in der bunten Bilderwelt der Ahnen lebte, galt das Haus als eine Art Leib, dessen Herzmitte der warme Herd ist. Die Brennnesseln, die er nie ohne Grund mähte, waren sozusagen ein Hemd für diesen Leib, der die Familie beherbergte.
Die Nesselstoffe sind wie auch die Hanfgewebe fast in Vergessenheit geraten. Was man heutzutage als »Nesselstoff« kauft, ist oft nur Baumwolle. In Schottland waren Nesseltücher noch lange nach der Einführung der Baumwolle in Gebrauch. In Holstein war die Nesselmanufaktur so wichtig, dass der Graf von Schauenburg sie in sein Wappen aufnahm. In Leipzig gab es bis 1723 noch eine Manufaktur, die Nesselstoffe herstellte. Im Ersten Weltkrieg, als die Baumwolle infolge der Handelsblockade der Aliierten knapp wurde, kam die Nessel vorübergehend wieder zu Ehren. Man nahm Brennnesselfasern, um Flachs, Baumwolle oder Ramie (eine tropische Faserpflanze aus der Nesselfamilie) zu strecken. Im Jahre 1916 etwa wurden in Deutschland 2,7 Millionen Kilogramm Nesselstoff hergestellt. Es kam zu verschiedenen Anbauversuchen und zu neuen Patentierungen für Herstellungsverfahren. Inzwischen hat man im Zeitalter des globalen Handels, der aus Erdöl hergestellten Kunstofffasern und der Textilimporte aus Billiglohnländern diese Bemühungen als arbeitstechnisch zu umständlich und zu teuer aufgegeben. Wer weiß aber, was die Zukunft bringt. Vielleicht webt uns die Schicksalsgöttin neue Sternenblumenhemden?
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