konnte, schrieb: „Monseigneur! Ich bin äußerst betrübt, dass ich durch meine Gebrechlichkeit verhindert bin, Ew. Königl. Hoheit folgen zu können, wie ich es von ganzem Herzen wünschte. Die Reise, die Sie jetzt nach Prag tun, halte ich für den wichtigsten Schritt Ihres Lebens. Ew. Königl. Hoheit mögen bedenken, dass es gilt, Ihren Herrn Bruder zu ersetzen, der dort so erwünscht und begehrt war. An Ihnen liegt es, einen guten Gebrauch von den glücklichen Talenten Ihres Geistes und Ihres Körpers zu machen, mit denen der Herr Sie gesegnet hat, um dort die Größe Ihres erlauchten Hauses und die Wünsche und Erwartungen der ganzen Welt zu erfüllen … seien Sie ergeben ohne Affektiertheit, zeigen Sie hohe und große Gesinnung, wie sie Ihnen zustehen, ohne Stolz und Prahlerei; seien Sie edel und ungezwungen, nicht verkrampft in Ihrer Handlungsweise, seien Sie sanft, höflich, leutselig und wohltätig. Die Tugend ist einfach und schlicht, ohne Schminke und ohne Maske. Man täuscht die Öffentlichkeit nur wenige Zeit, und wenn man erkannt ist, wird man leicht verachtet.“1 Weiters riet er dem 14-Jährigen, sich vor Speichelleckern in Acht zu nehmen, sich vor Hofklatsch zu hüten, niemals müßig zu sein, sich vor jeder Art von Spiel zu hüten – und deutsch zu sprechen! Franz, der nun um Verwechslungen innerhalb der Familie zu vermeiden auch seinen zweiten Namen Stephan führte, nahm sich die Ratschläge offenbar zu Herzen, denn er meisterte die entscheidende Situation mit Charme und Höflichkeit und Kaiser Karl notierte in seinem Tagebuch: „Prinz Lothringen find hibsch, wohl gewachs, manierlich, redt Teutsch“, tags darauf: „Prinz Lothringen lustig“ und einen Tag später: „Prinz Lothringen da, herzig … lustig“2. An Herzog Leopold schrieb er, dass er seinen Sohn „gescheit, manierlich und achtsam“ fände und der Prinz „bei allen Leuten beliebt und admiriert“ sei.3 Die erste Hürde war also geschafft, aber Herzog Leopold legte sicherheitshalber nochmals nach und klagte, dass er um die Integrität seines Sohnes fürchte, der zu Hause auch durch seine französische Mutter einem zu starken Einfluss der Franzosen ausgesetzt wäre: „Da mein Land leider von Frankreich so umringt und abgeschnitten ist, so ist der Einfluss der Franzosen unvermeidlich. Deren Sitten aber sind für meinen Sohn, der doch schon zu seinen Jahren kommt, sehr gefährlich! … Sie sprechen von nichts anderem als von der Größe ihres Königs und mit einer Universalverachtung aller anderen Monarchen und Nationen …“4 Leopolds Engagement zahlte sich aus und Franz Stephan erhielt die heißersehnte Einladung an den Wiener Hof sowie eine vage Zusage zum gewünschten Hochzeitsprojekt, jedoch mit der eindeutigen Auflage, „daß kein Publizität noch Datum gemacht werde“.5
Der 15-jährige Herzog Franz Stephan von Lothringen im Jagdkostüm. Gemälde von Frantz von Lutering, um 1723.
Maria Theresias Mutter: Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel. Porträt von Johann Gottfried Auerbach.
1724 übersiedelte der Prinz nach Wien und wurde von Karl wie ein Sohn aufgenommen und erzogen. Schon bald wurde er zum ständigen Jagdbegleiter des Kaisers und schaffte es, sich durch seine sanfte, charmante und trotzdem lebenslustige Art beliebt zu machen. Und zwar nicht nur beim Kaiser, sondern mit den Jahren auch bei dessen ältester Tochter Maria Theresia. Denn bei der Ankunft des 15-Jährigen in Wien war Maria Theresia gerade einmal sieben Jahre alt – weshalb er die ersten Jahre bei Hof in erster Linie an einer guten Beziehung zum Kaiser interessiert war. Da es letztendlich jedoch darum ging, eine Tochter des Kaisers zu heiraten, verlor er dieses Ziel sicherlich nie aus den Augen – umso mehr, als die älteste Tochter mit den Jahren zur immer wahrscheinlicheren Nachfolgerin avancierte, da ihre Mutter Elisabeth Christine nach 1724 nicht mehr schwanger wurde. So verhielt sich Franz Stephan ihr gegenüber offenbar äußerst charmant, denn trotz des offenkundigen Plans Leopolds verstanden sich die beiden sehr gut, vielleicht verliebte sich die junge Erzherzogin in diesen Jahren auch schon in den attraktiven lothringischen Prinzen. Doch ihre unbeschwerte Jugend wurde 1729 jäh unterbrochen, als Franz überraschend nach Lunéville zurückkehren musste, da sein Vater bei einem Jagdunfall ums Leben gekommen war und er nun das Erbe antreten musste. In den folgenden Jahren festigte Franz Stephan in seinem Bemühen um sein Herzogtum nicht nur seine Abneigung gegen Frankreich, das