sagte er. »Aber so viel kann ich Ihnen auch sagen: Sie müssen mit dem Problem dorthin, wo Sie den Geschirrspüler gekauft haben.«
Also fuhr ich zu der Filiale der Elektrokette, in der meine Frau den Geschirrspüler erstanden hatte. Schon als ich durch die Glastür trat, wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich als einer, der ein Problem hatte, unerwünscht war. Erwünscht waren hier bloß Menschen, die etwas kaufen wollten. Vielleicht war es Einbildung, vielleicht lag es aber auch daran, dass neben all den Werbeschildern keines mit der Aufschrift »Reparaturannahme« hing. Die Verkäuferin, die mir schließlich ihre Aufmerksamkeit schenkte, schüttelte dann ebenfalls den Kopf. »Sie hätten sich den Weg sparen können«, sagte sie. »Rufen Sie beim Kundendienst des Herstellers an. Der ist zuständig.«
Der Kundendienst war immerhin auf mein Anliegen vorbereitet. Doch als es um eine Terminvereinbarung ging, war vom »Dienst am Kunden« nicht viel zu spüren. Das Ganze fühlte sich eher an wie die amtliche Bekanntgabe eines Termins für die Stromablesung in einer Gemeindebauwohnung. »12. April«, sagte die Frau.
»12. April?«, fragte ich. Das war in drei Wochen. »Geht es nicht früher?«
»Ausgeschlossen«, sagte sie. In ihrem Tonfall und in ihrem kurzen, trockenen Lachen schien eine mindestens halbstündige Rede darüber zu liegen, wie ahnungslos ich offenbar war und wie dankbar ich sein musste, überhaupt einen Termin zu bekommen.
»Am 12. April kann ich nicht«, sagte ich.
Ich nahm den Termin dann trotzdem, denn er war noch immer besser als der nächstmögliche, der schon in der letzten Maiwoche gelegen wäre. »Seien Sie bitte zwischen acht und zwölf Uhr da«, sagte die Frau.
»Genauer lässt sich das nicht sagen? Ich muss nämlich in die …«
Ich unterbrach mich, weil ich spürte, dass es sinnlos war. Sie hörte gar nicht mehr zu. Kundendiensttermine vergeben zu können, das war wohl eine der geheimen Machtpositionen, wie Parkscheinkontrolleur oder Bademeister, in denen Menschen ihren Sadismus ausleben und sich nach Herzenslust an der Menschheit rächen konnten, wofür auch immer.
Am Morgen des 12. April wusch ich gründlich ab. Ich bin in dem Punkt nicht kleinlich, aber wenn bei einer vierköpfigen Familie der Geschirrspüler nicht läuft, stapeln sich immer schnell die Pasta-Töpfe, Bratpfannen und Nutella-Löffel in der Spüle. Um Punkt acht Uhr trocknete ich die letzte Tasse ab und war bereit für den Servicetechniker.
Als der Mann seine Werkzeugtasche in unser Vorzimmer stellte, hatte ich bereits ein zweites Mal abgewaschen und abgetrocknet, denn er kam lange nach dem Mittagessen, so gegen 13.30 Uhr. Dafür musste er die Küche erst gar nicht betreten, um seine Diagnose zu stellen. »Das Gerät ist älter als fünf Jahre«, sagte er noch vom Vorzimmer aus, während er einen kurzen Blick in unseren Garderobenspiegel warf und sich beiläufig durch die Haare fuhr. »Das zahlt sich nicht mehr aus.«
Es wunderte mich, dass fünf Jahre für einen Geschirrspüler schon ein so hohes Alter waren. Er erklärte mir, dass es an der Garantie läge. Die sei bei einem fünf Jahre alten Gerät abgelaufen und danach sei eine Reparatur angesichts der günstigen Preise für neue Geräte nicht mehr sinnvoll. »Dann tut es mir leid, dass Sie umsonst gekommen sind«, sagte ich.
»Kein Problem«, sagte der Mann. Er suchte nach einer Unterlage für seinen Rechnungsblock. »Das macht alles zusammen …« Er tippte etwas in seinen Taschenrechner und nannte mir schließlich eine Summe in Höhe eines Viertels des Kaufpreises eines neuen Geschirrspülers.
»Alles zusammen?«, fragte ich. »Was meinen Sie damit?«
»Die Anfahrt und die Besichtigung. Wenn Sie bei uns ein neues Gerät derselben Marke kaufen, entfallen diese Kosten. Das wissen Sie ja bestimmt.«
Ich hatte es nicht gewusst und wollte schon andächtig nicken. Ach, was war ich doch für ein naiver Konsument gewesen, und was für eine Last für diese Menschen, die im Auftrag großer Elektro-Konzerne ihr Bestes für uns gaben.
