Amerika vom Schuldner zum Gläubiger geworden, da es mit zu den Siegermächten gehörte. Der US-Dollar entwickelte sich zur Leitwährung des internationalen Zahlungsverkehrs. Einige Spekulanten haben bereits begonnen, US-Dollar zu kaufen, weil das Vertrauen in die Deutsche Mark gesunken ist. Das möchte ich Ihnen anhand einer Zahl verdeutlichen: 1914 waren 2,9 Milliarden Mark in Umlauf, 1917 bereits 28,3. Das heißt: Für die fast gleiche Warenproduktion ist fast zehnmal mehr Geld in Umlauf, obwohl wir weniger Waren kaufen können.
Doch es gab noch weitere Ursachen, warum es zu der heutigen inflationären Entwicklung kommen konnte:
Die sich durch den Mangel an Waren ergebenden Preissteigerungen nach dem Krieg hätte die Regierung beeinflussen können, wenn sie die vorhandenen Geldmengen in den Händen privater Nachfrager verringert hätte. Für den kleinen Mann hatte das keine Bedeutung, denn der hatte nicht viel.
Doch die Kriegsgewinnler der Industrie konnten einen hohen Ertrag verbuchen. Die Regierung schöpfte aber erst Ende 1916 für Einkommen und Vermögen Steuern ab. Dies war erst zu diesem Zeitpunkt durch Gesetzesänderung möglich, da die Bundesstaaten die Hoheit über die direkten Steuern bis dahin hatten, also z. B. auch unser Preußen durch die politische Situation sich selbst keine Steuern auflud, da ja die Großagrarier und die Schwerindustrie für sich selbst keine Steuern beschloss. Doch die Wirkung dieses Gesetzes kam viel zu spät. Zwar wurde auch Ende 1919 das sogenannte „Reichsnotopfer“ als einmalige, jährliche Vermögensabgabe von 10 % auf 65 % bei Vermögen über 2 Millionen Mark erhöht, aber auch das brachte nicht die erforderlichen Einnahmen für den Staat.
Sicher hat der eine oder andere von Ihnen“, hier schaute der Redner einige Personen direkt an, „sich bei den Volksanleihen beteiligt und ist durch den Ausgang des Krieges herb enttäuscht worden. Hat doch jeder, der dem Staat sein Geld für den Krieg zur Verfügung stellte, auf Gewinn gehofft. Doch dieser Gewinn wäre von den Völkern bezahlt worden, die den Krieg verloren hätten. Da wir ihn verloren haben, müssen wir an diese Staaten zahlen.
Doch es wurden noch andere Aktionen durch die Regierung vorgenommen, die nicht zur Stabilisierung der Mark führten. So stellte sie sogenannte Schatzwechsel zur Finanzierung des Krieges aus und stellte sie den Handelswechseln gleich. Damit konnte die Staatsbank bei Diskontierung – also bei Einlösung – für diese Staatswechsel Banknoten drucken lassen, obwohl keine Golddeckung oder Deckung durch Waren vorhanden war. Das führte wiederum zur Erhöhung des Geldumlaufes.
Der Lombardkredit, der als Sicherheit Waren oder Wertpapiere hatte, wurde in Darlehenskassenscheinen zum Nennwert ausbezahlt, also mit dem Markbetrag, der angegeben war. Damit hatten Gemeinden, Körperschaften, Privatleute, ja sogar die Bundesstaaten die Möglichkeit, gegen Verpfändung der Gegenstände oder Immobilien zu Geld zu kommen. Da die Reichsbank diese Kassenscheine 1916 neben dem Gold in die Primärdeckung nahm, also als Sicherheit wie Gold wertete, wurde die Ausgabe von Geldscheinen ins Uferlose möglich, da ja eine tatsächliche Deckung nicht vorhanden war.
Vergangenes Jahr versuchte die Regierung, an der Börse die Nachfrage und damit den Wert der Mark zu stabilisieren, indem sie die Mark aufkaufte. Das gelang auch für kurze Zeit – die Mark rutschte nicht noch mehr im Wert ab. Wir können nun nur noch hoffen, dass dies so bleibt.
Das waren meine Ausführungen zum Thema: ‚Die finanzielle Situation in unserem Staat.‘
Nun machte der Redner eine kurze Pause und sah sich in den Zuschauerreihen um.
Alle hatten ihm aufmerksam zugehört. Jetzt jedoch machte sich ein allgemeines Gemurmel breit. Dass das Geld nicht mehr viel wert war, wussten alle. Wie aber soll es weitergehen? Es gab schon so viele Arbeitslose und die, die noch Arbeit hatten, konnten sich für das Geld schon lange nicht mehr das kaufen, was sie noch vor Jahren dafür bekommen hatten. Nur einige, wenige – so hörte man hinter vorgehaltener Hand - machten schwarze Geschäfte und wurden reich.
