Erhard Heckmann

Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt


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wo er sich 1892 in den Pferdehimmel verabschiedete.

      Die 14.000 Pfund für den Hengst waren damals ein stattlicher Preis, doch Doncaster gründete die Phalaris- und Teddy-Hengstlinien, als auch die der Sprinter Gold Bridge (1929) und Panorama (1936). Zu Lord Derbys Phalaris (1913) führte der Weg von Doncaster über Bend Or, Bona Vista (1889), Cyllene (1895) und Polymelus (1902), während Teddys (1913) Vaterlinie den von Edmond Blanc gezogenen Franzosen über Bend Or, Ormonde, Orme (1889), Flying Fox (1896) und Ajax (1901) erreicht. Der „Abzweig“ der Sprinter erfolgt bei Orme und führt über Orby (1904) zu The Boss (1910), dessen Söhne Golden Boss (1920) bzw. Sir Cosmo (1926) die Verbindung zu Gold Bridge (1929) und Panorama (1936) herstellen.

      In der Zucht führte der Goldfuchs Doncaster die von Darley Arabian gegründete Hengstlinie – 13 Generationen zurück – erfolgreich weiter. Und Bend Or, der Doncasters erstem Jahrgang entstammte und sein bester Sohn war, blieb, anders als sein Vater, der in diesem Alter nie lief, als Zweijähriger in fünf Rennen unbesiegt. 1880 gewann er das Derby im letzten Galoppsprung gegen Robert The Devil mit Kopfvorsprung unter dem großen Fred Archer, der, praktisch „einarmig“ einen absoluten Meisterritt abgeliefert hatte, denn sein zweiter Arm war schrecklich zerbissen, und Bend Or, der unter Schienbeinen litt, gab im Endkampf sicherlich nicht alles freiwillig.

      Vierjährig gewann Bend Or, der Lord Westminsters einflussreichster Beschäler wurde und zweimal die Liste der Zuchthengste erfolgreicher Mutterstuten anführte, drei seiner vier Starts. In den Champion Stakes bezwang er dabei den ein Jahr jüngeren, in Amerika gezogenen Epsom-Derbysieger Iroquis. Obwohl sein Vater ein eiserner Steher war, kamen Frühreife und Speed des Doncaster-Sohnes wohl über seine sieglose Mutter Rouge Rose, die von Thormanby (1857) abstammte.

      Als Bend Or sein Derby gewonnen hatte, gab es hinsichtlich der Identität des Pferdes Fragen der Rennleitung, doch, so wurde überliefert, wurde die Aussage des Duke of Westminster von jener akzeptiert. Das Skelett des Hengstes fand nach seinem Tod im „Natural History Museum of London“ einen Platz, um es der Nachwelt zu erhalten. 2012 war jedoch in der Fachpresse zu lesen, dass eine durchgeführte Skelett-Analyse ergeben habe, dass das ausgestellte Skelett das des gleichaltrigen Hengstes Tadcaster ist, der ebenfalls von Doncaster stammte. Wahrscheinlich sind die beiden Pferde im Jährlingsalter zu Eaten Hall vertauscht worden, und das, was man Tadcaster zuschrieb (fünf Siege auf der Flachen und über Hürden), ist wohl in Wirklichkeit das Etikett von Bend Or. Es ist allerdings verständlich, dass man das Englische Gestütsbuch nach mehr als 130 Jahren nicht umschreiben will.

      Diesen Eckpfeiler seiner Zucht behielt der Duke of Westminster bis zu seinem Tod, während er von Doncaster keine große Meinung hatte und ihn 14-jährig an das ungarische Staatsgestüt Kisber verkaufte. Bei Bend Or zeigte sich, dass er besonders gut mit Töchtern von Macaroni harmonierte und mit solchen auch seine besten Produkte – Ormonde und Kendal – lieferte. Ähnliche „Nicks“, zu denen Experten jedoch unterschiedliche Meinungen haben, zeigten sich auch bei Kreuzungen von Lexington mit Glencoe; Isonomy mit Hermit; Fairplay mit Rock Sand-Stuten oder Phalaris mit Chaucer-Töchtern.

      Und Bend Ors mächtiger Sohn, der Triple Crown-Sieger Ormonde, entstammte ebenfalls dessen erstem Jahrgang, der 1882 gezeugt wurde. Dieser in 16 Rennen ungeschlagene Hengst war nach dem zwei Jahre älterem Rennbahn-Giganten St. Simmon ein ähnliches Kaliber, doch bekam er nach dem St. Ledger Atembeschwerden und war für die Zucht dadurch so gut wie nutzlos. Er war der Beste eines guten Jahrgangs, wurde 1889 für 12.000 Pfund nach Argentinien verkauft und wechselte für 30.000 Pfund 1892 in die USA. Zu seinen dortigen 16 Fohlen zählte ein guter Zweijähriger, der die „Futurity Stakes“ gewann, und auch in einigen Mutterstuten pulsierte das Blut dieses großartigen, auf der Rennbahn in 16 Rennen ungeschlagenen Pferdes.

