waren abgeschlossen, das DeepField blinkte Grün. Selbstverständlich waren sämtliche Systeme online mit dem allgemeinen Gefechtskanal. An der Peripherie lohten noch ein paar kleinere Gefechte. Die Scyther schossen im Verein mit unseren schnellen Jägern die letzten Nachhuten der Laya zusammen. Ansonsten lag der Orbit der idyllischen Wasserwelt rein und strahlend vor uns.
»Vom Verband lösen«, sagte ich. »Atmosphäreneintritt einleiten. Wir fliegen zunächst in den Bereitstellungsraum über der Hauptstadt und klären dort den Status.«
Jennifer aktivierte die entsprechenden Routinen und übergab dann an den Zweiten Piloten. Als wir stabil im Sinkflug lagen und in die Einflugschneise einbogen, stand sie auf.
»Wir haben alle mal ’n schlechten Tag«, sagte sie zum Ersten Piloten, der schmollend in seinem GraviSessel hockte. Wenn man sie gut kannte, konnte man eine Entschuldigung heraushören. Der Mann sah das offenbar nicht so. Er reagierte nicht.
»Sie können Sie haben!« Jennifer deutete mit der Hand auf den Hauptbedienplatz.
Der Mann seufzte, tauschte einen ergebenen Blick mit mir und ging dann wieder an seine Konsole.
Die Enthymesis fabrizierte einen überstürzten Sonnenuntergang, als sie den Terminator passierte und in den Schatten des Planeten eintauchte. Dann gingen wir über der Nachtseite weiter herunter.
Ich stand in der Mitte der Brücke, Jennifer lehnte an der konkav gekrümmten Panoramascheibe der Steuerbordseite. In der Miene des WOs, der den Atmosphäreneintritt von seinem rückwärtigen Pult aus überwachte, las ich Missbilligung. Zwar wurden sämtliche Kräfte durch die Feldgeneratoren an Bord kompensiert, dennoch war es offiziell Vorschrift, sich während des Landeanfluges auf einen atmosphäretragenden Planeten hinzusetzen und anzuschnallen. Ganz abgesehen davon, dass in nicht allzu großer Entfernung noch die letzten Zuckungen der Schlacht flackerten.
Ich lächelte ihm freundlich zu. »Kleine Fahrt.«
Die beiden Piloten verringerten den Vortrieb. Das Schiff wurde langsamer. Das Kissen aus Plasma, auf dem es kurzzeitig geschwebt hatte, löste sich auf. Für einen Beobachter am Boden würde es aussehen, als sei ein Meteor über den Nachthimmel geglitten und mitten auf seiner Bahn plötzlich erloschen. Aber es gab keinen Boden. Die Enthymesis hielt sich jetzt auf einer fixen Position zehntausend Meter über dem schweigenden Ozean.
»Peilung.«
Der Anflug auf einen solchen Meeresplaneten war irritierender, als wenn er nur aus Wüste, Geröll oder Grasland bestanden hätte. Zumal die Umstände es mit sich brachten, dass wir uns von der Nachtseite her näherten. Nur tintenschwarzes Wasser, das an allen Seiten bis zum flacher werdenden Horizont reichte. Und indem wir langsam tiefer in die Atmosphäre einsanken, erloschen sogar die Sterne über uns.
Dort unten war nichts: keine Stadt, kein Tower, kein Leuchtfeuer. Das rudimentäre Satellitennetz, über das die Laya verfügt hatten, war abgeschaltet oder während der Kämpfe im Orbit zusammengebrochen, unser eigenes, das die Pioniertruppen der Union in den nächsten Tagen installieren würden, noch nicht online. Es war wie der Landeanflug auf einen unbewohnten Planeten, der die Segnungen der Zivilisation noch nicht zu spüren bekommen hatte. Nichts Ungewöhnliches, schließlich waren die Enthymesis-Explorer einst zu diesem Zweck konstruiert worden. Dennoch durchzuckte mich in diesem Moment die Frage, ob unsere Brückencrew so etwas überhaupt schon einmal gemacht hatte. So beleidigt der Erste Pilot gewesen war, als Jennifer ihn vom Hauptbedienplatz vertrieben hatte, so zaghaft nahm er nun die entsprechenden Manöver vor. Auf jedes meiner Kommandos reagierte er wie mit einer einprogrammierten Verzögerung.
Jennifer stieß ein charakteristisches Schnaufen aus, das ihre Ungeduld verriet. Sie hätte meine Anweisungen erst gar nicht abgewartet, sondern das Schiff in einer durchgehenden Parabel heruntergebracht und auf den Landeplatz geschmissen. Selbst Rogers, der auf seinem Kommunikator die einkommenden Meldungen seiner Geschwaderkommandanten verfolgte, sah jetzt zu mir auf und runzelte verständnislos die Stirn.
