Maria Attanasio

Der kunstfertige Fälscher


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nächste Kommunalwahl im November bei erweitertem Stimmrecht — war also die Gelegenheit!

      Turi gewann die Oberhand über die extremistischen Anwandlungen seines Freundes. Paolo gehörte dann zu den Gründungsmitgliedern des Arbeiterzirkels, dem sich mit Blick auf die bevorstehende Wahl auch die Besitzstandslinke und die Proletarische Linke anschlossen. Als Bindeglied zwischen diesen Gruppierungen fungierte die Familie Aprile, die den Arbeiterzirkel mit ihrer ganzen Autorität streng kontrollierte: Turi, der Jüngste der drei Brüder, wurde zum Vorsitzenden ernannt, da er den Forderungen der Arbeiterklasse am nächsten stand; Vincenzo wurde zum Herausgeber des im Familienbesitz befindlichen Corriere, fortan das offizielle Sprachrohr des Zirkels; der älteste Bruder hingegen, Baron Pietro — der mehr als alle anderen den Zirkel gewollt hatte und maßgeblich für dessen sämtliche Entscheidungen war — hielt in Rom die Kontakte zum Ministerpräsidenten Francesco Crispi, seinem persönlichen Freund, und in Catania, wo er Verfassungsrecht lehrte, zu dem leicht entflammbaren Giuseppe De Felice Giuffrida.

      Eine Kandidatenliste mit einem jungen Landbesitzer an der Spitze wurde zusammengestellt; sie setzte sich überwiegend aus neuen Namen, jungen Männern zusammen, darunter der Maler Paolo Ciulla, der in Abendkursen des Zirkels mit Hingabe kostenlosen Zeichenunterricht erteilte.

      Obschon todmüde vom Tagwerk, sperrten Bauern und Arbeiter voller Verwunderung die Augen auf, wenn Paolo, il professore, an der Wandtafel mit schnellen Strichen Karikaturen von korrupten Assessoren, betrügerischen Adligen, raffgierigen Priestern entwarf. Seine rätselhaften Zeichnungen ließen sie ehrfürchtig staunen, als wären sie Zauberwerk.

      Eines Abends, es war kurz vor dem Wahltag, zeigte er ihnen die Karikatur des scheidenden Bürgermeisters: ein Mann wie ein Uhrwerk, das ein Uhrmacher vergeblich wieder zum Laufen zu bringen versucht. Der Uhren-Mann läuft nicht und wird nie mehr laufen können, lautete denn auch die Bildunterschrift; und darunter stand noch eine zweite Zeile: Der Künstler schließt mit euch einen Pakt: findet sein Konterfei.

      Ohne Erfolg suchten die Schüler nach einem Gesicht in der Zeichnung. Schließlich stellte Paolo sie auf den Kopf und deutete auf sein verstecktes Profil: auf den Kinnbart, die geblähten Nasenflügel, den großen Spitzhut, wie Zauberer ihn tragen.

      »Die Wahrheit findet sich niemals an der Oberfläche«, schloss der Lehrer sybillinisch. »Es braucht geübte Augen, um sie zu erkennen. Denn zuweilen kommt sie im Gewand der Lüge daher.«

      Paolo spürte den durchdringenden Blick von Cola, einem jungen Maurer, der ihn nach dem Unterricht auch prompt anhielt. »Sie müssen mir beibringen, so zu zeichnen und zu sprechen, wie Sie es können«, sagte er, »die Sache mit der Wahrheit und der Lüge, die müssen Sie mir genauer erklären.« Paolo lud ihn in sein Atelier ein.

      Am Ende verbrachte Cola dort seine Tage und seine Nächte — arbeitsame Tage und leidenschaftliche Nächte. Er hängte den Maurerberuf an den Nagel und wurde Paolos Gehilfe, rund um die Uhr und mit ganzem Herzen.

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