aus dem Unterrichtsraum gegangen waren und antwortete dann:
„Ich war im Haus und habe versucht zu Andrea vorzudringen, doch es ist auch mir nicht gelungen! Irgendwas, das sagt mir mein Gefühl, ist komisch, doch leider sind mir die Hände gebunden! Was soll ich deiner Meinung nach tun?“
Melissa zuckte die Schultern und die beiden sahen sich fragend an.
„Ich werde auf jeden Fall die Sache im Auge behalten!“, versprach Paul. Zusammen verließen sie den Raum und im Treppenhaus trennten sich ihre Wege.
Kapitel 2
Was hatte noch die Mutter von Andrea gesagt? Sie ist besessen, in ihr steckt ein Dämon! Besessenheit, also eine Inbesitznahme der betroffenen Person durch einen Dämon! Das wiederum ließ ihn an Dämonenaustreibung, also Exorzismus denken. Doch da schüttelte er den Kopf, in der heutigen Zeit konnte er sich das nicht vorstellen.
So nahm er sich wieder seine momentanen Studien vor und vertiefte sich in die Geschichte des Johanniter- und des Templerordens.
Er war vor einigen Monaten in Jerusalem auf dem Tempelberg gewesen und anschließend hatte er Akkon besucht. Er kannte fast jede Templerwirkstätte im Mittelmeerraum und in Deutschland.
Der Templerorden war ein adliger Ritterorden und etwa um 1118 gegründet worden, was Paul jedoch interessierte, war das Ende des Ordens. War der Orden ursprünglich aus dem bewaffneten Pilgerschutz französischer Ritter hervorgegangen, und fanden auch die allgemein bekannten Kreuzzüge statt, so wurde durch die Anklage von Sodomie, Ketzerei, Inquisition, Götzendienste und Häresie dem Orden sehr schnell ein Ende bereitet.
Im September des Jahres 1307 erging ein Haftbefehl, von König Philipp IV. dem Schönen, weltweit und zeitgleich an alle Tempelritter. Damals, so hieß es, wurden bis auf zwölf Ritter alle gefasst. Diese konnten entkommen, sogar ein Würdenträger war dabei.
Manche bekamen eine lebenslange Haft, andere wurden zum Tode verurteilt durch Verbrennung auf dem Scheiterhaufen in Paris. Das waren Geoffroy de Charnay und der letzte Großmeister Jacques de Molay. Dieser sprach auf dem Scheiterhaufen einen Fluch über den Papst aus, dass dieser binnen eines Jahres sterben werde, was dann auch wirklich eintraf.
Alle Güter der Templer wurden an die Johanniter übergeben, die Besitzungen fielen an die Kirche.
Nach einer anderen Überlieferung sollen die letzten Tempelritter auf Burg Lahneck (bei Lahnstein) einen heldenhaften Kampf geführt haben und dort gefallen sein. Wieder andere Quellen besagen, dass außerhalb von Philipps Machtbereich nicht alle Templer verhaftet worden waren, manche sogar völlig in Ruhe gelassen wurden. Doch nachdem die Führungselite fehlte, war auch die Macht der Templer gebrochen, ihre Aktivitäten beschränkten sich auf lokale Dinge. In Spanien wurden sogar zahlreiche Templer freigesprochen, die Anklage entbehrte als Ganzes jeder Grundlage, denn nur vereinzelt hatte es Verfehlungen gegeben. Es wurden neue Orden gegründet, sogar mit päpstlicher Bestätigung, viele geflohenen Templer fanden in diesem Orden Aufnahme.
Paul konnte sich gut vorstellen, dass damals zwar nicht sofort wieder ein Orden mit solch großer Macht hervorgegangen war, aber, dass sich dieser sicher mit der Zeit hätte entwickeln können, eventuell auch im Untergrund. Doch das war alles spekulativ.
An diesem Wochenende wollte er nach Mainz fahren, denn er war auf einen Anhaltspunkt gestoßen, der ihn neugierig gemacht hatte. Die Templer waren damals vertreten in Trier, Köln, Mainz, Aachen und in Berlin-Tempelhof. Zwar gab es kaum noch Überreste der Anlagen, doch es gab in jedem Ort mehrere Kirchen, und da wollte er anfangen.
So warf er seine Sporttasche mit dem Nötigsten in seinen Kofferraum und fuhr los. Die Sonne meinte es heute gut und so hatte er das Dach seines kleinen Cabriolets geöffnet. Der Fahrtwind wehte ihm angenehm durchs Haar und im Radio lief ein neuer Popsong. Da er nur wenige Jahre älter war, als seine Studenten, hörte auch er am liebsten die moderne Musik. Einige Hits sang er lautstark mit, doch dann forderte der Verkehr seine ganze Aufmerksamkeit, wieder eine dieser leidigen Baustellen und ein kleiner Stau.
In Mainz angekommen, suchte er sich einen Parkplatz und machte einen kleinen Bummel durch die Altstadt.
