Matthias Falke

Persephone


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mich, diese hochbrisanten Daten ...« Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden.

      »Sie werden tun, was ich Ihnen auftrage«, donnerte Dr. Rogers, der während der letzten Sekunden dunkelrot geworden war. »Dies ist ein geheimes Entwicklungsprogramm, und ich bin sein Direktor. Und ich ...«

      »Mit Verlaub, Sir!« Brini kämpfte um Haltung.

      »Lassen Sie mich ausreden«, brüllte Rogers. »Ich befehle Ihnen, diese Daten an diese Koordinaten zu übermitteln, nicht mehr und nicht weniger!«

      Einige der Zuhörer waren zusammengezuckt. Die anderen scharten sich unwillkürlich näher zusammen. Brini stand da und zitterte. Aber er schien fest entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen.

      »Ich protestiere gegen diese Behandlung.«

      »Protestieren Sie, so viel Sie wollen. Und dann folgen Sie endlich meinen Anweisungen.«

      »Das wird ein Nachspiel haben«, brachte Brini hervor. »Diese Auseinandersetzung wird dokumentiert. Ich werde das Protokoll davon an die zuständigen Stellen der Union ...«

      »Schwätzen Sie nicht.« Rogers kippte den Rest seines Whiskys herunter. Plötzlich schien er ganz ruhig. Es war die drohende, brodelnde Ruhe eines Vulkans, eine Sekunde bevor er ausbricht.

      »Dr. Rogers«, startete Brini einen letzten Anlauf. »Dies ist ein ziviles Projekt!«

      Rogers stand da, als habe er nicht zugehört. Er hielt einem der Assistenten sein Glas hin. Der Mann beeilte sich, es wieder zu füllen. Solange herrschte gespannte Stille auf dem Hauptdeck der ERIS. Als Rogers wieder versorgt war, drehte er sich zu seinem Stellvertreter um und musterte ihn kalt und abschätzend.

      »Das glauben aber auch nur Sie.«

      Als die Sonne untergegangen war, wurde es kalt. Ein frischer Wind kam von der See her auf. Laertes wollte sich verabschieden. Sein langer Aufenthalt hier in diesem schmerzhaft friedlichen Familienidyll war ihm unangenehm. Störte er nicht? Aber Beth beruhigte ihn und lud ihn ein, noch zum Abendessen zu bleiben.

      Sie gingen hinein. Eine Haushälterin war in der Küche bereits damit beschäftigt, das Essen vorzubereiten. Eine Latina mittleren Alters aus Pensacola Stadt. Außerdem besaßen die Ashs einen primitiven Hausbot, der einfache Arbeiten erledigte. Beth begab sich in die Küche, um das Ganze zu überwachen. Ash führte Laertes und die kleine Jennifer in das geräumige Wohnzimmer des Hauses, einen weitläufigen Salon, der sich über die Terrasse zum Garten hin öffnete und der jetzt vom Widerschein des Sonnenuntergangs über dem Meer dunkelrot erglühte.

      Die Zwillinge kamen, Donnan und Garth. Ash stellte sie seinem Kameraden stolz vor. Die Buben grüßten schüchtern und verzogen sich dann auf ihr Zimmer, von wo bald die einschlägigen Geräusche eines Konsolenspiels herunterdrangen.

      Wenig später gab es Abendessen. Salat und Gemüse aus dem Garten. Dazu Tapas nach einem alten Familienrezept der Haushälterin Ximena. Diese kam kurz in den Salon, um linkisch den Applaus der Tafelnden entgegenzunehmen, und zog sich dann wieder in die Küche zurück, um in regelmäßigen Abständen nach dem Rechten zu sehen. Zu den Vorspeisen tranken sie Wasser. Beim Hauptgang öffnete Ash einen leichten Wein. Die Söhne waren zum Essen wieder herunter gekommen. Sie kicherten und stießen sich an. Die kleine Jennifer saß auf ihrem erhöhten Kinderstuhl und lauschte verständig den Unterhaltungen der Erwachsenen. Sie war müde von dem langen Tag im Freien. Schließlich fielen ihr die Augen zu. Beth brachte sie ins Bett. Auch die Zwillinge wurden wieder entlassen. Ximena verabschiedete sich, für Laertes’ Geschmack etwas zu unterwürfig. Dann blieben sie zu dritt zurück. Durch die offenstehende Terrassentür wehte eine kühle auflandige Brise. Sie brachte den Geruch des Meeres mit herein, den man tagsüber, im Garten, kaum wahrgenommen hatte. In der Tiefe sah man die Lichter von Containerschiffen und fern am Horizont eine Ölplattform.

      »Schön habt ihr’s hier.« Laertes war satt und schwer, auch schon ein wenig benommen von dem guten Wein.

