Bücherregal, weil die gar so schön ausschauen und glänzen‹. In die zweite Urne haben wir dann hier drinnen ein paar Hände voll Kaminasche getan, der Chili und ich. Und noch paar kleine Knöpfe, weil der Chili gesagt hat, wenn sie einen verbrennen, dann bleibt immer ein bissel übrig. Keiner geht ganz, hat er gemeint. Ein paar Zähne oder so bleiben immer unter dem Rost liegen. Und kurz vor der Feier, schon in der Aussegnungshalle, da hat der Chili eine Flasche Jägermeister fallen gelassen. Die wollte er dem Otti mit ins Urnengrab legen, hat er zum Pfarrer gesagt. Weil der Otti doch so gerne Jägermeister mit Cola getrunken hat, ned wahr? Ja, und in dem ganzen Durcheinander, es sind ja alle aufgesprungen und haben den pappigen Schnaps vom Boden der Aussegnungshalle gewischt, mit Taschentüchern, Schals und so, da hat der Chili schnell die Urnen vertauscht.«
Manfred sagte: »Und der Pfarrer, hat der nix gemerkt?«
»Der? Der hat irgendwas von seinem hohen Blutdruck gemurmelt und ist nach hinten und hat ein großes Glas Messwein getrunken. Das war dann aber doch noch eine sehr schöne Feier, wir haben alle geweint, obwohl es gestunken hat wie in einer Trinkhalle. Und der angetrunkene Pfarrer hat ein paar lustige Sprüche rausgelassen. Ja, was wollte ich denn eigentlich sagen? Ach so, und mit dem ganzen Urnenstress, da hat der Chili wohl dann vergessen, vom Bergmeier das Geld einzutreiben. Ich ruf den Chili gleich morgen mal an und erinnere ihn dran. Hoffentlich ham s’ mir den Bergmeier jetzt nicht vor der Nase weg verhaftet, weil, sonst seh ich mein Geld nie wieder.«
Wer mehr Vögel(n) will,
muss freundlich sein
»Ist noch was von den Vögeln in der Küche?« Max schielte auf die Platte in der Tischmitte, auf der nur noch eine traurige Soßenlache zu sehen war.
»Das heißt Vögel, mein Lieber, Vögel.« Die Friedl nahm die Platte hoch und stand auf.
»Wieso denn? Wenn ich mal den Karl Valentin zitieren darf: Der hat gesagt, ein Semmelknödel ist ein Semmelknödel. Sobald es aber mehrere sind, müsste es Semmelknödeln heißen, mit einem ›n‹ hinten dran. Also?« Max schaute den Manfred an. Der zuckte mit den Schultern, und die Friedl meinte: »Is’ ja auch wurscht. Aber: Wer noch mehr Vögel, oder wie du sagst, Vögeln will, der muss freundlich sein, sonst bleibt der Teller leer. Ich kann dir noch Nudeln und Soße bringen. Manfred, machst du mal die Luft aus den Weingläsern, ich komme gleich wieder.«
Jetzt schaute sich der Auer den Manni an, der ja eigentlich ziemlich harmlos aussieht, wie er sich so über den Tisch beugt. »Sag einmal, wieso haben sie dich wegen Körperverletzung eingelocht?«
Manfred stellte die Flasche auf den Tisch, stand auf und nahm eine Boxerstellung ein. Die Rechte am Kinn und die Linke schräg vor der Brust: »Ich war mal süddeutscher Meister im Mittelgewicht. Ist schon lange her, aber mein linker Leberhaken, der haut immer noch jeden von den Beinen. Schau mal.«
Er boxte ein paar Jabs und Finten in die Luft, dann ließ er die Linke sinken und schlug damit einen blitzschnellen Leberhaken.
Der Auer Max war beeindruckt und wollte was dazu sagen, aber just in dem Moment kam die Friedl mit einem Tablett ins Zimmer: »So, da hab ich eine wunderbare Nachspeise. Das ist ein Kirschentiramisu im Glas mit Amaretto. Alles molto erotico. Meine Spezialität.«
Wenn du jetzt denkst, ein Tiramisu, na ja, das ist ja nichts Besonderes, also, dann täuschst du dich. Dieses hier, das solltest du dir auch mal gönnen.
Rezept Tiramisu Erotico
Für die drei Gläser (je 2 oder 3 dl) brauchst du 3 Esslöffel Amaretto, 1 dl starken Espresso, einen großen Löffel Zucker, 2 Eigelbe (das Eiweiß extra in ein Glas, das brauchst du nämlich noch). Dann Saft von 1 Orange, ein bissel von der Haut abreiben, 250 g Mascarpone, eine Prise Salz, 7 oder 8 Löffelbiskuits und ein wenig Kakaopulver zum Bestäuben. Alles klar?
Gut. Den Amaretto, ein bisschen Zucker und den Espresso verrühren, bis sich der Zucker aufgelöst hat. Zur Seite stellen.
