Wolfram Letzner

Die 40 bekanntesten historischen und archäologischen Stätten in Istrien


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      Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurden auch für Istrien die Karten neu gemischt. Während des ersten Kriegsjahres hatte keine der Konfliktparteien – vor allem im Westen – wirklich Erfolge erzielen können. Daher versuchte man von Seiten der Alliierten, also im Wesentlichen Großbritannien und Frankreich, neue Bündnispartner zu gewinnen. Im Frühjahr 1915 überredeten sie das Königreich Italien zum Kriegseintritt und versprachen dafür die österreichischen Gebiete, u. a. auch Triest und Istrien.

      Über einzelne Kriegsaktionen zu berichten, wäre fehl am Platze. Wichtiger sind vielmehr die Ergebnisse des Krieges. Wie 1915 versprochen, erhielt Italien im Vertrag von Saint Germain-en-Laye (1919) die uns hier interessierenden Gebiete. Abgesichert wurde dies noch im Vertrag von Rapallo (1920), der die Grenzziehung zwischen Italien und dem 1918 gegründeten Königreich Jugoslawien regelte.

      Als im Jahr 1922 Mussolini und damit der Faschismus in Italien an die Macht kam, sollten für die territorialen Neuerwerbungen große Probleme auftauchen. Mussolini wollte einen durch und durch italienischen Staat; dazu dienten Zwangsmaßnahmen. In Istrien und auch in Dalmatien – Gleiches gilt ebenso für das deutschsprachige Südtirol – wurden massiv Italiener angesiedelt und gegenüber der ansässigen Bevölkerung repressiv vorgegangen.

      In den Wirren des Zweiten Weltkrieges wurde der Balkan erneut zum Kriegsschauplatz. Das Dritte Reich wurde in die Interessen des faschistischen Italiens hineingezogen, musste schließlich in Jugoslawien und anderen Balkanstaaten eingreifen. Mit dem Sturz Mussolinis und der Kriegserklärung Italiens an das Deutsche Reich 1943 wurde Italien plötzlich zu Feindesland, so auch das italienische Istrien.

      Ohnehin schon durch alliierte Luftangriffe an vielen Orten schwer getroffen, verschlechterte sich die Situation. Der Krieg forderte Opfer.

      Nach der deutschen Kapitulation 1945 entstand die Sozialistische Republik Jugoslawien. Im Friedensvertrag von Paris im Jahr 1947 fiel Istrien an Jugoslawien, das in Teilrepubliken organisiert war. Das Gebiet um Koper und Portorož, heute ein Ortsteil von Piran, ging an Slowenien, während der südliche Teil Istriens zur Teilrepublik Kroatien kam. Ein Sonderfall stellte die Region um Triest dar. Hier hatte man 1947 das Territorium in zwei Zonen aufgeteilt: Die Zone A umfasste die Stadt und den Hafen Triest, die unter Verwaltung eines UN-Hochkommissars standen. Italien und Jugoslawien konnten sich aber erst 1954 über die Aufteilung einigen und es sollte noch bis 1975 dauern, bis alle Probleme geklärt waren. Im Vertrag von Osimo, einer Kleinstadt in der italienischen Provinz Ancona, wurde die Grenze zwischen Italien und Jugoslawien endgültig festgelegt.

      Die Gewaltausbrüche der faschistischen Zeit führten dazu, dass nach der Gründung der Sozialistischen Republik Jugoslawien in großem Umfang Istrianer italienischen Ursprungs vertrieben wurden. Diese Auswirkungen kann man noch heute in einigen Ortschaften Istriens beobachten. Leere Fenster geben Zeugnis davon (s. S. 129).

      Die vergleichsweise liberale Politik Marschall Titos, der von 1945 bis zu seinem Tod im Jahr 1980 den Staat lenkte, vermochte es nur, die Gegensätze und Probleme im Vielvölkerstaat Jugoslawien zu überdecken, nicht aber zu lösen. Nationalistische Bestrebungen führten zum Zerfall der Republik und schließlich 1990/1991 zum Entstehen der Staaten Kroatien und Slowenien, die in diesem Kontext relevant sind. Mit den Grausamkeiten dieses Krieges werden wir noch heute konfrontiert. Zwar sind die meisten Kriegsschäden längst ausgebessert, doch in den Köpfen der Menschen haben sich die Erinnerungen gehalten und verblassen nur langsam.

