mich an ein Gefühl der Erleichterung darüber, dass wir alle ein Training in achtsamer Kommunikation durchlaufen hatten und daher vertraut mit der Technik des Monologs und des tiefen Zuhörens waren. Als wir mit dem Prozess begannen, hoffte ich insgeheim auf einen Konsens unter uns. Aber dazu kam es nicht. Was nun?
Eine Option wäre gewesen, eine Diskussion über unsere Standpunkte anzufangen. Also diese Art Debatte, die meist enorm viel Zeit verschlingt und selten in eine wirklich gute Entscheidung mündet. Viel öfter endet sie in einem Kompromiss oder einer Wahl, die nur von einigen Beteiligten befürwortet wird. Hier allerdings stand zu viel auf dem Spiel, als dass dies unser nächster Schritt sein konnte.
Also schlug Sue vor, anstatt zu diskutieren, das Gehörte sinken zu lassen und etwas Zeit auf eine Reflexion zu verwenden. Wir kamen überein, uns in einer Stunde wieder zu treffen. Mark machte einen Spaziergang um das Gebäude. Sue fand einen ruhigen, leeren Raum, in dem sie sitzen konnte. Ich holte mir eine Tasse Kaffee und ging damit zurück in mein Büro, schloss die Tür und gestattete mir die Ruhe, die ich brauchte, um all das, was ich an diesem Tag gehört und gefühlt hatte, in mir wirken zu lassen – die Ruhe, die ich brauchte, um sorgfältig auf meine Intuition zu lauschen.
Eine Stunde später fanden wir uns wieder im Konferenzraum ein und tauschten nochmals unsere Meinungen aus. Dieses Mal erreichten wir einen klaren und starken Konsens. Es war eine unbequeme Entscheidung für viele im Unternehmen, aber für uns drei war nun klar, dass wir einen Rückruf empfehlen mussten.
Wie bei den meisten schwierigen Entscheidungen war es in Jims Geschichte äußerst wichtig, eine klare Position zu finden. Auf dem Boden gegenseitiger Unterstützung und einer einhelligen Entscheidung konnten Jim, Mark und Sue souverän in das Gespräch mit dem CEO und den anderen gehen. Es war eine Entscheidung, die nicht auf der Datenlage fußte, die uneindeutig blieb, sondern auf ihrer kollektiven Erfahrung und Intuition. Als sie ihre einstimmige Empfehlung an den CEO aussprachen, stellte dieser nur eine einzige Frage: „Vertrat jemand einen anderen Standpunkt?“ Sie verneinten, und er erklärte sich rasch mit der Empfehlung einverstanden. Ihre Klarheit half also auch dem CEO: Er konnte der Entscheidung vertrauen, den kostspieligen Rückruf zu veranlassen, weil alle seine Berater zu dem gleichen Schluss gekommen waren. Es war der richtige Weg.
Jetzt konnten alle Energien auf die effektivste und effizienteste Umsetzung des Rückrufs verwendet werden. Keiner hatte gewollt, dass dies passierte, doch die Entscheidung war einfacher umsetzbar und auf lange Sicht leichter zu akzeptieren, weil sie sich die notwendige Zeit genommen hatten, um Klarheit über die beste Option zu gewinnen. Es war keine schnelle Reaktion im Chaos der Verunsicherung. Auch war die Entscheidung nicht das Ergebnis von Erschöpfung nach einer langwierigen Debatte. Das Team traf diese Wahl in dem Wissen darüber, wann es wichtig ist, dem Geist zu erlauben, sich zu beruhigen, damit der beste Weg sich zeigen kann.
Als Manager, die das Mindful-Leadership-Training durchlaufen hatten, wussten Jim, Sue und Mark, wie sie ihre klassischen Business- und Leadership-Fertigkeiten sowie auch ihre hart erarbeiteten Erfahrungen mit ihrem mentalen Training verbinden konnten.
Die Mindful-Leadership-Praxis hatte sie gelehrt, den starken Drang, zu reagieren, ebenso zu erkennen wie die Tendenz des Geistes, unter Stress den Fokus zu verengen. Auch wussten sie um die Dynamik schwieriger Gespräche, die manchmal durch Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner statt durch wirklich angemessene Entscheidungen aufgelöst werden, sowie um die negativen Effekte von Informationsüberflutung. Das Training half ihnen zudem dabei, die Vieldeutigkeit des „Nicht-Wissens“ für eine Weile auszuhalten, und gab ihnen die notwendige Ruhe und den Raum, klarer zu sehen und adäquat zu reagieren. Weder ihr klassisches Businesstraining noch ihr mentales Training allein hätten ausgereicht, um zu einer optimalen Entscheidung zu gelangen. Die Kombination von beidem dagegen erwies sich als überzeugend.