Er besuchte die Kirche St. Emmeran, dann die St. Johanniskirche, es gab nichts Bemerkenswertes in Bezug zu den Templern. Zum Schluss ging er zum Mainzer Dom St. Martin, er würde hier sicher nichts Aufregendes finden, doch er wollte einfach noch einmal alle Statuen, Bilder und Reliefs in sich aufnehmen.
Er stand gerade vor einem Relief, einem Grabdenkmal am Fuße einer Blendarkade, als ihm ein Zeichen unterhalb des Sockels auffiel. Er trat näher und erkannte einen keltischen Knoten in einem Kreis. In der Mitte des keltischen Knotens allerdings, fand er ein ganz kleines, einem Templerkreuz ähnlich, umgedrehtes Kreuz. War dies ein keltisches Symbol und warum war es bisher noch nicht entdeckt worden? Das konnte er sich jedoch nicht vorstellen. Er nahm eines seiner Fachbücher heraus, die er, genauso wie seine Kamera in einer Umhängetasche immer mitführte, und im dazugehörigen Bildband suchte er das Relief. Auf dem Bild war das Zeichen nicht zu sehen. Daraufhin untersuchte er das Zeichen näher und ihm fiel ein feiner Haarriss auf und ein kleiner Farbunterschied des Materials, was darauf hindeutete, dass das Zeichen erst später hinzugefügt worden war. Was hatte das zu bedeuten? War er auf einen Anhaltspunkt eines magischen Ordens gestoßen?
Das keltische Kreuz stand normalerweise für Harmonie zwischen materiellen und spirituellen Komponenten. Doch dieses keltische Zeichen deutete auf einen Orden hin, und das umgedrehte Kreuz in Form eines Templerkreuzes in der Mitte, war eher ein Satanszeichen. Normalerweise zierte die Mitte eines keltischen Kreuzes ein Knotensymbol, welches für Unendlichkeit, aber auch für den dauerhaften Bestand von Freundschaft und Liebe stand. Er untersuchte auch die anderen Statuen, doch ihm fiel nichts weiter auf. Was ihm zu denken gab war, dass das Zeichen unter der Statue, also im Untergrund, oder um es anders auszudrücken, in der Hölle abgebildet war. Er fuhr mit seinem Finger die endlosverschlungene Linie des keltischen Knotens entlang. Dann berührte er vorsichtig das Satanskreuz in der Mitte und in diesem Moment lief ihm ein eisiger Schauer über den Rücken.
Dreizehn Mal stieg die Rauchsäule aus der Räucherpfanne zur gewölbten Decke empor und aus dreizehn Männerkehlen ertönte ein monotoner Gesang. Schwarze Roben raschelten, als sie aneinander rieben, während ein geheimnisvolles, grünes Licht über dreizehn Köpfen erschien. Brennende Fackeln tauchten die Stätte in ein gespenstisches Licht- und Schattenspiel. Und wieder ein schriller, unmenschlicher Schrei!
Paul nahm seine Hand wieder weg und schüttelte über sich selbst den Kopf. Er schoss noch einige Fotos, skizzierte und vermaß seinen Fund und ging dann zurück zu seinem Auto.
Er beschloss am nächsten Tag nach Aachen zu fahren und auch dort nach einem solchen Zeichen zu suchen. Und tatsächlich fand er auch hier unter einem Apostel das keltische Symbol mit dem Satanskreuz in der Mitte. Akribisch beendete er auch hier seine Recherchen und fuhr dann nach Hause. Bis spät in die Nacht saß er noch über allerhand Unterlagen, die er im Laufe der Jahre zusammengetragen hatte. Er kam zu dem Schluss, dass auch im Kölner Dom solche Zeichen zu finden sein mussten. Seit mehreren Jahren war er aktiv an den Ausgrabungen des Alten Kölner Doms beteiligt und er hatte dort unten jeden Stein umgedreht. Das Grabungsareal war riesig, es wurde allerdings erst seit 1946 archäologisch erforscht. Er war sich jedoch ziemlich sicher, dass dort unten nichts zu finden war, so wollte er sich nochmals dem Neuen Dom zuwenden. Wie gut, dass er nach Köln gezogen war, denn um nicht ständig seine Zeit mit Autofahrten von seinem Heimatort nach Köln zu verschwenden, hatte er kurzerhand die Stelle als Hochschullehrer an der Universität angenommen, und er hatte dadurch auch noch ein regelmäßiges Einkommen.
Kapitel 3
Im Lehrerzimmer ging es heute sehr lebhaft zu, erst dachte Paul, es läge am vergangenen Wochenende und man erzählte sich die neuesten Erlebnisse, doch dann wunderte er sich doch, denn die meisten Kollegen machten ernste Gesichter. So sprach er einen Kollegen darauf an: „Was ist denn hier los? Ist etwas passiert?“
„Ja