Erst im letzten Moment besann ich mich. Denn in gewisser Weise war ich es mir schuldig, nicht nur ein kluger, sondern auch ein kritischer Konsument zu sein. Schließlich arbeitete ich für die Wiener Umweltberatung und beriet Privatpersonen, öffentliche Einrichtungen und Gewerbetreibende beim verantwortungsbewussten Umgang mit der Natur – etwa in den Bereichen Abfall, Reinigung, Energie oder Baustoffe.
Weshalb für mich schon berufsbedingt der Verdacht nahelag, dass mein Gefühl, ich sei als Konsument naiv und würde erst dann alles richtig machen, wenn ich den Empfehlungen dieses Servicetechnikers folgte, ein von der Industrie gewünschtes und gemachtes sein könnte. Ich wurde richtig böse. »Warten Sie«, sagte ich. »Ob und wo ich einen neuen Geschirrspüler kaufe, weiß ich noch nicht, aber ich zahle gar nichts, wenn Sie mir nicht den Fehler zeigen. Deshalb sind Sie schließlich hier.«
Er warf noch einen Blick in den Spiegel, diesmal wohl, um Zeit zu gewinnen.
»Kennen Sie sich überhaupt aus?«, fragte ich ihn. Ich deutete auf seine Tasche. »Welchen Beruf haben Sie gelernt? Wissen Sie überhaupt, wie sich ein Geschirrspüler öffnen lässt? Oder sind Sie nur der verlängerte Arm der Verkaufsabteilung?«
In der Rolle des Konsumenten als Querulant war ich erfolgreicher als bei meinem Versuch, die vorgegebenen Wege korrekt zu beschreiten. Wenige Augenblicke später kniete der Servicetechniker vor meinem Geschirrspüler. Auf der Anrichte lagen ein paar Schrauben und neben ihm lehnte die Abdeckung des Gerätes. »Schauen Sie«, sagte er und deutete in den von dünnen Spinnweben durchzogenen Innenraum. »Es ist dieser kleine Schlauch hier. Ich hatte es mir schon fast gedacht.«
Ich wollte mich schon für die Expertise bedanken, als ich ein weiteres Mal nachzudenken anfing. Vielleicht war das neuerlich naiv, aber ein Schlauch? Wegen eines Schlauches sollte nichts mehr zu machen sein? Ein kaputter Schlauch bedeutete gleich einen Totalschaden? »Lässt sich der nicht austauschen?«, fragte ich. »So ein Schlauch müsste doch ein Verschleißteil sein.«
»In Wirklichkeit brauchen sie ihn nicht einmal auszutauschen«, sagte er. Er warf mir einen verschwörerischen Blick zu, als wäre er auch schon lange böse auf ein System, in dem er ständig sein Fachwissen als Vasall eines nach Umsätzen gierenden Konzerns verraten musste. Er zog den Plastikschlauch links und rechts ab, blies einmal durch und befestigte ihn wieder. »Das war’s«, sagte er. »Der Schlauch war verstopft. So etwas passiert, wenn Sie zu viel Geschirrspülmittel verwenden.«
Das war vor zwanzig Jahren. Meine beiden Söhne sind inzwischen erwachsen und werden mich hoffentlich bald zum Großvater machen. Auch sonst hat sich einiges in meinem Leben verändert. Ich weiß jetzt, dass nicht nur Servicetechniker unter gespaltenen Persönlichkeiten leiden. In den Ingenieurs- und Produktdesignabteilungen der Elektro-Multis sieht es genauso aus. Dort sitzen begabte und gut ausgebildete Techniker und Designer und sind hin- und hergerissen zwischen ihrem Berufsethos, gute Produkte zu entwickeln und zu gestalten, und dem Druck, ihren Arbeitgebern mithilfe von Sollbruchstellen beim Erreichen ihrer Umsatzziele zu helfen.
Bloß zwei Dinge sind für mich in diesen zwanzig Jahren unverändert geblieben. Das erste: Ich habe nach wie vor keine Lust, mich als Konsument von Konzernen verarschen zu lassen. Das zweite: Mein Geschirrspüler von damals funktioniert noch immer.
Hinter den Kulissen
Ich habe meinen früheren Job als Umweltberater nicht zufällig gewählt. Mir war schon früh die Zerbrechlichkeit und Schutzbedürftigkeit unseres Planeten bewusst geworden, und die Rolle von uns Menschen als seine größte Bedrohung. Mein Geographielehrer öffnete mir damals die Augen dafür. Er redete oft davon, dass wir Menschen zu wenig von der Erde wissen, sonst würden wir uns anders verhalten. Wir würden anders mit ihrer Natur, ihren Ressourcen und ihrer Atmosphäre umgehen. Er war für mich ein Botschafter des richtigen Lebens, dessen Stimme im allgemeinen Getöse viel zu wenig Gehör fand, weshalb ich ebenfalls Geographielehrer werden wollte.
Vor allem die physische Geographie faszinierte mich – die Bewegungen der tektonischen Platten, die sich verschiebenden Gesteinsschichten und ihr empfindliches Gleichgewicht. Jenes Gleichgewicht, das wir allzu leicht vergessen,