»Ein bisschen mehr Gas können Sie ruhig geben«, sagte ich zum Pilotenteam. »Und machen Sie Meldung, wenn Sie eine Peilung haben.«
Die Enthymesis beschleunigte wieder. Sie bog auf den Äquator ein und folgte ihm in westlicher Richtung, wobei sie langsam weiter an Höhe verlor. Im Augenblick waren wir noch achttausend Meter über dem tiefschwarzen Ozean.
»Pura City auf zwölf Uhr«, meldete der Erste Pilot nach einer Weile.
Das hatte man jetzt sogar mit bloßem Auge sehen können. Die Stadt, die einzige größere Agglomeration des Planeten, kam über den Horizont. Es fiel auf, dass die Randbezirke hell erleuchtet waren, das Zentrum jedoch nicht. Die Metropole lag wie ein riesiger schwarzer Krater in der Nacht. Offenbar hatte es in den inneren Bezirken einen Blackout gegeben, was wiederum darauf hindeutete, dass dort noch gekämpft wurde.
»Kein Leitstrahl«, meinte der Pilot noch. »Soll ich einen anfordern?«
Jennifer prustete durch die Nase. Rogers ließ ein ungläubiges Grunzen hören.
»Dort unten wird gekämpft«, entgegnete ich. »Man wird Ihnen schwerlich den roten Teppich ausrollen.«
Von ihrem Standort an der Backbordscheibe senkte Jennifer einen Blick in mich.
Bei dem Wort »gekämpft« war der Pilot blass geworden. Was waren das nur für Greenhorns? Seit ich Kommandant der Marquis de Laplace war, hatte ich die Enthymesis-Flotte vernachlässigt. Etwas zu sehr, wie sich jetzt herausstellte. Bei Gelegenheit würde man sich die Rekrutierungsmaßnahmen der Ausbildungsgeschwader und die Zuteilung der Schichten etwas genauer ansehen müssen. Aber es war jetzt nicht der geeignete Augenblick dafür. Auch dafür nicht! Für wie viele Dinge war nicht der passende Moment, und das schon seit vielen Jahren!
»Da ist noch etwas«, sagte der Mann.
Ohne dazu aufgefordert zu sein, hatte er wieder Vortrieb weggenommen. Wir schlichen uns bei Kleiner Fahrt an die Stadt heran, die wie eine Schüssel aus Licht, in deren Mitte das Dunkel schwappte, vor uns in der Nacht lag. Dahinter kam ein weiteres Phänomen über den Horizont und augenblicklich ging im Orchester unserer Instrumente eine ganze Kakofonie los.
»Meldung!«, rief ich. »Was zur Hölle ist da los?«
Rogers hatte sich in seinem Sessel aufgerichtet und lugte neugierig nach vorne. Selbst Jennifer hatte ihre lässige Haltung gegen eine etwas interessiertere eingetauscht.
»Ein elektromagnetischer Impuls«, rasselte der Pilot herunter. »Starke Entladungen in allen Spektren. Konzentrische Wellen von bis zu zwanzig Metern.« Der Mann stockte.
»Oh!«, machte der Zweite Pilot.
Vor uns stand ein Atompilz in der Nacht.
»Verdammte Scheiße!«, entfuhr es mir.
Die Explosion musste sich ereignet haben, als wir unter dem Horizont waren. Sie konnte nicht länger als dreißig oder vierzig Sekunden her sein. Jetzt entfaltete sich die charakteristische Pilzwolke, die noch intensiv von innen heraus leuchtete. Eine glühende Blume, die langsam weiter aufstieg. Der Kopf wurde allmählich dunkel und unsichtbar. Er verschmolz mit dem Nachthimmel. Der hohe Blütenschaft, der immer höher und dünner geworden war, wurde von den Passatwinden verweht.
Die beiden Piloten hatten das Schiff gestoppt. Noch ein paar Kilometer von Pura City entfernt, keine dreitausend Meter hoch, starrten wir zu der blau glosenden Ikone der Moderne hinaus, die ganz langsam in das ozeanische Finster dieser Nacht einsickerte. Der Fußpunkt der Pilzwolke befand sich nordwestlich, wenige Kilometer jenseits der Hauptstadt. Um deren Kais brandete gerade der künstliche Tsunami, der durch die Detonation ausgelöst worden war.
»Wer hat das angeordnet?«, fragte ich.
Mir war aufgefallen, dass Rogers sich beim Anblick der Wolke entspannt hatte. Genüsslich vor sich hin grinsend, hatte er sich wieder in seine Polster aus modifizierter Gravitation sinken lassen.
Die Frage war rhetorisch.
»Der alles hier anordnet«, brummte er, ohne aufzusehen.
»Was soll das?« Ich musste mich