Ernst Künzl

Medica


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Im Schatten der Armee: Zwei Ärztinnen an Aare und Neckar

       Ärztinnen in den Westprovinzen – Städte und flaches Land

       Der griechische und hellenisierte Osten, Länder urbaner Tradition

       Im Zeichen von Christus, dem Seelenarzt: christliche Ärztinnen der Spätantike

       Römische Ärztinnen und das römische Gesundheitssystem

       Literaturauswahl

       Abbildungsnachweis

      Vorwort

      Ich überweise Sie jetzt an die Zahnklinik nach NN. Das sind dort zwar alles Männer, aber Sie können Zutrauen haben und brauchen sich keine Sorgen zu machen; die verstehen ihr Handwerk auch.

      Beruhigende Worte einer deutschen Zahnärztin an eine Patientin im Sommer 2012

      Im 20. Jh. wurde der Beruf der Ärztin zu einem bedeutsamen Feld weiblicher Tätigkeit. Dass Frauen als offiziell anerkannte Ärztinnen tätig sein konnten, war im Abendland ein Prozess, der im 19. Jh. begann und der nach dem Zweiten Weltkrieg vollendet wurde. Seitdem sind Praxisschilder weiblicher Ärzte und Doppelpraxen von Frauen und Männern ein selbstverständlicher Anblick an den Häuserwänden unserer Städte. Wie neu dies alles ist, mag man daran ermessen, dass in Deutschland die erste promovierte Ärztin, Dr. Cornelia Erxleben (Halle/Saale), eine Ausnahme des 18. Jh. war und dass noch in den Jahren nach 1871 Frauen, die in der Medizin promovieren wollten, aus Deutschland in die Schweiz gehen mussten.

      Dies hat sich inzwischen grundlegend geändert; die Ärztin ist ein Erfolgsberuf geworden. Gerade deshalb ist es aber von historischem Interesse zu sehen, wo dieser Vorgang einer weiblichen Berufsemanzipation begann: im Altertum Europas, in Griechenland und im Römischen Reich. Das Altertum bietet die Möglichkeit einer Fallstudie für Frauen im Arztberuf in vormoderner Zeit. Dort geschah alles zum ersten Mal:

      – gegen 300 v. Chr. praktizierte in der Nähe von Athen eine Griechin namens Phanostrate, die erste Ärztin des Altertums und die erste Ärztin Europas, die wir kennen,

      – um 50 v. Chr., im Rom der Regierungszeit Caesars, arbeiteten ein Arzt namens Naevius und seine Frau und Kollegin Naevia in der ersten namentlich bekannten Gemeinschaftspraxis der Geschichte, und

      – um Christi Geburt, als Kaiser Augustus regierte, praktizierte im römischen Spanien eine Ärztin, deren Grabbeigaben sie als die erste uns fassbare Chirurgin der Geschichte erweisen.

      Ärztinnen waren im Römischen Reich des 1. bis 4. Jh. eine vertraute Erscheinung. Die Stellung der Frauen im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit im antiken Römischen Reich war nicht auf die Hebamme beschränkt. Inschriften wie Grabbeigaben verraten uns, dass Frauen auch als Allgemeinmedizinerinnen, Zahnärztinnen, Gynäkologinnen, Chirurginnen und als Pharmazeutinnen tätig sein konnten. Nicht selten be­tätigten sich Frauen auch als Schriftstellerinnen und publizierten Werke über Heilmittel und medizinische Fragen. Der Frauenanteil an der römischen Ärzteschaft lag bei ca. 5 %; Grund genug, diesen geschichtlich frühen Frauenberuf näher zu betrachten.

      Zu danken habe ich vielen, jedoch bin ich besonders Helmut Engelmann, Höhr-Grenzhausen, verbunden, der mich an seinem reichen Wissen über die Inschriften des Altertums teilhaben ließ. Eine von uns beiden vor nun fast zwanzig Jahren geplante gemeinsame Schrift über die antiken Ärztinnen kam leider nicht zustande; sie wäre freilich für das rein wissenschaftliche Publikum gedacht gewesen. Besonders danke ich auch Juliane Roderer, München; bei ihrer Literaturagentur fühle ich mich schon seit langen Jahren gut aufgehoben.

