Heinz von Wilk

Tatort Rosenheim


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gemerkt. Die älteren Knastler gehen sehr vorsichtig, zucken zusammen, wenn sie ein Geräusch hören, das sie nicht gleich einordnen können, und so weiter. Möchtest du mir was erzählen?«

      Manfred schluckte: »Zwei Tage nach der Kreuzfahrt haben sie mich wieder gekascht. Bei meinem Vorleben heißt das: bis zum Prozess in U-Haft. Und dann: Ein Jahr Bau, U-Haft wird angerechnet. Von meinem letzten Geld hab ich mir die Zugfahrkarte nach Rosenheim gekauft.«

      »Wegen was warst du drin?«

      »Einbruch, Trickdiebstahl, Körperverletzung, das ganze Register.«

      Max schaute erstaunt, und Manfred sagte: »Ach so, du meinst, jetzt, dieses eine Jahr? Das war wegen dem Bruch. Eine Villa in Berlin. Alarmanlage aus der Ex-DDR, Safe aus den 20ern, aber fast 35.000 Euronen, cash. Damit hab ich gleich am nächsten Morgen in einem Reisebüro die Kreuzfahrt gebucht und bin in Hamburg auf den Dampfer. Es waren nur noch zwei Einzel-Luxuskabinen frei. Eine davon hab ich genommen. Zum Last-Minute-Preis, aber immer noch sauteuer. Allerdings mit Balkon, Plasmafernseher, Minibar und Service rund um die Uhr. Deswegen bin ich während der ersten Tage auch nicht unter die Leute gegangen, weil ich Angst hatte, dass die mich schon suchen. Und vielleicht irgendwas im Fernsehen über mich kam. War aber nichts, ich hab ja keinen kaltgemacht, sondern nur einen kleinen Bruch.«

      Unten trafen noch zwei Streifenwagen ein, die Polizisten stiegen schnell aus und rannten in die Bahnhofstraße.

      »Der Plan war, dass ich in irgendeinem Land, wo es mir gefällt, vom Schiff gehe und bleibe. Neuseeland, da hätte es mir gefallen. Da hab ich aber schon gewusst, dass ich es nicht kann. Wegen der Friedl. Ich war verliebt, zum ersten Mal seit vielen Jahren. Das hat keine Zukunft, das war mir klar. Aber sie ist so eine tolle Frau. Was ich jetzt mache, weiß ich auch nicht. Keine Ahnung.«

      Von drinnen kam Friedls Singsang, gefolgt von einem Händeklatschen: »Die Vögel sind auf dem Tisch, kommt rein, Männer!«

      Max ging los, aber Manfred hielt ihn an der Schulter fest: »Was sagst du ihr?« Der Auer streifte unwirsch die Hand ab: »Lass mich. Ich muss das erst verdauen.«

      Rezept romantische Kalbsvögel

      Jetzt interessiert sich vielleicht der eine oder andere für die Kalbsvögel. Verständlich, denn so was Leckeres muss man einfach kennen. Du brauchst:

      3 große Kalbsrouladen (zusammen vielleicht 750 g), dann natürlich Salz, Pfeffer, 6 Scheiben dünn geschnittenen Tiroler Speck, Rosmarin, Thymian, 300 g feine Bratwurst, 3 Glas Cognac, 3 geschälte und geriebene Zwiebeln, 3 hartgekochte und geschälte Eier, Olivenöl oder Schweineschmalz (je nach persönlichem Cholesterinspiegel) –, ¼ guten Rotwein, ¼ Liter Brühe.

      Jetzt musst du die Kalbsrouladen waschen, abtrocknen und auf der Arbeitsplatte mit dem Handballen kräftig breitdrücken (auf keinen Fall klopfen, da werden Fasern beschädigt). So lange, bis sie sich gut vergrößert haben. Jetzt jede Scheibe Fleisch mit Salz, Pfeffer und Rosmarin würzen, auf beiden Seiten. Nun auf jede Roulade zwei Scheiben dünn geschnittenen Speck legen und mit Thymian bestreuen. Die Bratwürste häuten, die Masse mit dem Cognac und den zerriebenen Zwiebeln mischen. Fast alles auf den Speckscheiben verteilen, einen 15 prozentigen Rest beiseitestellen. Die hartgekochten Eier, je eines, draufstellen. Jetzt vor und hinter den Eiern mit der beiseitegestellten Wurstmasse bis zur gleichen Höhe auffüllen. Rouladen aufrollen, mit je einem Spießchen feststecken. Schmalz oder Olivenbratöl erhitzen, die Rouladen rundherum braun anbraten. Mit Wein und der Brühe ablöschen, im geschlossenen Topf noch circa eine Stunde bei mittlerer Hitze schmoren lassen. Dazu frische Bandnudeln und ein freundliches Gesicht. Mahlzeit.

