Vera Nentwich

Wunschleben


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überrascht, wie souverän sie das sagen kann. Sie lächelt, weil kaum etwas anderes möglich ist. Ihr Blick schweift umher, unsicher und möglichst direkten Blickkontakt vermeidend. An die hundert Menschen drängen sich im Zelt zu einer einzigen großen Menschentraube zusammen. Nein, es müssen weit mehr sein. Die meisten stehen einfach so da. Ihre Gesichter sind irgendwie ausdruckslos. Fast nicht vorstellbar, dass es ihnen Spaß macht, hier zu sein. Die Gruppe um sie herum besteht aus mehreren Männern, die alle in den Vierzigern zu sein scheinen. Auch sie schauen schweigend in die Runde und halten, sofern vorhanden, ihr Bierglas in der Hand. Das Gruppenmitglied mit den Getränken erscheint, und es kommt etwas Bewegung in die Runde. Wortlos werden die Biere herumgereicht und Anja bekommt ein Alt hingehalten. Vorsichtig greift sie zu und wartet nun ab, wer die Runde antrinkt. Der Spender hebt das Glas, alle anderen prosten ihm zu und nehmen den ersten Schluck. Anja tut es ihnen nach. So steht sie nun da. Hoffend, man möge ihr die Unsicherheit nicht allzu sehr ansehen. Manchmal, wenn sich die Blicke zufällig mit denen des Mannes neben ihr treffen, versucht sie zu lächeln. Ein freundliches Lächeln, ein weibliches Lächeln möchte sie zeigen. Keine Ahnung, ob es geklappt hat. Es spricht keiner. Hoffentlich wegen der Musik und nicht, weil man über sie nachdenkt und irritiert ist. Die Band kündigt eine Pause an und die Menschen, die bisher getanzt haben, strömen zur Theke. Bettina kommt strahlend auf sie zu. Sofort kommt Leben in die Männerrunde.

      »Bring der jungen Dame doch mal etwas zu trinken«, raunzt der eine Mann dem Spender der letzten Runde zu.

      »Kommt sofort. Was hätten Sie denn gerne?«, wendet dieser sich an Bettina.

      »Weißwein«, antwortet sie und schon setzt sich der Mann in Bewegung.

      Ist Altbier unweiblich? Anja grübelt darüber nach. Sie käme nie auf die Idee, in einem Schützenzelt Weißwein zu bestellen. Alles hier ist Bieratmosphäre. Aber vielleicht sollte sie nun als Frau auch Weißwein bestellen? Vorsichtig schaut sie sich um, ob andere Frauen Bier trinken, und ist sehr erleichtert, als sie feststellt, dass sie nicht die einzige ist. Nach überraschend kurzer Zeit erscheint der Getränkespender mit einem Glas Weißwein und reicht es Bettina. Alle Männer prosten ihr mit großen Gesten zu. Diese schenkt dem Spender und gleich allen anderen Herren in der Runde ein Lächeln und plaudert ungezwungen los. Plötzlich drehen alle Anja den Rücken zu und schenken Bettina ihre ganze Aufmerksamkeit. Und auch Anja ist von ihr eingenommen. Wie bewundernswert locker Bettina ist. Man merkt ihr an, wie sehr ihr dieses Spiel Spaß macht. Anja würde gerne genauso auftreten, aber sie versteht nicht das Geringste von der Magie, die da gerade direkt vor ihren Augen wirkt. Es scheint, als ob ein unsichtbarer Magnet die Aufmerksamkeit der Männer auf Bettina zieht. Die wiederum schenkt mal ein Lächeln nach rechts, greift kurz ins eigene Haar und sieht wieder nach links. Alles führt dazu, dass die Herren sie umringen. Anja macht einen Schritt zurück und beobachtet das Schauspiel genauer. Diese Automatismen zwischen Mann und Frau waren und sind ihr ein Rätsel. Es soll ja etwas mit den Pheromonen zu tun haben, die unbewusst ausgesendet werden und im Gegenüber entsprechende Reaktionen auslösen. Sie selbst sendet wahrscheinlich männliche Pheromone aus. Der Gedanke bedrückt sie und lässt etwas Neid aufkommen.

