Hendrik Scheunert

Trollingermord


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nicht auffindbare Smartphone ihres Chefs gehörte dazu.

      »Wird wohl langsam Zeit, den Staatsanwalt zu informieren«, meinte Frank, der sich eine frische Tasse Kaffee holte, um dann wieder an seinem Schreibtisch Platz zu nehmen, von welchem er einen guten Blick auf die Hauptstätter Straße hatte.

      Richard seufzte. Bei jedem Todesfall musste die Staatsanwaltschaft hinzugezogen werden, die letztlich darüber entschied, ob eine Ermittlung in die Wege geleitet wurde oder nicht.

      Ihr zuständiger Staatsanwalt hieß Peter Henssler, ein hochgewachsener Mann, schwarze Haare, Anfang 50. Er war unabhängig, penibel und überparteilich, was in diesem Beruf eine Seltenheit zu sein schien. Die meisten Staatsanwälte besaßen ein Parteibuch, welches ihr Vorwärtskommen ermöglichte. Henssler hingegen hielt mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg, denn er gehörte keiner der großen Parteien an und galt als hart, aber fair in der Sache. Dies machte ihn zu einer angesehenen und respektierten Person bei den Ermittlungen. Zudem verfügte er über ein umfassendes fachliches Wissen, da er einer der wenigen war, die ihr Studium mit »summa cum laude« beendet hatten.

      Richard erwischte Henssler während einer Verhandlungspause am Oberlandesgericht in der Olgastraße. Er schilderte ihm kurz den Sachverhalt, woraufhin der Staatsanwalt ihn aufgrund der geschilderten Umstände damit beauftragte, ein Ermittlungsverfahren in die Wege zu leiten.

      Er selbst wollte nach der aktuellen Verhandlung im Polizeipräsidium vorbeikommen, um sich dann auf den neuesten Stand der Ermittlungen bringen zu lassen. Richard wusste, es war ratsam, dem Staatsanwalt nicht mit leeren Händen gegenüberzutreten.

      »Der kommt nachher vorbei«, dann lehnte er sich zurück und atmete tief durch.

      »Bleibt zu hoffen, dass sich seine Verhandlung noch länger hinzieht, um uns hier etwas Luft zu verschaffen«, erwiderte Frank. Ihm schwante, was Henssler von Richard sowie seinem Team erwartete.

      »Wenn er kommt, präsentieren wir ihm gleich den Mörder samt unterschriebenem Geständnis«, grummelte Manfred. »Diese Bürokraten denken auch, wir können zaubern. Wir haben noch nicht mal einen Verdächtigen.«

      »Warten wir mal den Obduktionsbericht ab. Vielleicht kann der uns fürs Erste weiterhelfen«, beruhigte Richard seine Kollegen.

      »Ich hab’s gefunden!«, hörten sie Müller-Huber schreien.

      »Gott sei Dank, jetzt ist dieses Problem wenigstens vom Tisch«, murmelte Richard, der sich daraufhin einen kräftigen Schluck aus seiner Kaffeetasse gönnte.

      Schon stand der über sein ganzes Gesicht strahlende Kriminaldirektor, ihr disziplinarischer Vorgesetzter Horst Müller-Gruber, in der Tür.

      Der Mittfünfziger mit seinem schmalen Oberlippenbart sowie den grauen Haaren strahlte wie nach einem Lottogewinn.

      »Wo ist es denn gewesen?«, heuchelte Frank Interesse.

      »Ich hab’ doch eine Handytasche in meiner Jacke auf der rechten Innenseite. Weil Sie mich vorhin aufgefordert haben, in den Taschen nachzuschauen, hab ich es dort auch gefunden.«

      Er schaute ihn mit einem breiten Grinsen im Gesicht an.

      »Dann zahlen Sie also heute unser Mittagessen? Zur Feier des Tages? Weil ich Ihnen den entscheidenden Tipp gegeben habe?«, hakte Frank nach.

      »Ha noi, no mal langsam mit denne junge Pferde«, verfiel Müller-Gruber ins Schwäbische, »so han mir ned gewettet. Des kann ich mir ned leischte, euch elle zum Esse einzuladen, dann bin i ja pleite.«

      »Ein Versuch war’s wert«, murmelte Frank, griff zum Hörer, um sich bei dem Rechtsmediziner nach dem Obduktionsbericht zu erkundigen.