Eigelbe, Zucker und die Orangenschale mit dem elektrischen Schneebesen ungefähr 4 – 5 Minuten rühren, bis alles heller ist, dann den Mascarpone drunterziehen.
Die zwei Eiweiß ein bisschen salzen und steif schlagen. Zucker dazu, weiterschlagen. Den Eischnee jetzt sorgfältig und langsam in die Masse geben und durchziehen.
Löffelbiskuits halbieren, in die Gläser verteilen, jetzt die Hälfte der Masse drauf. Den Rest der Biskuits drüberlegen, restlichen Espresso und Rest der Masse drauf. Alufolie drüber und zwei Stunden im Kühlschrank fest werden lassen. Vor dem Servieren noch einen Schuss Amaretto drauf und mit Kakao bestäuben. Fertig.
Der Mörder ist wieder frei
Du ahnst es eh schon, es ist doch noch ein netter und lustiger Abend geworden. Und was soll ich dir sagen? Der Manfred hat natürlich bei der Friedl geschlafen, und der Max musste sich das Kopfkissen und die Bettdecke über die Ohren ziehen, damit er einschlafen konnte.
Am nächsten Morgen ist die Friedl mit einer Tasse Kaffee zum Max ins Zimmer gekommen, hat sich an die Bettkante gesetzt und sich die Haare aus der Stirn gestrichen: »Bub, der Manni bleibt hier bei uns, und du überlegst dir, wie er sich nützlich machen kann.«
Der Auer, noch ganz verschlafen: »Wie meist du das? Nützlich?«
»Frag doch nicht so blöd. Aus dem Nachlass vom Otti ist noch viel zu tun. Denk doch bloß mal an die Außenstände wie beim Bergmeier. Ich hab mir das kleine schwarze Buch vom Otti vorhin noch mal durchgesehen. Da gibt es bestimmt so um die 20- bis 30.000, die wir hier und da noch zu kriegen haben. Von denen meldet sich freiwillig keiner, weil die ja denken, der Otti ist im Paradies, da braucht der eh kein Geld mehr. Aber ich arme alte Frau muss ja auch schauen, wie ich durchkomme, mit zwei Männern im Haus. Du und der Manni, ihr holt mir das Geld. Mit dem Bergmeier fangt ihr an. Der sperrt jetzt um neun seinen Laden auf. Der Manni ist im Bad. Wenn ihr sowieso runter geht zum Bäcker, Brezen kaufen, dann schaut vorher beim Bergmeier vorbei. Auf ein Gespräch unter Männern, verstehst mich?«
»Ja aber, ich wollte doch eigentlich …«
»Das kannst du alles später machen, Bub. Der Manni und du, ihr helft der alten Tante. Jeden Tag ein gutes Werk, wie bei den Pfadfindern. Trink den Kaffee und dann raus aus den Federn.«
Wenn du meinst, die Friedl, die ist aber ganz schön resolut, dann hast du vollkommen recht. Die hat mehr Haare auf den Zähnen als ich unter den Armen.
Also sind der Manni und der Max eine Viertelstunde später im Schweinsgalopp durch das Treppenhaus nach unten, aus der Haustür raus, und dann, ohne zu reden, die paar Meter bis zum »Hammergrill« marschiert. Kurz vor dem Grill nimmt der Max den Manni zur Seite und erklärt ihm leise was. Dann gehen sie rein.
Stell dir eine Glasfassade vor, drei oder vier Stufen bis zur Eingangstür, ebenfalls Glas, und dann steht man auch schon mitten im Imbiss. Vier Stehtische, die Theke längs an der Wand, ein schräger Spiegel hinter der Theke an der Decke, sodass man in die zwei Fritteusen sehen kann. Und auf die große, rechteckige Grillplatte daneben. Geradeaus kommst du zu zwei Türen. Auf der einen ist ein Schild »Kerle«, auf der anderen »Restliche Geschlechter«.
Und hinter der Theke hantiert der Bergmeier. Ein dicker Kerl, mit wenig Haar auf der Birne, die Hemdsärmel hochgekrempelt, sodass man die dicken Muskeln und die Tätowierungen sieht. Ach ja, und vor der Theke stehen noch vier Barhocker.
Max schwingt sich auf den einen, Manfred auf den anderen. Es riecht nach kaltem Frittierfett und Wurst.
Max schaute sich um: »Nix los in dem Laden hier. Wie läuft’s denn so?«
Bergmeier wischte mit einem fleckigen, ehemals weißen Geschirrtuch über die Holzplatte vor ihnen: »Hab eigentlich noch zu. Was soll’s denn sein?«
»6.000 in bar. Saubere Scheine, ohne Fettflecken. Wenn’s geht, jetzt gleich.«
Bergmeier lehnte sich auf den Tresen und grinste den Max an: »Was bist denn du für einer? Und der Clown neben dir, warum glotzt der so? Soll ich dir mal was sagen? Mach, dass du Land gewinnst.