Jim, Sue und Mark hatten den Mut, eine Weile innezuhalten, damit sich der aufgewirbelte Staub setzen konnte, und den Mut, alle Ihre Fähigkeiten in die Entscheidungsfindung mit einzubringen. Inmitten des Chaos bewiesen sie Führungsexzellenz. Allzu oft sind wir uns nicht bewusst, welchen Effekt Druck in einer Situation auf unsere Fähigkeit hat, mit Exzellenz zu führen. Zwar verfügen wir über die angeborene Fähigkeit, selbst bei sehr schwierigen Entscheidungen ganz präsent zu sein, dazu aber müssen wir es erkennen, wenn wir uns in einem reaktiven Modus bewegen, und Methoden erlernen, die uns bei bewussten Entscheidungsfindungsprozessen unterstützen.
Jeder hat das Potenzial, mit Exzellenz zu führen. Sie mögen sich im Moment in einer Position befinden, die Ihnen Entscheidungen abverlangt, die Ihr direktes und weiteres Umfeld betreffen, daher betrachten sowohl Sie selbst als auch andere Sie als Führungskraft. Oder aber Sie bekleiden keine Führungsrolle im engeren Sinne und berühren dennoch jeden Tag das Leben anderer auf eine einflussreiche Art. In welchem Fall auch immer, wir alle haben jene Gelegenheiten, die Führung zu übernehmen, die Außenministerin Albright in dem Zitat zu Beginn dieses Kapitels anspricht. Sie beschreibt diese Fähigkeit als „tief in unserem Inneren“ liegend und damit auch sehr treffend die Führungsqualitäten, die das Mindful-Leadership-Training fördert.
Warum brauchen wir Mindful Leadership?
Um diese Frage zu beantworten, lassen Sie uns einen Blick darauf werfen, was es bedeutet, achtsam zu sein.
Wenn Sie in diesem Moment achtsam sind, sind Sie präsent für Ihr Leben und Ihr Erleben, genauso, wie es ist …
nicht, wie Sie es sich erhofft haben,
nicht, wie Sie es erwartet haben,
nicht mehr oder weniger sehend als das, was da ist, nicht mit Urteilen, die Sie zu einer konditionierten Reaktion verleiten können,
… sondern präsent für genau das, was gerade da ist und sich entfaltet, jedem Moment mit Gleichmut begegnend.
Betrachten wir die Herausforderungen, denen sich Führungskräfte heute gegenübersehen, ist leicht ersichtlich, wie wichtig die Entwicklung von Achtsamkeit im Führungskontext ist. Die Umgebungen, in denen wir leben und arbeiten, entwickeln sich stetig weiter. Zeit wird inzwischen oft in Mikrosekunden gemessen. Unternehmen unterliegen neuen und komplexen wirtschaftlichen und ressourcenbedingten Beschränkungen. Wir sind rund um die Uhr mit einer Reihe technischer Geräte verbunden, die regelmäßig eine furchterregende Informationsüberflutung und ein Gefühl von Unverbundenheit auslösen, uns überwältigen und isolieren. Die Welt verändert sich so rapide, dass Menschen, die sich heute auf eine berufliche Laufbahn vorbereiten, diesen Weg bereits völlig verändert vorfinden, wenn sie dann bereit sind, ihn zu betreten. Ein Paradigma nach dem anderen wandelt sich. Der Umfang der verfügbaren Informationen führt in Wahrheit zu weniger statt zu mehr Gewissheit. Die Anzahl von Stimmen und Meinungen, die uns zu jedem beliebigen Thema zur Verfügung stehen, ist so einschüchternd groß, dass wir oft nicht wissen, wem oder was wir glauben oder folgen sollen.
Es ist allerdings auch so, dass diese turbulenten Zeiten großartige Gelegenheiten und reiche Möglichkeiten zu Innovation bieten. Die Welt wird kleiner, und langsam erkennen wir das Potenzial, das darin liegt, der täglichen Komplexität in wahrhaft kreativer, produktiver und mitfühlender Weise zu begegnen. Es ist an der Zeit, die Führung zu übernehmen und neu zu definieren, was es bedeutet, dies mit Exzellenz zu tun.
In meiner eigenen Erfahrung zunächst als Mitarbeiterin an der Wall Street, in meinem ehrenamtlichen Engagement, als Angestellte in drei großen Organisationen, in über fünfzehn Jahren in einem Fortune-200-Unternehmen und schließlich in meiner Arbeit mit dem Mindful-Leadership-Training mit Menschen aus aller Welt habe ich stets festgestellt, dass die besten Führungsqualitäten weit darüber hinausreichen, „den Job zu erledigen“. Die besten Führungskräfte sind Frauen und Männer, die sowohl eine erstklassige Ausbildung haben als auch einen hellen Verstand, die warmherzig sind und sich leidenschaftlich für ihre Aufgabe begeistern, eine starke Verbindung zu ihren Kollegen haben sowie Gemeinschaftssinn und den Mut, sich dem Leben zu öffnen. Sie empfinden einen Drang zu Exzellenz, zu Innovation und dazu, etwas zu bewirken.
Dennoch kommt es ihnen hin und wieder so vor, als seien all ihre Fähigkeiten und ihr Führungskräftetraining nicht genug. Sie erzählen mir, dass, obwohl sie ihre Sache gut machen und die Quartalsziele erreichen, sie einfach nicht spüren, dass sie ihr Leben auf