      »Warum seid ihr so still?« Friedl, der es sichtlich schmeckte, schaute die beiden Männer an. »Habt ihr euch gestritten oder so? Vorher war hier drin eine ganz andere Stimmung. Manfred, was ist? Schmeckt dir das Essen nicht?«

      Der wischte sich den Mund ab, trank sein Glas leer, räusperte sich und schaute erst den Max, dann die Friedl an: »Schatz, ich hab mich ein Jahr lang nicht gemeldet, weil ich im Gefängnis war. Ich will mich hier auch nicht einschleichen, sondern ich wollte dich noch ein einziges Mal sehen und dann verschwinden. Alles, was ich dir auf dem Schiff über meine Gefühle zu dir erzählt habe, das stimmt. Der Rest nicht. Ich bin kein reicher Großwildfänger, sondern ein hauptberuflicher Knastler, hab die meiste Zeit meines Lebens im Bau verbracht, zu Recht. Für nichts sperren die hier keinen ein.«

      Friedl wollte was sagen, aber er hob die Hand: »Warte, lass mich ausreden. Ich bin kein Mörder oder so was, obwohl ich wegen Körperverletzung auch schon das eine oder andere Mal eingefahren bin. Meist haben sie mich wegen einem Bruch oder einem Trickbetrug drangekriegt. Das ganze Geld, das wir auf dem Schiff verjubelt haben, das war aus dem letzten Bruch. Aber weißt du was? Ich hab mich in dich verliebt, ich wollte bei dir sein, so lange es geht. Deswegen die ganze Lügerei. So, jetzt kannst du reden.«

      »Jetzt brauch ich meine Notfalltropfen.« Friedl stand auf, ging zum Schrank und kam mit einer Flasche Cognac und drei Gläsern zurück. Sie schenkte jedem zwei Fingerbreit ein und hob ihr Glas: »Manni, das ist mir alles wurscht. Dass deine Geschichten, wie soll ich sagen, alternative Fakten waren, das hab ich schnell gemerkt. Aber ich hab mich in dich und dein Lachen verguckt. Ich habe schon so lange nicht mehr richtig gelacht, seit mein Otti tot ist. Ich mag dich auch. Ob ich dich liebe, weiß ich nicht. Aber ich mag dich. So, und jetzt sage ich Folgendes: Du kannst hierbleiben, so lange du willst. Schau dich in der Stadt um, wenn wir dir bei irgendwas helfen können, dann tun wir das. Weißt du, mein Otti, der war auch kein Lämmchen. Der Max hier, der hat bei seinem Vorleben keine Chance mehr, ein Pfarrer zu werden. Und ich, ich weiß sehr gut, wo das Ganze herkommt, was du hier siehst. Max, was meinst du dazu?«

      Mit so was hat der Auer nicht gerechnet, ja, was glaubst du? Eigentlich war der Plan, dass er den Manfred nach dem Essen kurz zur Seite nimmt und ihm erklärt, wo hier der Frosch die Locken hat. Andererseits hat sich die Friedl in den zwei Stunden, in denen der Kerl hier ist, vollkommen verändert. Sie lacht wie ein junges Mädchen, sie ist glücklich. Und wenn du mich fragst, denkt sich der Max, dann ist das alte Mädel in den Kerl verknallt. Also, mach erst mal gute Miene zu dem Spiel hier, vielleicht ergibt sich das in ein paar Tagen von selber. Ist ja immer so, oder? Wenn der erste Rausch vorbei ist, sieht man wieder klar.

      Deswegen hat der Auer Max sein Glas gehoben, die beiden angeschaut und gesagt: »Hiermit habt ihr beide meinen Segen. In meiner Eigenschaft als hauptberuflicher Neffe ernenne ich euch zu was auch immer ihr sein wollt. Bis dass die Nachspeise uns scheidet. Amen. Können wir jetzt weiteressen?«

      »Wohin die ganzen Bullen wohl gerannt sind?« Der Manfred schaute unsicher zur Tür, und Friedl fragte: »Wann denn?«

      Max sprach mit vollem Mund: »Vor einer Viertelstunde. Die sind vor dem Bücherladen aus den Autos und dann um die Ecke in die Bahnhofstraße verschwunden. Warum?«

      Friedl kratzte sich am Ohr: »Da ist doch der Imbiss vom Bergmeier. Weißt schon, der, der nebenbei noch den Taxidienst macht. Der hat öfters Probleme mit der Polizei. Und mir ist der auch noch Geld schuldig. Also, nicht direkt mir. Der Otti hat ihm vor einem Jahr 5.000 Euro geliehen, zu 10 Prozent Zinsen, die haben wir bis heute nicht. Obwohl es dem Bergmeier gutgeht. Der hat den Imbiss, sein Taxi und ein paar alte Mädels am Laufen. Bahnhofshühner, so hat der Otti die genannt. Alte Legehennen, bei denen das MHD schon lange abgelaufen ist. Aber der Otti hat gemeint, da gibt’s immer ein paar Tschuschen, die bumsen alles, was noch einen Puls hat. Egal, der Chili wollte sich eigentlich drum kümmern. Das hat er mir auf der Beerdigung versprochen. Aber dann hab ich ihn gebeten, dass er die Urnen austauscht. Weil ich meinen Otti ja viel lieber hier daheim habe. Dass ein Mann im Haus ist, verstehst? Und dann ist das Problem mit dem Bergmeier irgendwie … untergegangen? Ich weiß auch nicht mehr.«

      Max und Manfred schauten sich sprachlos an, und die Friedl lächelte maliziös: »Und jetzt hab ich gleich zwei Männer hier sitzen. Wer hätte das gedacht?«

      »Wie zum Teufel tauscht man eine Urne aus?« Max schenkte sich, dem Manni und der Friedl nach.

      Die meinte mit Unschuldsmiene: »Das? Das war ganz