muss eingeschlafen sein. Und den Schatten im Fenster habe ich mir bloß eingebildet. Kein Wunder, nach der nervenaufreibenden Fahrt.
Ich beuge mich über die Rückenlehne, erahne Umrisse und bin erleichtert. Ich will nach ihr greifen, sie sachte wachrütteln, ihr zuflüstern, dass ich endlich daheim bin und wir ins Bett können.
Doch ich bekomme nur eine Decke zu fassen.
Die Erleichterung ist wie weggeblasen.
»Natalie?«, rufe ich und höre die zunehmende Unsicherheit in meiner Stimme. »Wo bist du?«
Nichts.
Ich setze gerade an, will noch lauter rufen. Da kommt mir der Gedanke, dass sie ja tatsächlich schon schlafen gegangen sein könnte. In letzter Zeit ist sie oft sehr müde, von einem Augenblick auf den anderen. An manchen Abenden ist das eine Sache von Sekunden. Kaum, dass sie im Bett liegt, schläft sie schon. Ich wälze mich dann noch lange hin und her und beneide sie um diese Fähigkeit. Unser kleiner Engel braucht eben viel Energie.
Ich schleiche zurück in Richtung Flur, die Hände vorausgestreckt wie die Fühler eines blinden Insekts. Dabei stoße ich mit der Hüfte gegen einen Stuhl, der nicht ordentlich an den Esstisch geschoben war. Er schert über den Boden, zerschneidet die Stille. Es ist erschreckend, wie unsicher ich mich auf einmal in meinen eigenen vier Wänden fühle, und wie schlecht ich Abstände einschätzen kann – ich hätte den Tisch viel weiter links von mir vermutet.
Ich erreiche die Treppe, halte mich am Geländer fest und steige die knarzenden Stufen nach oben. Dabei spitze ich die Ohren, um zu hören, ob Natalie von den Geräuschen vielleicht aufgewacht ist. Aber ich höre nichts.
Im Obergeschoss angekommen, stehe ich vor einer schwarzen Wand. Waren unten zumindest noch Umrisse zu erahnen, so sehe ich hier im fensterlosen Flur absolut gar nichts mehr.
Ein Stromausfall, mehr nicht, sage ich mir. Nicht weiter verwunderlich bei diesem Sauwetter. Und dennoch schwirren meine Gedanken auf einmal ganz wild um die Worte des Nachrichtensprechers – wie Fliegen um einen Kadaver.
Sie gelten als äußerst gewaltbereit. Zudem wird befürchtet, dass sie bewaffnet sind.
Das Rattern des Hubschraubers mischt sich dazu. Und das Gebell der Suchhunde.
Eiskalte Angst kriecht mir den verkrampften Nacken hoch.
Ich habe meine Hände zu beiden Seiten ausgestreckt. Fahre mit den zitternden Fingerspitzen über die feinen Unebenheiten der Wände, über die geschlossene Badezimmer- und die Toilettentür, dann über die des künftigen Kinderzimmers, in dem sich jetzt schon das Gitterbett, Windeln sowie Kleider und Spielsachen für zumindest die ersten fünf Jahre stapeln. Bremste Natalie mich nicht regelmäßig, würde ich vor lauter Vorfreude wohl ganze Läden leerkaufen.
»Fehlt nur noch, dass du das nächste Mal mit einer Schultasche heimkommst!«, kommentierte sie meinen letzten Großeinkauf kopfschüttelnd und ich verschwieg ihr, dass ich tatsächlich kurz davor gewesen war, eine zu kaufen.
Ich erreiche das Schlafzimmer am Ende des Flurs. Greife die Klinke der verschlossenen Tür und halte kurz inne. Manchmal, wenn Natalie besonders tief schläft, schnarcht sie. Vor ein paar Wochen, als ich lange wach lag, weil ich darüber grübelte, welche Geschäftsbereiche ich in welchem Umfang an Friederike übergeben und wie ich ihr das Ganze schmackhaft machen sollte, wachte Natalie von ihrem eigenen Schnarchen auf und beschuldigte daraufhin mich, sie geweckt zu haben.
»Ich schnarche nicht!«, war sie felsenfest überzeugt, nachdem ich ihr erklärt hatte, was geschehen war.
»Okay«, sagte ich bloß.
Keine Minute später döste sie bereits wieder und ihre Atmung wurde schwerer.
Aber jetzt höre ich nicht das geringste Lebenszeichen.
Ich drücke die Klinke so sachte wie möglich nach unten und öffne die Tür. Die Scharniere quietschen leise.
»Schatz?«, flüstere ich in Richtung Bett. »Ich bin zu Hause.«
Keine Antwort.
Ich verharre an der Türschwelle. Versuche, sie im Bett auszumachen. Aber ich kann absolut nichts erkennen. Ich zögere einige Sekunden. Dann ertaste und drücke ich den Lichtschalter. Aber natürlich bleibt es auch hier finster.
»Schatz, schläfst du schon?«
Nur der Wind heult auf.
Auf Zehenspitzen schleiche ich zu unserem Doppelbett. Bekomme die geschwungenen Metallstangen des Fußteils zu fassen. Und kann es auf einmal kaum noch erwarten, meine Kleidung abzustreifen, sie einfach auf den Boden fallen zu lassen und zu Natalie ins Bett zu kriechen. Mich von hinten an sie zu schmiegen, sie an mich zu drücken. Sanft ihren Hals zu küssen und dabei den Duft ihrer Haare ganz tief einzusaugen. Ihr über den prallen Bauch zu streicheln, unsere Tochter zu spüren. Und diesen schrecklichen Tag endlich hinter mir zu lassen.
»Ich bin zu Hause«, flüstere ich und schlüpfe mit der Hand unter die Decke.
Natalie ist nicht da.
Was zum …?
Plötzlich macht es einen Knall.
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