„Wenn Sie noch Fragen haben, so fragen Sie – falls ich Ihnen Antwort geben kann, so tue ich das gerne“, war die aufmunternde Formulierung des Redners. „Auch ist es an der Zeit, dass jeder Arbeiter nicht nur seinen Arbeitsplatz sieht, sondern sich weiterbildet und für die allgemeinen Rechte aller Arbeiter eintritt. Dafür sind wir da, dies gegenüber den Arbeitgebern für euch durchzusetzen. Wer also in die Gewerkschaft eintreten will und damit auch seinen arbeitsrechtlichen Schutz bekommt, kann sich ein Formular hier bei mir holen. Ich gebe gerne jedem Auskunft.“
Gewerkschaftsmitglied wollte Otto auf keinen Fall werden, aber ihm lag eine Frage auf der Zunge: „Ich habe auf mein Haus einen Kredit beim Bauen aufnehmen müssen. Ich muss auch noch abzahlen. Wie soll ich mich verhalten, um nicht am Bettelstab zu landen?“
„Mein Herr, das ist eine gute Frage. Ich würde Ihnen Folgendes raten: Da die Kreditsumme sich ja nicht erhöht, sie aber jetzt fast das Doppelte verdienen als vorher – wenn auch die Mark nicht mehr so viel wert ist – versuchen Sie von Ihrem Einkommen auf alle Fälle die Tilgung und Zinsen zu bezahlen. Da diese Beträge bleiben, aber die Scheine immer größer werden, haben Sie einen Vorteil. Es ist also – ehrlich gesagt – besser, Sie nehmen Kredite auf mit festen Zinssätzen und zahlen diese zurück, als dass Sie Ihr Geld sparen und später eine Barzahlung vornehmen. Ich gehe einmal davon aus, dass die Geldentwertung weiter voranschreitet. Wenn dies eintrifft, wird Ihr Spargeld auf der Bank – was sie sich heute vom Mund abgespart haben – immer weniger wert. Ein Kredit bleibt aber in der einmal gewährten Höhe bestehen, egal, was das Geld bei der Rückzahlung wert ist.“
Die Arbeiter schauten sich verwundert an. Sollte das wirklich so funktionieren? Ein weiterer Zuhörer meldete sich zu Wort. Er sah in seinem Anzug wie ein besserer Angestellter aus. Und seine Frage bestätigte auch die Vermutung: „Wenn ich mir also heute auf der Bank einen Kredit besorge, dafür ein Grundstück kaufe und diesen Kredit mit einer Laufzeit von ca. 10 Jahren tilge, habe ich ein Geschäft gemacht?“ „Sie haben dann unter zwei Bedingungen ein tolles Geschäft gemacht: einmal muss die Inflation sich rasant weiterentwickeln und zum anderen müssen Sie die Tilgung und Zinszahlungen auch wirklich bezahlen können. Ist das zu einem bestimmten Termin nicht möglich, kann Ihnen das Grundstück wieder gepfändet werden und sie erhalten zu diesem Zeitpunkt nur den Markbetrag, den Sie bis zu diesem Zeitpunkt eingezahlt haben. Für diesen Betrag können Sie dann aber vielleicht nur noch ein Brot kaufen.“
„Ich habe für meinen Lebensabend geplant, von den Mieteinnahmen zu leben, um nicht von meinen Kindern abhängig zu sein oder im Armenhaus zu landen. Ist das der richtige Weg in die Zukunft?“, war eine weitere Frage aus der Zuhörerschaft. „Das kann – muss aber nicht – eine sichere Bank sein. Hier müssten drei Bedingungen gelten: einmal müssen die Wohnungen immer vermietet sein, zum anderen müssen die Mieter auch die Miete bezahlen. Wenn aber die Mietpreisbindung vom Staat nicht aufgehoben wird, sind die Mieteinnahmen durch den Wertverlust des Geldes nichts mehr wert. Das heißt, Sie müssten die Miethöhe dem Wertverlust des Geldes anpassen. Nur dann haben Sie die Möglichkeit, von dem Geld auch zu leben.“
„Ich habe für meine Familie ein Sparkonto angelegt, damit ich unvorhergesehene Ausgaben oder lange geplante bezahlen kann, zum Beispiel die Ausbildung meiner Kinder. Soll ich jetzt das Geld ausgeben und mir Sachen dafür kaufen, die ich nicht so dringend brauche?“ „Mein Herr, “ und hier trat eine absolute Stille ein, „das gesparte Geld in der Zahl, also z. B. 2400 Mark bleibt. Nur was Sie sich dafür in zwei Jahren kaufen können, ist fraglich. Bezahlen Sie aber jetzt schon die Aussteuer für Ihre Tochter, ist Ihnen die Ware sicher, die Sie heute kaufen.“
„Wenn dann – nach Ihrer Prognose – das Geld nichts mehr wert ist, wie sollen wir dann unsere Nahrungsmittel bezahlen?“, fragte ein kleiner Mann ganz hinten in der Ecke. Der Redner atmete tief durch, machte eine kleine Pause und sagte: „Ich bin kein Prophet. Ich weiß nur, dass der Finanzhaushalt unseres Staates total am Boden liegt und dass wir uns in einer schleichenden Inflation befinden. Da bisher noch keine gravierenden Maßnahmen vom Staat erlassen worden sind, um die Inflation aufzuhalten, wird sie sich weiterentwickeln. Damit werden die Löhne mit großer Wahrscheinlichkeit in die Tausend wachsen und die Preise werden sich ebenfalls so entwickeln. Jeder, der Arbeit hat, wird sich also sein tägliches Brot kaufen können, wenn nichts Schlimmeres folgt.“ „Und wer keine Arbeit mehr bekommt?“ Doch diese Frage wurde von dem Vertreter der Gewerkschaft