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Vahid Monjezi
MEINE GEPARDEN SIND AUF DEM WEG
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2013
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Copyright (2013) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
Illustration Cover: Thomas Leibe
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
Inhalt
Erstes Kapitel
Wie kann ich beginnen?
Der Blick, den ich nicht sehe,
die Stimme, die ich nicht höre,
die Worte, die ich nicht sage.
Ich bin hier blind, taub, stumm;
allein, wie eine Allee,
der man ihre Bäume ausriss.
Blut tropft immer schneller von meinen Fingerspitzen und verteilt sich auf den Asphalt.
Ich nehme den Schlüssel aus meiner Tasche, öffne die Tür und gehe in den Vorgarten.
Der Himmel ist wolkig und dunkel, die Luft von beißendem Rauch und den Schreien der Menschen erfüllt.
Mir wird schwindlig.
Meine Augenlider werden schwer. Das Hemd ist kalt und nass; es klebt an meinem Körper.
Ich lehne mich mit dem Rücken an die Wand. Die Kälte zieht in meine Wunde.
Aus dem Einschussloch strömt mit jedem Pulsschlag neues Blut heraus, das wie ein schmales Rinnsal aus meiner Hüfte fließt und sich seinen Weg bahnt. Ich ziehe mich am Geländer die Treppe hoch.
Von weit weg höre ich Sirenen, verschlungen von Schüssen der Maschinengewehre.
Schleppend erreiche ich mein Zimmer und lasse mich auf den Sessel fallen. Ich lege eine leere Kassette in den Recorder und drücke den Aufnahmeschalter.
Ich will mein Reden aufnehmen.
Ich weiß nicht, ob diese Wörter überhaupt jemandem nützlich sind. Aber ich fühle, dass ich sie aussprechen muss, bevor der Tod alle meine Erinnerungen zunichtemacht.
Genauso, als ob sie nie existiert hätten.
Auf dem Tisch liegt ein kleines Foto von Yalda. Ich nehme es und schaue in ihre Augen.
Ein sanfter Windhauch zieht über mein Gesicht. Ich schließe die Augen, mein Atem wird langsamer.
Allmählich schwinden alle Geräusche und Eindrücke.
Neue Bilder werden hinter meinen geschlossenen Augen - wie Filmausschnitte - lebendig.
Ich sehe ihr Gesicht direkt vor meinem. … Und fühle ihre warmen Lippen, die über meine Lippen gleiten.
Yalda: „Mariwan … mein Mariwan“