      »Riegelgraf?«, ertönte es vom anderen Ende der Leitung. »Wenn mich nicht alles täuscht, habe ich die Kommissare am Telefon, die wahrscheinlich wissen wollen, was die offizielle Todesursache ist, oder ob es neue Erkenntnisse gibt.«

      »Du bist ja echt auf Zack«, lachte Frank. »Ich schalte mal auf Lautsprecher, sonst muss ich nachher alles wiederholen.«

      »Ja, damit ich für den senilen Oberkommissar nicht alles noch mal erzählen muss.«

      »Das mit dem senilen Oberkommissar hab ich gehört«, merkte Richard leicht angesäuert an. »Du kriegst gleich eine Anzeige wegen Beamtenbeleidigung an den Hals.«

      »Ist ja keine Beleidigung in dem Sinne, sondern lediglich eine medizinische Feststellung, die ich, wenn du demnächst auf meinem Tisch liegst, beweisen werde.«

      »Da wirst du noch eine Weile ausharren müssen«, gab Richard zurück. »Aber jetzt mal Spaß beiseite, was hast du für uns, Walter?«

      »Na ja, nicht viel Neues. Der Schlag wurde mit großer Wucht ausgeführt. Von vorne. Heißt, der Tote muss dem Täter vor der Ausführung ins Gesicht geschaut haben.«

      »Gibt es irgendwelche Anzeichen eines Kampfes? DNA-Spuren oder so was?«, erkundigte sich Frank.

      »Nein, nichts«, antwortete Riegelgraf. »Keine verwertbaren Spuren. Tut mir leid. Aber vielleicht hat der Herzog was für euch.«

      »Das glaub ich nicht«, sagte Richard, der daraufhin auf die Uhr sah. Er wusste, Herzog arbeitete langsam, dafür gründlich. Zudem ließ er sich durch nichts aus der Ruhe bringen. »Aber einen Versuch ist es wert.«

      »Wir sehen uns dann heute Mittag in der Kantine«, verabschiedete sich Riegelgraf.

      »Geht Walter wieder regelmäßig essen?« Manfred vermochte es nicht so recht glauben. »Ich dachte, der ist auf seinem Salattrip.«

      Frank zuckte mit den Schultern. »Vielleicht lag es ja am Salat, warum er so dick geworden ist.«

      Richard hatte mittlerweile Adelbert Herzog von der Spurensicherung in der Leitung.

      »Kannst du uns schon etwas sagen?«, fragte er vorsichtig, wohl wissend, wie unwirsch Herzog auf solche Fragen meist reagierte. Die Reaktion seines Gegenübers aber erstaunte ihn.

      »Ich dachte schon, ihr ruft gar nicht mehr an«, sagte er. »In der Tat gibt es da etwas sehr Merkwürdiges.«

      Richard, völlig von der Antwort überrumpelt, schaltete sein Telefon auf Lautsprecher und gab seinen beiden Kollegen ein Zeichen zuzuhören.

      »Schieß mal los, was gibt’s denn Interessantes«, wollte Richard wissen.

      »Na ja, wie soll ich’s am besten erklären, damit es Laien wie ihr überhaupt versteht«, fing er an.

      »Versuch es doch einfach«, drängte Frank. »Wenn wir zu blöd sind, fragen wir nach.«

      »Es geht um die Flasche, mit der Gerd Bäuerle erschlagen wurde. Genauer gesagt, um den Inhalt.«

      »Da war Wein drin. So was ist uns nicht neu«, meinte Richard, der wegen der Geheimniskrämerei von Herzog langsam, aber sicher etwas genervt schien.

      »Richtig, bis hierher hast du recht. Nur der Inhalt passt nicht ganz mit dem Etikett zusammen.«

      »Hä? Jetzt muss ich doch mal blöd nachfragen. In einer Weinflasche ist Wein«, schaltete sich Frank in den Dialog ein. »Was passt da nicht zusammen?«

      »Da wird es etwas kompliziert. Der Wein in der Flasche stammt nicht aus der Gegend. Zumindest wird diese Rebe nicht in unseren Weinbergen angepflanzt. Der hier stammt aus südlicheren Gefilden.«

      »Hab ich richtig verstanden?«, hakte Manfred nach. »Der Bäuerle wurde mit einer Weinflasche erschlagen, die zwar ein Etikett des Weinkonvents Uhlbach trug, sie enthielt aber Wein, der woanders herkam.«

      »Ja«, war die knappe Antwort von Adelbert Herzog.

      »Was ist mit sonstigen Spuren?«, fragte Frank.

      »Der Täter hat wahrscheinlich Handschuhe getragen. Also DNA Fehlanzeige.«

      »Gut, danke fürs Erste. Falls du noch was finden solltest, dann melde dich bitte bei uns. Wir brauchen was für den Staatsanwalt«, seufzte Richard, als er sich verabschiedete.

      Frank