      Der Abend schreitet voran. Die Männerrunde gibt reihum eine Runde aus, und Anja auf eine erkleckliche Anzahl an Bieren. So viel hat sie schon lange nicht mehr getrunken. Mit achtzehn im Karneval vielleicht, als sie noch dachte, sie könnte ein Mann sein, und versucht hatte, eine Freundin zu finden. Langsam tun ihr die Füße weh und sie ist müde. Sie würde gerne nach Hause gehen, aber Bettina scheint daran noch keinen Gedanken zu verschwenden. Ganz im Gegenteil. Sie macht den Eindruck, als würde sie sich pudelwohl im Kreis der Männer fühlen und die Aufmerksamkeit, die man ihr entgegenbringt, sehr genießen. Anja schweigt und tritt von einem Fuß auf den anderen, um sie ein wenig zu entlasten, aber ganz kann sie ihre Müdigkeit nicht verbergen.

      »Wenn du nach Hause möchtest, dann sagst du es, ja?«

      »Du hast noch so viel Spaß und den will ich dir nicht verderben.«

      »Ich bin jetzt auch müde. Wir können ruhig gehen.«

      Anja nickt.

      »So, Jungs, wir gehen jetzt. Wir brauchen unseren Schönheitsschlaf«, teilt Bettina der Runde mit. Sie ruft großes Bedauern hervor. Einzelne Männer versuchen, sie noch zum Bleiben zu überreden, aber sie bleibt hart. Beide verabschieden sich freundlich; Bettina mit Küssen auf die Wange, Anja mit einem förmlichen Handschlag und machen sich auf den Weg nach Hause.

      »War doch ein schöner Abend, nicht wahr?«, fragt Bettina, als sie das Zelt verlassen haben.

      »Ja, war schön.«

      Bettina greift nach Anjas Arm und hakt sich bei ihr unter.

      »Hat mal wieder gutgetan zu flirten.«

      Anja ist unsicher, wie sie sich verhalten soll. Nimmt sie mich jetzt als männlich wahr, wenn sie sich bei mir einhakt? Nein, Frauen haken sich beieinander ein, beruhigt sie sich und achtet sehr darauf, den Arm nicht zu sehr zu bewegen, um diesen Moment nicht zu zerstören. Zuhause angekommen stehen sie noch kurz im Hausflur.

      »Das sollten wir bald mal wieder machen«, meint Bettina. Anja nickt nur, unsicher, was sie nun tun soll. Einfach Tschüss sagen, eine gute Nacht wünschen und in der Wohnung verschwinden? Die Hand geben? Alles kommt ihr unpassend vor, doch lange muss sie sich keine Gedanken machen, denn Bettina zieht sie an sich heran, umarmt sie und küsst sie auf beide Wangen.

      »Ich wünsche dir eine gute Nacht und süße Träume«, sagt sie, schließt die Wohnungstür auf und verschwindet mit einem kurzen Winken und einem Lächeln in ihrer Wohnung. Anja steht noch einen Moment regungslos da. Überall an ihrem Körper spürt sie die Umarmung und an den Wangen die Küsse. Ein schönes, ein wohliges Gefühl. Jetzt ein Glas, um dieses Gefühl zu bewahren. Langsam, fast behutsam öffnet sie ihre Wohnungstür und geht hinein. Sie fühlt sich, als ob alles in Watte gepackt ist, einmal mit einem Weichzeichner übergossen. Der Bach ihres Lebens hat einen kleinen Seitenarm bekommen, der sich aufmacht, das Unbekannte zu erkunden. Sie setzt sich auf die Couch und spürt einfach nach. Fühlt sich so Frausein an?

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