      Literatur

      A. Pavić, Europas vergessene Antike – Die illyrische Gradina-Zivilisation, Frankfurter elektronische Rundschau zur Altertumskunde 1 (2009) 7 – 31 (http://www.fera-journal.eu); B. Kuntić-Makvić – M. Dizdar – M. Sanader, Zwischen Griechenland und Italien, in: M. Sanader (Hrsg.), Kroatien in der Antike (2007) 20 – 26; M. Zaninović, Die römischen Eroberungen – Teuta, Demetrios Pharios und die Römer, in: M. Sanader (Hrsg.), Kroatien in der Antike (2007) 61 – 71; L. Steindorff, Kroatien vom Mittelalter bis zur Gegenwart (2001); DNP V (1998) 644 f. s. v. Histria, Histri (M. Šašel Kos); D. Alberi, Istria. Storia, arte, cultura (1997) 3 – 108; E. Hösch, Geschichte der Balkanländer von der Frühzeit bis zur Gegenwart (1988).

      Die Westküste Istriens, die hier beschrieben wird, setzt im Norden am Golf von Triest an und erstreckt sich nach Süden hin bis zum Kap Kamenjak oder, wenn man es auf einen Ort beziehen möchte, bis nach Porat. Die Bucht von Medulin hingegen muss schon der Ostküste zugerechnet werden.

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      Triest ist eine Stadt von ganz eigenem Zauber, dem sich der Besucher nicht verschließen kann. Aber die Stadt will mit Muße erforscht sein. Die unterschiedlichsten Denkmäler und Museen benötigen ihre Zeit und darüber hinaus tut es gut, sich dem Rhythmus der Stadt anzupassen – die kleinen Pausen in traditionsreichen Kaffeehäusern und eine gewisse Entschleunigung des alltäglichen Lebens zu genießen. So wird der Besucher der Stadt mit all ihrem Charme erliegen.

       Triest – eine Metropole mit besonderem Charme

       Historischer Überblick

      Die Region Triest war bereits in ur- und frühgeschichtlicher Zeit besiedelt. Es konnten mehrere, wohl bronzezeitliche, Castelliere nachgewiesen werden. Zu Beginn des 1. Jts. v. Chr. drangen indoeuropäische Völker in den Raum um die Stadt vor. Man vermutet, in der Eisenzeit habe dann auf dem Hügel San Giusto eine befestigte Siedlung der Paläoveneter bestanden. Archäologisch nachgewiesen ist sie allerdings nicht. Jedoch wird diese Vermutung durch den antiken Namen Tergeste gestützt. Die Sprachforschung liefert dafür Argumente. So stehe der Begriff„Terg“ für Markt und das Suffix „-este“ sei typisch für Ortsbezeichnungen der Veneter.

      Eine andere Erklärung des Namens findet sich hingegen bei Strabo (Geogr. 5, 1, 9; 7, 5, 2), der den Namen damit erklärt, während der römischen Eroberung Oberitaliens habe es hier drei Schlachten gegeben und daraus (ter gestum bellum) sei der Name entstanden.

      Als die Römer kamen – soweit ist man sich sicher – bestand Tergeste als dörfliche Siedlung, die nun von den illyrischen Carni besiedelt war. Relativ unklar ist, welchen Status der Ort nach der römischen Eroberung besaß. Die schriftlichen Quellen liefern reichlich Spielraum zur Interpretation. Eine Erwähnung durch Aulus Hirtius (Bell. Gall. 8, 24, 3), dem das letzte Buch des „Bellum Gallicum“ Caesars zugeschrieben wird, legt für Tergeste eine städtische Siedlung, wohl ein municipium, nahe. Den Status als colonia erhielt es aller Wahrscheinlichkeit nach im Jahr 42/1 v. Chr., wie man einer Stelle bei Plinius (nat. 3, 127) entnehmen kann.

      Unabhängig vom Rechtsstatus der Stadt dürfen wir wohl durchaus annehmen, dass sie in spätrepublikanischer oder frühaugusteischer Zeit ihr Gesicht erhielt. Dies betraf etwa das Straßennetz, das politische und religiöse Zentrum auf dem San Giusto und die Verteidigungsanlagen, deren einziges Zeugnis möglicherweise der „Arco di Riccardo“ (s. S. 26) ist. Eine Inschrift (CIL V 525) belegt jedenfalls, dass die Stadtmauern unter Augustus im Jahr 33/2 v. Chr. errichtet oder renoviert wurden.

      Wie in den anderen Städten des Römischen Reiches sollte auch in Triest das Christentum Einzug halten. Davon zeugen verschiedene Kirchenbauten, zu denen eine frühchristliche Friedhofsbasilika