       Seite : Der große Ormonde, mit Fred Archer im Sattel und Trainer John Porter (Foto nach einem Gemälde von Emil Adam; reproduced by permission of The Jockey Club UK)

       Der große Ormonde, mit Fred Archer im Sattel und Trainer John Porter (Foto nach einem Gemälde von Emil Adam; reproduced by permission of The Jockey Club UK)

      Bevor der Hengst, dessen Skelett in das Museum of Natural History in South Kensington, UK zurückkam, 1889 aus England abreiste, hatte er in seinem ersten Jahrgang den aus der Galopin-Tochter Angelica stammenden Sohn Orme (1889) hinterlassen, den Trainer John Porter als „sieben bis zehn Pfund“ niedriger einschätzte als seinen Vater. Damit musste Orme ein sehr gutes Rennpferd sein. Und das damals am besten gezogene Pferd der Welt bestätigte das auch mit 14 Siegen bei 18 Starts, obwohl man ihn mit Quecksilber vergiften wollte und ihn fast umbrachte. Dass sich der Ormonde-Sohn wieder erholte, war ein Wunder, die 2000 Guineas und das Derby, die er möglicherweise gewonnen hätte, musste er jedoch auslassen. Im gleichen Jahr gewann er die Eclipse-Stakes, und zwölf Monate später revanchierte er sich auch an der großen La Fleche für die Niederlage, die sie ihm im St. Ledger beigebracht hatte. Diese Stute, die Queen Victoria zog (Royal Stud, Hampton Court), wechselte für 5.500 Guineas in den Besitz von Baron Hirsch, gewann 16 von 22 Starts und belegte fünf Plätze. La Fleche, die eine der besten Stuten St. Simons war, gewann mit den 1000 Guineas, Oaks und St. Ledger drei klassiche Rennen, während Zeitzeugen berichten, dass ihre Niederlage im Derby, eine ¾-Länge gegen Sir Hugo (Wisdom), lediglich einem durchgedrehten Ritt ihres Jockeys zuzuschreiben war. Neben diesem Doppel heftete der Hengst auch Rennen wie die Middle Park-, Dewhurst-, Sussex-, Champion- und Rous Memorial Stakes an seine Farben.

      1894 bezog Orme im Heimatgestüt eine Beschälerbox, stand zweimal an der Spitze der Deckhengste, und vererbte seine hohe Qualität auch an einige Söhne. Zu diesen zählten ganz besonders die Derbysieger Flying Fox (1896) und Orby (1904). Dessen Mutter Rhoda B (1895; Hanover), die R. „Boss“ Croker als Jährling in seiner Wahlheimat Amerika für 1.000 Dollar erworben hatte, kam zunächst nach England. Dort blieb dem gebürtigen Iren jedoch Newmarket durch den Jockey Club versagt, sodass der Politiker in seine Heimat zurückkehrte, und auch Orby auf Crokers irischem Besitz, Clencairn Stud, aufwuchs. Als Rennpferd wurde Orby das erste irische Pferd, das das Epsom Derby gewann. Er war auch gleichzeitig der dritte Sieger in amerikanischem Besitz. Als er sich anschließend im Irish Derby mit vier Längen gegen seinen Stallgefährten Georgetown im Kanter den zweiten Derbysieg holte, war die Bahn brechend voll, denn dieses Pferd wollten alle Iren sehen. In England hatte der Orme-Sohn 6.450 Pfund für seinen Erfolg kassiert, auf dem irischen Curragh nur 783 Pfund. Auch das zeigt, wie gewaltig sich Zucht und Sport danach auf der Grünen Insel entwickelt haben.

      Orby zeugte auch einen Derbysieger und andere gute Pferde über mittlere Distanzen, doch ist er dafür bekannt, dass er einen großartigen Fliegerstamm gründete. Sein Derbysieger Grand Parade, wurde 1916 aus einer St. Simon-Enkelin gezogen, die, wie ihre Mutter nie lief und auch keine weiteren Nachkommen von Bedeutung hatte. Und Grand Parade war, nach Sir Bunburys Smolensko (Sorcerer) 106 Jahre früher, das zweite „dunkle“ Pferd, das zu Epsom gewann. 1919 hatte auch noch eine andere Bedeutung: Das Derby war nach dem Krieg nach Epsom zurückgekehrt, und der von Croker als Fohlen für 470 Guineas an Lord Glaneley verkaufte Derbysieger wurde auch deswegen von einem überfüllten Haus gewaltig gefeiert. Zu Ascot durfte sich Glaneley anschließend über sieben Sieger freuen, und einer davon war Grand Parade, der die St. Jame’s Palace Stakes gewann. Im Gestüt zeugte dieser Derbysieger jedoch wenig Gutes, und als sein bestes Produkt gilt Diophon (1921), der für den Aga Khan mit den 2000 Guineas dessen ersten klassischen Sieg sicherte.

      Duke of Westminsters Flying Fox, der das letzte Epsom Derby mit Flaggenstart gewann, wurde elfmal gesattel, siegte neunmal und belegte zwei Plätze. Seine Gewinnsumme betrug am Ende der Rennlaufbahn 40.096 Pfund, zu denen vor allem der Triumph in der „Dreifachen Krone“ Englands beigetragen hatte. Für den damaligen Weltrekordpreis 37.500 Guineas wurde er nach dem Tod seines Besitzers, der am Ende des Jahres 1899 verstarb, an den französischen Züchter Edmond Blanc verkauft, wo er als Zuchthengst hervorragend einschlug. Im ersten Jahr zeugte er an seinem besten Sohn Ajax den Vater von Teddy, der für die Größen Sir Gallahad III, Asterus, Orthello und Bull Dog verantwortlich war, aber auch in England die Oakssiegerin von 1930, Rose of England, hinterließ, deren Sohn und St. Ledger-Sieger Chulmligh