      Für Hilfe aller Art danke ich Lawrence J. Bliquez, Seattle; Sylvia Brehme, Berlin; Andrea Bußmann, Bonn; Hélène Chew, Saint-Germain-en-Laye; Sylvia Diebner, Rom; Marion Euskirchen, Köln; Klaus-Dietrich Fischer, Mainz; Maria Grazia Granino, Siena; Gian Luca Gregori, Rom; Andreas Hensen, Heidelberg; Ralph Jackson, London; Annemarie Kaufmann-Heinimann, Basel; Susanna Künzl, Eckental; Maria Gabriella Lilli, Rom; Claudia Nauerth, Bad Bergzabern; Friederike Naumann-Steckner, Köln; Vivian Nutton, London; Bernhard Overbeck, München; Alpay Pasinli, Istanbul; Georg Petzl, Köln; Barbara Pferdehirt, Mainz; Gertrud Platz, Berlin; Péter Prohászka, Esztergom; Wolfgang Radt, Berlin; Évelyne Samama, Boulogne; Hugues Savay-Guerraz, Lyon; Hans-Joachim Schalles, Xanten; Matthias Schmandt, Bingen; Ingrid Schoppa, Wiesbaden; Anthony Snodgrass, Cambridge; Viktoria Stuppner, Wien; Dominique Tisserand, Lyon; Peter van Minnen, Ann Arbor; Claudia Waurick, Budenheim; Maria Xagorari-Gleißner, Eckental sowie dem Forschungsarchiv für antike Plastik am Archäologischen Institut der Universität Köln.

Einleitung­ Ärztinnen des Altertums, des Mittelalters und der Moderne

      Auf dem weiten Weg der Frauen zum Arztberuf war der unwichtigste Faktor die Diskriminierung der Frauen als zur ärztlichen Tätigkeit ungeeignet. Dieser Punkt spielte tatsächlich keine Rolle, im Altertum von vorneherein nicht und in der Neuzeit höchstens als Vorwand in Situationen, in denen man glaubte, sich bestimmter Frauen auf diese Weise entledigen zu können. Die beiden Hauptfaktoren waren vielmehr die soziale Herkunft der Ärztinnen und vor allem das jeweilige Ausbildungssystem.

      Im Altertum bis in die neueste Zeit war der Arztberuf keine noble Tätigkeit, nicht nobel in dem Sinne, dass aristokratische Gesellschaften sie in Betracht zogen. Für Angehörige der senatorischen und ritterlichen Adelsschichten Roms kam eine handwerkliche Tätigkeit von vorneherein nicht in Betracht und dies galt noch viel mehr für ihre Frauen. Die römischen Senatoren und Ritter verwalteten ihren Besitz, und wenn sie eine öffentliche Tätigkeit ausübten, so war dies die kombinierte militärisch-politische Karriere eines römischen Hochadeligen, welcher im Laufe dieser Ämter sowohl eine Legion kommandierte wie auch als kaiserlicher oder senatorischer Legat eine Provinz verwaltete. Die von allen Ämtern ausgeschlossenen Frauen widmeten sich der Familie oder agierten politisch hinter den Kulissen, was vor allem für die Damen des Kaiserhauses galt. Die römischen Adelsschichten nahmen aber kaum mehr als 1 % der Gesamtbevölkerung des Reiches ein und wie in nachantiker Zeit war der Arztberuf als Handwerksberuf Domäne der Unterschichten, und das galt auch für die Frauen.

      Die Frauen im Altertum fanden kein institutionelles Hindernis, sich dem Arztberuf zuzuwenden. Der Grund war einfach der, dass es keine institutionellen Regeln für den Arztberuf gab. Grundsätzlich konnte jeder das Handwerk eines Arztes lernen, denn als ein solches galt dieser Beruf. Es gab im Altertum keine geordneten Berufsausbildungspläne ebenso wenig wie einen qualifizierenden Berufsabschluss; es gab keine Ärztekammern und keine Approbationen.

      Entscheidend waren immer die Ausbildungsmöglichkeiten. Die Basis des wissenschaftlichen Erfolgs des Abendlandes seit dem späten Mittelalter waren Europas Universitäten. Bologna 1130, Paris 1200, Oxford 1214, Cambridge 1284, Prag 1348, Wien 1365 und Heidelberg 1386 sind die Heroennamen des bis heute die Bildungssysteme dominierenden Universitätswesens. Seit dem späteren Mittelalter war den Frauen der Zugang zum medizinischen Wissen versperrt. Akademische Titel konnten sie nicht mehr erwerben. Bis ins 19. Jh. hinein waren die Frauen auf die Nebenwege der Hebamme oder auch nur der kenntnisreichen „Weisen Frau“ angewiesen.

      Inzwischen übertrifft an den aktuellen deutschen Universitäten die Zahl von Medizinstudentinnen die ihrer Kommilitonen und auch in der medizinischen Forschung nahmen die Frauen am Beginn des 21. Jh. bereits ca. 30 % ein. Im aktiven Arztberuf liegt der Frauenanteil inzwischen