Margot Wilke

Schulzeit – eine Zeit schöner Erlebnisse?!


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dieser Situation fertig zu werden. Nur einer nicht, Peter. Peter war der Sohn einflussreicher Eltern. Deshalb verlangten einige Lehrer, dass er so wie seine Eltern sein müsste, also Vorbild. Und das wollte Peter nun wieder nicht. Er wollte Schüler sein, wie die anderen. Deshalb ging er demonstrativ neben dem Steg. Nein, er ging nicht, er stapfte mühselig durch den zähen Schlamm. Es war nicht leicht, bei jedem Schritt die Füße aus dem Schlamm zu ziehen. Verschwitzt erreichte er die Schule. Ermahnungen und Strafandrohungen erfolgten. Das brachte ihm zwar zu Hause Ärger ein, aber bei seinen Schulkameraden war er für sein Elternhaus rehabilitiert und erreichte, dass er nun ein Schüler wie jeder anderer war und seine Dummheiten nicht ungestraft blieben.

      Und dann kam die grandiose Idee, ein tolles Ergebnis der Beratungen. Wenn es bei Klassentreffen zu diesem Thema kommt, wird darüber gelacht und erzählt. Anscheinend gehört es mit zu den schönsten Erinnerungen, als die Anweisung kam: „Die Schüler bringen ihre Hausschuhe mit.“

      Über das Wie folgten Stunden über Stunden von Vorschlägen, bis ein Ergebnis umgesetzt werden konnte. In den Gängen wurden schmale Spinde montiert und klassenweise mit den dazugehörigen Schlüssel auf die Klassen aufgeteilt. Der Wechsel der Fußbekleidung erfolgte 30 Minuten vor Unterrichtsbeginn. Diese halbe Stunde war für den Hausmeister nicht nur eine harte Geduldsprobe, sondern auch Schwerstarbeit. In den Gängen wimmelte es von Hunderten von Schülern und Schuhen. Streitigkeiten mussten geschlichtet werden. Hier und dort fehlte ein Hausschuh, an anderer Stelle war wieder einer zu viel. In den Schultaschen wurden nach Schlüssel gekramt. Bei vergessenen oder fehlenden musste der Hausmeister öffnen.

      Es war eine halbe Stunde Chaos. Punkt 7.30 Uhr war der Spuk vorbei. Zurück blieben verschmutzte Gänge und vereinzelte Schuhe oder Hausschuhe.

       Fußballfieber

      Und gerade ein Hausschuh flog durch eines der großen Fenster. Der Täter war schnell ermittelt. Und es kam zu einem Schulleiter-Schüler-Gespräch:

      „Was hast du dir dabei gedacht?“

      „Der Hausschuh lag da und ich wollte ihn zur Seite stoßen. Da packte mich das Fußballfieber. Ich fühlte mich auf dem Platz und sah das Tor. Ich konnte nicht anders, schoss mit Wucht – da krachte er auch schon durchs Fenster.“ Der Schulleiter, der eine Fußballmannschaft trainierte und von diesem Virus selbst infiziert war, nickte bedächtig und verständnisvoll. „Hm, was nun?“

      „Eine neue Scheibe!“

      „Du hast recht, aber nimm dich das nächste Mal zusammen, die Schule ist kein Fußballplatz.“ Ohne Probleme wurde eine neue Scheibe eingesetzt.

      Diese Hausschuhaktion war nach Fertigstellung des Schulhofes beendet.

      Heute ähnelt dieser mit seinem üppigen Grün und Bänken einem kleinen Park.

      Das Wichtigste ist die Schule als Lehranstalt. Die Lehrer lehren und die Schüler lernen.

      Nun gibt es humorvolle, schülerverstehende, cholerische oder gleichgültige Lehrer, aber auch bei den Schülern alle möglichen Temperamente und Einstellungen.

      Zu meiner Zeit gab es keine Hauptschul- oder Förderklassen. Kein einfaches Unterfangen, denn in den Klassen waren alle Schüler, ob leistungsstarke, leistungsschwache oder hyperaktive vereint und die musste ein Lehrer unter einen Hut bringen.

      Damit auch die leistungsschwachen Schüler das Klassenziel erreichen, wurden Lerngemeinschaften gebildet. Leistungsstarke Schüler halfen diesen, den Unterrichtsstoff zu verstehen. Nennen wir einmal einen Peter. Er begreift den Unterrichtsstoff nicht. Er ist nicht dumm, denn dumme Schüler gibt es nicht, nur leistungsschwache. Und das kann verschiedene Ursachen haben. Er ist schwerfällig im Denken, hat Angst und verkrampft sich. Oder er hat Angst, sich zu blamieren, keine Sympathie für die Schule (heute sagt man dazu „keinen Bock haben“) oder häusliche Probleme. Zu seinem Mitschüler hat er Vertrauen, ist offener, vielleicht beneidet er ihn auch.