      »Ja, man kann es aushalten.« Ash drehte den Korken in den Händen und tauschte verliebte Blicke mit seiner Frau.

      Beth nahm sich noch eine Olive und kaute gedankenverloren darauf herum. Dann sah sie Laertes lauernd an.

      »Was sagst du eigentlich zu den Tloxi?«

      »Was soll ich dazu sagen?« Er erwiderte ihren Blick.

      »Ich weiß nicht.« Sie lachte. »Franklin reagiert auf das Thema auch immer so gereizt.«

      »Entschuldige«, beeilte er sich zu sagen. »Ich wollte nicht gereizt rüberkommen.«

      Sie machte eine wegwerfende Geste. Damit wurde sie schon fertig. Ash, überlegte Laertes, war einerseits sicherlich ein aufmerksamer und zuvorkommender Ehemann, andererseits konnte er aber auch ziemlich direkt sein, manchmal war er auch nervtötend, anstrengend und unerträglich. Wenn Beth es mit ihm aushielt, hieß das, dass sie nicht empfindlich war. Und so schätzte er sie nach diesem langen Nachmittag und Abend auch ein.

      »Tut mir leid«, sagte er trotzdem. »Ich wollte dich nicht so abbügeln. Aber um ehrlich zu sein, ich kann es langsam nicht mehr hören.«

      Beth biss schmunzelnd in die nächste Olive, erwiderte aber nichts. Ash lehnte sich mit einem genüsslichen Gesichtsausdruck zurück, als freue er sich auf eine gute Show.

      »Ich weiß ja nicht, wie es dir geht«, wandte Laertes sich direkt an seinen ehemaligen Kameraden. »Aber ich wurde permanent danach gefragt, seit wir wieder hier sind. Was sagst du dazu? Was hältst du davon? Hast du sie gesehen? Du bist doch dort gewesen?!«

      »So viel hast du den ganzen Tag noch nicht an einem Stück geredet«, stellte Beth grinsend fest. »Das Thema muss dir wirklich mächtig auf den Zeiger gehen.«

      »Nein«, sagte Laertes rasch. »Nicht das Thema an sich. Darüber können wir uns gerne unterhalten. Wir sind ja alle sozusagen vom Fach. Aber weißt du, dann kommen Leute, die hier leben, die ihr ganzes Dasein auf der Erde verbringen, und fragen dich, ob du diese Aliens gesehen hast, du seist ja dort gewesen, dort – im Weltraum!«

      »Dabei sind es zum einen keine Aliens«, fiel Beth ein, die der Ausbruch ihres Gastes köstlich amüsierte.

      »Zum anderen«, sekundierte Ash, »fand der Erstkontakt erst statt, als wir schon wieder hier waren.«

      »Danke, Freunde.« Laertes warf in gespielter Erleichterung die Arme in die Luft. »Warum verstehen das die Leute nicht?«

      »Weil sie von den Räumen dort draußen keine Vorstellung haben«, sagte Beth.

      »Mag sein.« Laertes drehte sein Weinglas in den Händen. Dann sah er wieder auf. »Um ehrlich zu sein, die Sache hat mich bis jetzt nicht sonderlich interessiert. Ich habe mich nicht damit beschäftigt, also nicht über das hinaus, was auf den Mainstreammedien läuft, und das ist vermutlich zu gleichen Teilen entstellt oder erlogen.«

      »Du bist doch KI-Spezialist«, sagte Beth. »Fallen diese Wesen da nicht eigentlich in deine Domäne?!«

      Laertes setzte ein desinteressiertes Gesicht auf.

      »Wie gesagt, ich war viel unterwegs. Kongresse, Vortragsreisen.«

      »Ich glaube dir kein Wort«, fiel Ash ein. »Du hast dich irgendwo vergraben und an deiner eigenen KI herumgefummelt.«

      Laertes hob die Schultern. Und wenn schon, sagte seine Miene. Aber er blieb stumm.

      »Ich finde es schon spannend«, sagte Beth, um das Gespräch vor dem Versacken zu bewahren.

      »Die Sache wird ja untersucht«, erwiderte Laertes höflich. »Wenn man irgendwelche konkreten Anhaltspunkte hat, wenn man weiß, wovon man redet und womit man es zu tun hat, wird es sicher interessanter. Ich kann mir vorstellen, dass ich dann auch wieder zum Team stoße, um es mal so zu sagen.« Er sah Beth durchdringend an, die sich mit dieser Antwort zufrieden zu geben schien. Dann wandte er sich an Ash. »Wiszewsky ist an der Sache dran?«

      »Die MARQUIS DE LAPLACE ist vor Ort.« Der Gastgeber nickte. Ein süffisantes Grinsen spielte um seine Lippen, als er den Namen ihres früheren