Lothringen nach wie vor besetzt hielt, sondern ging, wie es damals für aristokratische junge Männer üblich war, auf Reisen. Diese Tour d’ Europe, die ihn vor allem nach England, Holland und Preußen führte, sollte im Hinblick auf sein späteres Wirken von größter Bedeutung sein. Gleichzeitig bemühte er sich natürlich, den Kontakt zum Wiener Hof aufrechtzuerhalten, und wurde schließlich auch von Karl als Statthalter in Ungarn eingesetzt. Er residierte nun in Pressburg (Bratislava), das nicht weit von Wien entfernt war, und hatte wohl auch intensiven Kontakt zur kaiserlichen Familie – und zu Maria Theresia, die in der Zwischenzeit zu einer hübschen jungen Frau herangewachsen war. Mittlerweile war klar, dass Karl keinen Thronerben mehr haben würde. Elisabeth Christine war nicht mehr schwanger geworden, war aber auch nicht todkrank, womit auch eine Wiederverheiratung des Kaisers ausgeschlossen war. Daher erhielt die Verliebtheit Maria Theresias neue Brisanz und die junge Erzherzogin begann ihren Vater zu bearbeiten und entschlossen für ihre Liebe zu kämpfen. Gerade in dieser Zeit zeigten sich bereits jene Eigenschaften, die Maria Theresia als junge Monarchin kennzeichnen sollten: ihr Kampfgeist, ihr energischer und eiserner Wille – und ihre Durchsetzungskraft. Denn Karl war ganz und gar nicht angetan von einer Heirat seiner Nachfolgerin mit einem politisch bedeutungs- und machtlosen Herzog, der noch dazu über keinerlei finanzielle Mittel verfügte. Vielmehr fasste er eine Verbindung mit dem spanischen Königshaus ins Auge, auch der portugiesische Kronprinz galt als mögliche Option. Der englische Gesandte Robinson berichtete 1735 über die offenkundig verliebte Erzherzogin: „Wenn sie am Tage über sich auf der Höhe ihrer Seelenstimmung befunden, so seufzt sie des Nachts nach ihrem Herzog von Lothringen. Wenn sie schläft, so träumt sie nur von ihm, wenn sie wacht, so spricht sie mit ihren Hofdamen nur von ihm. Man darf dessen gewiß sein, daß sie niemals auf die Regierung noch auf ihren Gatten verzichten wird. Beide gehören ihr zu und sind für sie geschaffen; niemals würde sie dem verzeihen, der ihr dies Besitztum entrisse.“6
Doch Maria Theresia hatte Glück. Auf Druck der Seemächte musste Karl für die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion im Interesse des europäischen Gleichgewichts auf eine Verbindung mit Spanien verzichten. Nur ein Prinz mit geringer Macht würde gebilligt werden. Plötzlich begann aber nun Franz Stephans Mutter die Angelegenheit zu hintertreiben, da sich gleichzeitig abzeichnete, dass eine Vermählung des Herzogs von Lothringen mit der österreichischen Erzherzogin und Erbin Karls VI. nur akzeptiert würde, wenn er auf sein Herzogtum verzichten würde. Frankreich hatte in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass ein potentieller Kaiser des Heiligen Römischen Reiches für sie unmöglich gleichzeitig Herzog von Lothringen sein könne – eine Konstellation, die sogar Habsburgs Bündnispartner England ablehnte. Um nun endlich sein Ziel zu erreichen und Lothringen endgültig zu gewinnen, stellte Frankreich sogar die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion in Aussicht – sowie schließlich einen Tausch gegen die Toskana. Franz Stephan musste sich also zwischen Maria Theresia bzw. als Gemahl der österreichischen Erzherzogin, künftigen Königin von Ungarn und Böhmen zwischen einer möglichen „Karriere“ als Kaiser und seinem Herzogtum entscheiden. Seine Mutter war empört über seine Tendenz, sich für Maria Theresia zu entscheiden. Sie beschwor ihn – wohl auch in eigenem Interesse –, seine „Heimat“ nicht für die Ehe mit einer Erzherzogin zu „verraten“, die als Frau wahrscheinlich wenige Chancen auf das Erbe ihres Vaters habe, womit auch seine Zukunft mehr als ungewiss wäre. Doch Franz entschied sich für Maria Theresia. Ende des Jahres 1735 unterschrieb er den „Handel“ und hielt am 30. Jänner 1736 bei Karl um ihre Hand an. Im Hinblick auf die damalige Situation war dies ein durchaus riskanter Entschluss, der bedeutete, dass sich Franz Stephan im Unterschied zu seiner Mutter entweder blind auf die Zusagen Frankreichs bzw. die Pragmatische Sanktion verließ, die Aussichten auf die Kaiserwürde zu verlockend waren – oder er sich doch auch in Maria Theresia verliebt hatte.
Eine absolute Liebesheirat: das Hochzeitsmahl. Gemälde von Martin van Meytens, 1736.
Die Quellen geben darüber keinen genauen Aufschluss. Denn während Maria