      Dieser erklärte es nun aus seiner Sicht mit seinen einfachen Worten. Peter begreift. Im Unterricht trotzdem schweigsam, aber das Thema ist erkannt und er kann dem weiteren Unterricht folgen. Bei schriftlichen Arbeiten hat er vielleicht mehr Erfolg.

      So wurde manchem geholfen, das Klassenziel zu erreichen.

      Diese Vielfalt von Schülerpersönlichkeiten erfordern vom Lehrer Einfühlungsvermögen, Verständnis, Fingerspitzengefühl und Liebe zu seinem Beruf, speziell für seine Schüler.

      Ein enges Lehrer-Schüler-Verhältnis kann wesentlich zur Lernfreude beitragen und leistungsschwache Schüler zu besseren Ergebnissen motivieren. Findet er engen Kontakt auch zu diesen, wird ihm sein Beruf viel Freude bereiten.

      Entscheidend für das Lehrer-Schüler-Verhältnis ist die erste Stunde des Zusammentreffens. Die Schüler können sofort eine Lehrerpersönlichkeit einschätzen und das Verhältnis zu dieser bestimmen. Der erste Eindruck ist entscheidend.

       Übung macht den Meister

      So auch bei einem mir bekannten Kollegen. Ihm wurde mitgeteilt, er bekäme eine 7. Klasse, die schon manchen Kollegen zur Verzweiflung gebracht hätte. Er grübelte und grübelte, bis ihm der rettende Gedanke kam. Vierzehn Tage vor Schulbeginn ging er jeden Tag in den ihm zugewiesenen Klassenraum und warf von der Tür aus die Tasche auf den Lehrertisch, eine Entfernung von ungefähr zwei bis drei Meter. Die ersten Tage blieben ohne Erfolg. Doch nach und nach gelang es ihm, die Tasche so zu werfen, dass sie auf dem Tisch liegen blieb.

      Der erste Schultag kam. Er stand vor der Tür und hörte die tobenden Schüler. Das Klingelzeichen ertönte. Kurzes Luftholen. Er riss zackig die Tür auf, brüllte „Ruhe!“ und warf die Tasche von der Tür aus lässig auf den Tisch. Die Schüler standen überrumpelt auf ihren Plätzen, verblüfft staunend. Er hatte durch sein lockeres, aber bestimmtes Auftreten gewonnen. Sein Training hatte sich gelohnt. Nicht auszudenken, wenn die Tasche auf dem Fußboden gelandet wäre.

      Durch diese, für ihn riskante Aktion, erlangte er Achtung und Respekt.

      Meine Gedanken verlassen die große, moderne Schule mit fast tausend Kindern aus allen Teilen Thüringens, den ungewohnten Situationen und Problemen und wandern noch einmal zurück in die kleine dörfliche Schule.

      Die Schülerzahl war überschaubar und schwerwiegende Probleme gab es nicht. Aus heutiger Sicht war es eine gemütliche, ausgeglichene Atmosphäre. Es gab keine psychisch kranken Lehrer und Burn out war ein unbekannter Begriff. Der Unterricht verlief ohne Störungen. Kleine Verfehlungen, schlechte Noten oder vergessene Hausaufgaben brauchte man nicht einzutragen, denn traf man einen Elternteil, wurde diesem mitgeteilt, dass das Kind Probleme hatte. Dieses vertraute Verhältnis war durch das dörfliche Zusammenleben entstanden und die Eltern selbst waren Schüler unserer Schule.

      Die Kinder waren, wie Kinder eben sind, mal ausgelassen und wild, aber konzentriert im Unterricht. Hyperaktive Kinder gab es nicht. Nach Schulschluss gingen sie ihren Interessen nach, spielten und stromerten durch Wald und Flur. Es gab keine Ablenkung durch Fernseher, Computer oder Handys. Ihre Freizeit bestand aus Spiel und Sport im Freien. Freilich gab es auch Raufereien. Aber diese trugen die Schüler unter sich aus.

      Auf die blutigen Knie wurde ein Pflaster geklebt, sich vertragen und alles war erledigt. Der Begriff „aggressiv“ war ebenfalls unbekannt.

      Streiche gab es kaum. Der Respekt vor Eltern und Lehrern war wohl zu groß.

      Als sich einmal ein Schüler für eine Stunde im Schrank versteckte, war die Aufregung seitens des Kollegen, der gerade unterrichtete, groß und die Bestrafung konnte nicht streng genug ausfallen. Aber nur bei diesem Lehrer. Die Schüler hatten ihren Spaß und die anderen Kollegen schmunzelten darüber.

      Im Winter war nur Lernatmosphäre, aber im Frühjahr mit den ersten Sonnenstrahlen wurden die Gemüter lebendig. Und das war verständlich. Das Dorf liegt am Fuße eine Berges. Und der lockte, da gab es kein Halten.

      Wurden Schüler dieser Jahrgänge nach Streichen befragt,