heranwachsender musste gegen etwas sein, sonst war er kein echter Junge …
Micha war so einer, er war anders als die graue Masse. Dies äußerte sich schon frühzeitig, denn Familie Heubach war eine durch und durch musikalische Familie. Die Mutter zielstrebig, resolut, wies Micha oft den Weg, hielt aber immer zu ihm, auch wenn sie zum wiederholten Male in die Schule bestellt wurde. Denn Micha war durchaus kein bequemer, ordentlicher Schüler. Jedoch nicht nur das musikalische Improvisationstalent, das man bei ihm schon frühzeitig erkannte, nein, auch sein musikalisches Talent überhaupt, das man brauchte und auch von Jahr zu Jahr mehr zu schätzen, zu achten wusste.
Der aufgeweckte Junge rebellierte anfänglich nur im Kleinen zu Hause, später, als die Veränderungen auch körperlicherseits spürbar und obendrein auch deutlich sichtbar wurden, sprich die pubertäre Phase anrollte, mit all ihren positiven und negativen Auswirkungen, bekamen dies zusätzlich die Lehrer und kurze Zeit später auch die gesamte Gesellschaft zu spüren. Oder anders ausgedrückt, wenn die Musik keinen so breit ausgefüllten Platz in Anspruch genommen hätte, wenn alles so weitergelaufen wäre, hätte er es mit Sicherheit zum „Al Capone des Ostens“ gebracht … Zum Glück kam es anders.
Die Älteren unter Ihnen erinnern sich sicherlich noch an die Zeit, als schon lange Haare und teilweise auch das Outfit, der Klamottenstil für Aufsehen oder Unbehagen bei einigen Menschen sorgen konnten. Es war die Zeit der „Kunden“, Tramper, Blueser, Punker, das sogenannte unterdrückte Jungvolk, das gegen die schnöde bürgerlich-spießige Welt aufbegehrte. Das Ausbrechen, das Entfliehen, das wahre Leben in der Musik zu finden versuchte. Dazu gehörten eben lange Haare, Bärte, Studentenkutten, Fleischerhemden, Tramper oder die legendären Jesuslatschen. So ging an den Wochenenden auf Dorffesten, in Hinterhöfen oder Kellern die Post ab. … Als ein gebürtiger Leipziger, der Herr „Niemand-hat-die-Absicht-eine-Mauer-zu-errichten“-Ulbricht, 1965 das Beatverbot durchsetzt, das alle Gruppen einschloss, die eine solche Stilrichtung verfolgten, beeinflusste dies auch Michas politische Haltung dem Staat gegenüber sehr stark. In Leipzig betraf das unter anderem die „Butlers“, aus denen dann nach erzwungener Umbenennung die „Klaus-Renft-Combo“ wurde.
1970 kurz vor Beendigung seines Studiums lernte Micha genau diese Band kennen, deren Namen er schon mal im Zusammenhang mit dem „Beat-Aufstand“ gehört hatte. Die Muggerei ließ sich mit seinem Studium vereinbaren, es war ja nicht mehr lang, bis er endlich ein „freier Mensch“ war. Diese Combo passte genau in die Zeit der „Kunden“ – Schlaghosen und Bärte waren angesagt und der Mann von Welt rauchte filterlose Zigaretten der Billigmarke KARO, die einen widerlichen Gestank in der Wohnung hinterließ und draußen als Unkrautvernichtungsmittel gut einsetzbar gewesen wäre.
1971 beendete Micha sein