wird abgelehnt. Kurz danach übernimmt der inzwischen achtzehn Jahre alt gewordene Christian II. die Regierungsmacht. Auch er ändert nichts an diesem seinem ehemaligen Erzieher zugedachten Unrecht.
Gegen diese Ankündigung eines eindeutigen Justizmordes protestierten: Queen Elizabeth I., Heinrich IV. von Frankreich und Wilhelm von Hessen. Erfolglos. Das Urteil wurde dem deutschen Kaiser nicht zur Unterzeichnung vorgelegt. Man verweigerte sogar die Zustellung der Anklageschrift, gestand Krell keinen Verteidiger zu, verwehrte ihm eine Berufung. Doch das wusch die ramponierte Geistlichkeit nicht rein. So kehrte man die ganze schöne Geschichte unter den Teppich. Nachlesen kann man dies in der Leichenpredigt des Pfarrers Blumius „Leichpredigt über den Custodierten D. Nicolaus Krell“ (Dresden 1602, 1603 ff.). Diese Blume der Kanzelredner hatte den diffizilen Auftrag erhalten, den Gebrochenen zu absolvieren. Er sollte Krell ein Schuldgeständnis abringen.
Krell wurde eilig vom Königstein nach Dresden übergeführt. Eine zehnjährige qualvolle Haft hatte nicht genügt, den Hass seiner adligen Widersacher abzukühlen. Vom 6. bis 9. Oktober saß der zum Tode Verurteilte in der kleinen Gerichtsstube des alten Rathauses am Dresdner Altmarkt. Vielleicht erwartete er einen Gnadenakt statt den Tod durch Henkershand. Zehn Jahre Kerker hatten den zum Tode verurteilten ehemaligen Kanzler des Kurfürsten Christian I. so geschwächt, dass er nicht gehen konnte, sondern von den Bütteln auf einem Stuhl „auf den Judenhof vor das neue Stallgebäude“ getragen werden musste, „wo man ein sonderlich Palatium oder Bühne errichtet hatte, welche auf Befehl der Kurfürstin ihrem Platz näher gerückt worden war, um sehen zu können, wieder Mann sein Ende nehme, der ihren Herrn verführt hatte“. Beim Anblick des Schafotts wurde Krell ohnmächtig.
Angesichts des Blutgerüstes, das auf dem Dresdner Neumarkt errichtet worden war, dicht neben dem späteren Dinglingerhaus, rief er aus: „Nun wohlan, in Gottes Namen, des Kurfürsten Wille geschehe. Gott erbarme es, ich komme unschuldiger Weise darzu, mir geschieht Gewalt und Unrecht. Ich gestehe nit die geringst Tat, die im Urteil abgelesen. Ich muss zwar bekennen, dass ich vor Gott ein armer Sünder bin, aber dass ich solche Mishandlung begangen habe, das gestehe ich nit, und kann es nimmermehr. Meine Ankläger müssen es am jüngsten Tag verantworten, dahin berufe ich mich, denn ich weiß, dass mir hiermit Gewalt und Unrecht geschieht.“
Auf der Treppe des Johanneums stand die triumphierende Geistlichkeit, angeführt von der Kurfürstin Sophie. Sie blickte auf Kanzler Krell herab und sagte laut: „Ich will dem Manne sein Recht tun sehen, der meinen seligen Eheherren so übel angeführt hat.“
Darauf hieb ihm der Scharfrichter mit einem einzigen Schwerthieb das Haupt ab.
Nach vollstrecktem Urteil hielt Scharfrichter Pohls das blutende Haupt des einstigen Kanzlers hoch und sprach: „Das war ein calvinischer Streich! Seine Teufelsgesellen mögen sich vorsehen; denn man schont allhier keinen.“
Abb. 3: Der abgeschlagene Kopf Krells in einer zeitgenössischen Grafik, unbekannter Künstler (Quelle: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett) Der Künstler hat die Augen des vom Körper abgetrennten Kopfes noch offen und lebendig mit einem direkten Blick zum Betrachter gezeichnet
„Ich frage, ob ich meines gnädigsten Kurfürsten und Herrn Befehl genug gethan?“ wandte sich der Scharfrichter dann an die Richter.
„Du hast gethan, was dir befohlen wurde“, kam die Antwort.
Krell wurde auf dem Dresdner Frauenkirchhof in der Gruft des Oberfeldzeugmeisters Caspar Voigt von Wierandt beigesetzt.
Abb. 4: Krellstein auf dem Dresdner Jüdenhof Benutzer: SchiDD
Nicht dem Recht, sondern der Rache hatte der Schwert-Streich des Henkers gedient, der den Neumarkt zu Dresden mit dem Blut eines Unschuldigen färbte, an der Stelle, an der noch bis in das Jahr 1945 ein Stein mit den eingemeißelten Buchstaben KR an ein Justizverbrechen des ausgehenden Mittelalters erinnerte.
Abb.5: Buchillustration oder Flugblatt zur Verhaftung der Doktoren Christoph Gundermann, Nikolaus Krell und Urban Pierius (Birnbaum) unter dem Vorwurf des Calvinismus. Simultane Darstellung der Ereignisse in Leipzig, Dresden und Wittenberg, 1591/1592, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Graphische Sammlung, HB 6375 (Nicolaus Crell ist im linken Medaillon oben dargestellt.)
Abb.6: Richtschwert. Mit diesem Schwert wurde der kalvinistische Kanzler Nikolaus Krell 1601 enthauptet. In Latein wurde der Spruch „Hüte dich, Calvinist!“ eingraviert. / Datierung: Ende 16. Jh. (Inventarnummer: VI 449) in: Staatl. Kunstsammlungen Dresden / Rüstkammer
Das Richtschwert wird als Zeichen mangelnder christlicher Toleranz bis heute in der Dresdner Rüstkammer aufbewahrt. Nur wenige Exemplare der berühmten Krell-Bibel entgingen der Vernichtung. Mehr als zehn Leichenpredigten bewahrte die Sächsische Landesbibliothek Dresden dagegen auf.
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