„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ Die Lebensgeschichte der Susanne Bechstein
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„LIEBE DEINEN NÄCHSTEN WIE DICH SELBST!“
Die Lebensgeschichte der Susanne Bechstein
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2021
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.
Copyright (2021) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte bei der Autorin
Titelbild © Arno Funke
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
Inhalt
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!
Meine Kindheit und Jugend in Perleberg bis 1952
Unsere plötzliche Flucht nach Westberlin
Mit viel Zuversicht in die Zukunft
Er schaute schon durch mein Fenster!
Einführung
Es war das Jahr 2005, als ich nach meiner Pensionierung anfing, mein bewegtes und dramatisches Leben aufzuschreiben. Ich dachte, dass ich das, was ich erlebt hatte, auf diese Weise besser verarbeiten könnte. Leider war das ein Irrtum. Es wäre aber auch zu schön, wenn man alles, was einen bewegt, einem weißen Stück Papier anvertrauen könnte und damit auf einen Schlag keine schlaflosen Nächte und Albträume mehr hätte. Die Welt wäre dann wieder in Ordnung. Mit dem Aufschreiben ist das aber nicht getan. Unser menschliches Gehirn ist schließlich in der Lage, bestimmte Dinge zu speichern, die einen dann ein ganzes Leben lang verfolgen.
Im Jahr 2007 erschien der erste Teil meiner Autobiografie mit dem Titel „zeitwaise: SCHICKSAL EINER FRAU“, von dem meine Mutter nichts erfuhr, weil ich über meine Erlebnisse aus der Kindheit nie mit ihr gesprochen hatte. Heute bereue ich, dass ich dachte, dafür wäre noch genügend Zeit. Doch wir haben keinen Einfluss auf bestimmte Dinge im Leben. Meine Mutter war stolz auf mich, als ich ihr meine Gedichte schenkte und behauptete, dabei handle es sich um mein erstes Werk als Autorin. Für meine Bücher wählte ich ein Pseudonym. Unter dem Namen „Susanne Bechstein“ habe ich inzwischen elf Bücher veröffentlicht und muss feststellen, dass Schreiben offenbar süchtig macht. Ich habe in meinem Leben so viel erlebt, dass ich anderen Menschen auch heute noch einen Einblick gewähren möchte. Zuletzt habe ich angefangen, ein schreckliches Erlebnis aufzuschreiben, das mir vor einigen Jahrzehnten widerfahren ist. Dieser Vorfall hätte für mich auch tödlich enden können. Dabei hatte ich angenommen, das Erlebte längst aus meinem Gedächtnis gestrichen zu haben.
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!
Wie steht es doch in der Bibel geschrieben? Wenn du Gott liebst, dann kannst auch du deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Wie können Menschen sich selbst lieben, die in ihrer Kindheit nur Schläge, Misshandlungen und Brutalität erfahren haben? Wie können diejenigen auch noch ihren Nächsten lieben, wenn sie nicht einmal wissen, was das Wort „Liebe“ für eine Bewandtnis hat. Und was versteht jeder einzelne Mensch unter Nächstenliebe? Kann man Menschen vergeben, die ein schlimmes Verbrechen begangen haben? Überwiegen da nicht der eigene Schmerz und die Frage, was ein Mensch in einer solchen Situation durchmachen musste? Wie ist es möglich zu vergeben, wenn Menschen überall auf der Welt getötet werden oder Familien ihre Kinder verlieren, die noch nicht einmal richtig gelebt und geliebt haben? Wo ist in solchen Momenten unser Gott Vater? Warum hat er es nicht verhindert? Oder wollte er die Menschheit damit bestrafen, dass sein Sohn Jesus Christus so viel Schmerz und Leid am Kreuz ertragen musste? Wie konnte Gott seinen Sohn opfern als Beweis für seine Liebe? Für mich ist das unvorstellbar! War Gott wirklich ein Mensch? Gott hat seinen Sohn bewusst sterben lassen, obwohl er von dessen Unschuld überzeugt war. Hat Judas Jesus wirklich verraten? Er war doch einer seiner Anhänger. Dennoch hat er ihn für 30 Silberlinge an die Hohepriester verraten. Warum hielten sie Jesus für einen Hochstapler und nicht für den angekündigten Messias? Das römische Volk hat Jesus vorgeworfen, sich als „König der Juden“ aufzuspielen und über das Land herrschen zu wollen. Daher verurteilte Pilatus ihn zum Tode am Kreuz. Hatte Geld im Christentum auch schon so eine große Bedeutung wie heute? Ein Menschenleben für 30 Silberlinge zu opfern, das ist meiner Meinung nach kaum vorstellbar! Wie man im Neuen Testament nachlesen kann, hat Judas seinen Verrat bereut und den Hohepriestern die Silberlinge vor die Füße geworfen. Angeblich hat sich Judas erhängt, weil er nicht voraussehen konnte, was sein Verrat für Folgen haben würde.
Jesus Christus hatte die Gabe, Wunder zu vollbringen. Durch ihn konnten blinde Menschen wieder sehen und Wasser wurde zu Wein. Vieles andere hat er durch seine Botschaften verkündet. Wird von Gott erwartet, dass er für immer und ewig seine schützende Hand über uns Menschen hält? Gott, der alle Menschen liebt, was auch immer sie tun? Oder weist er uns nur auf den rechten Weg hin, damit wir erkennen, was richtig und was falsch ist? Sollen wir am eigenen Leib erfahren, was Schmerz und Leid bedeuten? Sind wir für alles, was mit uns oder der Welt geschieht, selbst verantwortlich? Alle beten zu Gott, wenn sie in Not sind. Dazu gehören auch Menschen, die vorher gottlos waren. Ich kenne Gott nicht – nur das, was man über ihn hört und liest, und da bin ich doch sehr am Zweifeln. Soweit es in meiner Macht stand, habe ich immer versucht, Gutes zu tun. Vorurteile hatte ich nie! Den Umstand, dass ein Mensch beispielsweise als Obdachloser auf der Straße lebt, hat er sich bestimmt nicht selbst ausgesucht. Jedes Leben hat ja eine Vorgeschichte! Für mich persönlich ist Nächstenliebe von großer Bedeutung, deshalb hatte ich auch nie ein Problem damit, einen Menschen in den Arm zunehmen, der unter einer Brücke lebt und nicht so sauber aussieht wie seine Mitmenschen. Ich lasse mich gerne auf Gespräche mit solchen Menschen ein, denn aus Erfahrung weiß ich, wie dankbar sie sind, sich ihr Leid von der Seele sprechen zu können.
Leider gibt es in unserer Gesellschaft zu viele Vorurteile. Manche sagen in Bezug auf Obdachlose: „Die sind doch an ihrer Situation selbst schuld. Mir könnte so was nicht passieren!“ Ich finde solche Sprüche einfach großkotzig. Ständig muss ich diese Menschen verteidigen und es ist schon so manches Mal zu lautstarken Diskussionen gekommen. Wann immer ich versuche, meinen Standpunkt zu vertreten, stoße ich auf taube Ohren. Dabei sind es ja nicht nur Menschen, die aus armen Verhältnissen stammen, die ganz plötzlich den Boden unter ihren Füßen verlieren. Manche kommen aus zerrütteten Ehen, in denen es für den einen Partner von heute auf morgen keinen Platz mehr in der gemeinsamen Wohnung gibt und die auch sonst niemanden haben, der sie auffängt. Mein Bemühen, mich um obdachlose oder alte Menschen zu kümmern, kommt