verantwortlich, der mich zu 100 % brauchte. Der davon abhängig war, dass Menschen für ihn lebenswichtige Entscheidungen fällten. Der davon abhängig war, dass die Entscheidungen, die von Ärzten und Krankenschwestern getroffen worden waren, hinterfragt wurden, um die bestmöglichen Rahmenbedingungen für ein möglichst gesundes Leben zu garantieren.
Ich empfinde es noch heute als Segen, dass sich die Krankenschwestern der Frühgeburtenstation so intensiv darum bemüht haben, dass ich, obwohl Kilian noch lange Zeit nicht gestillt werden konnte, gelernt habe mit Milchpumpen umzugehen. Bis dorthin habe ich, ehrlich gesagt, nicht einmal gewusst, dass es so etwas – und vor allem in so vielen Ausführungen – überhaupt gibt. Die Stillberaterinnen auf der Station machten mir klar, wie wichtig es für Kilian sei, dass er sobald als möglich Muttermilch via Sonde bekommt und dass dies der einzige Weg sei ihn optimal zu begleiten. Unser Ziel musste es sein, dass Kilian überlebt, stark wird und möglichst bald selbstständig atmen und in weiterer Folge auch an der Brust trinken konnte. Sie klärten uns über die positiven Inhaltsstoffe der Muttermilch auf und ich wurde zur Expertin für Milchpumpen.
Kilian entwickelte sich dank liebevoller Pflege, intensiven Kuschelkontakten, „Känguruhing“ und Farbtherapie (wir arbeiteten mit bunten Tüchern) wunderbar. Wir trainierten gemeinsam regelmäßig das Saugen und nach einigen Monaten war Kilian ein vollgestilltes, gesundes Baby. Diese intensive Beschäftigung mit dem Stillen und dessen positiven Auswirkungen war mein erster bewusster Kontakt mit dem Thema „natürliche, gesunde Ernährung“ und „Achtsamkeit im Beobachten und Handeln“.
ERFAHRUNG 1:
„Gesundes ökologisches Wachstum ist auf wenige, natürliche Baustoffe angewiesen.“
Jedes Lebewesen braucht sein individuelles Habitat und eine für sich vorbereitete Umgebung … und wenn es diese nicht gibt, dann darf ich sie mir achtsam und wertschätzend herrichten.
Im September 2002, genau zum errechneten Geburtstermin, hatte Kilian stolze 3000 g und war 50 cm groß. Ich weiß noch, dass ich mir damals gedacht habe: „So, jetzt ist das Schlimmste überstanden!“ Dem war aber nicht so!
Mitte September mussten wir mit Kilian ins Krankenhaus, da er nicht mehr aufhörte zu weinen. Im LKH Leoben wurde zuerst ein Durchfallvirus (Rotavirus) festgestellt. Doch der Zustand Kilians wurde immer bedenklicher und nach einigen Stunden hing sein Leben am seidenen Faden. Er wurde ins LKH Graz überstellt, wo uns vom Chirurgen erklärt wurde, dass er unseren Sohn jetzt am Darm operieren würde. Dieser hätte sich um 180 Grad verdreht (Volvulus) und sei durchgebrochen. Sehr einfühlsam bat er uns, uns von Kilian zu verabschieden, da es wahrscheinlich sei, dass wir ihn nicht mehr lebend wiedersehen würden.
Nun erlebten wir den nächsten Quantensprung in unserer Entwicklung, der uns von nun an einen neuen Fokus auf unser Leben geben würde: Wir waren durcheinander, verängstigt und fühlten uns der Situation völlig ausgeliefert … Trotzdem wurde uns klar, dass wir nun Verantwortung für Kilian übernehmen mussten, die in diesem Fall so aussah, dass wir den Chirurgen das Gefühl geben mussten, dass wir ihnen vertrauen, damit sie völlig angstfrei in den OP gehen konnten.
Johnny am Wildniskulturspielplatz in Übelbach
Also sagte ich, ohne lange darüber nachzudenken: „Nehmen Sie unseren Kilian mit und tun Sie bitte für ihn, was Sie können! Aber seien Sie sich sicher, dass wir ihn lebend wiedersehen werden, weil ich das einfach weiß! Haben Sie bitte keine Angst!“ Der Chirurg schaute uns staunend an und versprach, sein Bestes zu geben. Unzählige Stunden des Wartens, Weinens und der Angst, die wir teils im LKH Graz, teils bei unserer lieben Freundin Irmgard verbrachten, lagen vor uns. Ganz von selbst war das nächste wichtige Prinzip unseres Lebens wirksam geworden:
ERFAHRUNG 2:
„Verantwortung für die Situation übernehmen und Vertrauen entwickeln!“
Nach vielen Stunden im OP kam Kilian lebend, aber schwer gezeichnet zurück. Viele Monate auf der Intensivstation der Kinderklinik und viele Komplikationen und Herausforderungen sollten folgen. Johnny las sich in medizinische Abhandlungen über das Verdauungssystem ein und stieß nach einer Weile auf die Inhaltsangabe der zu der Zeit üblichen Sechsfach-Impfung für Babys, die im Mutter-Kind-Pass empfohlen wurde. Nach eingehenden Recherchen kamen wir zum erschreckenden Ergebnis, dass diese Impfung, die von den Ärzten vor der Entlassung Kilians aus der Frühgeburtenstation in Leoben vorgenommen wurde, wesentlichen Einfluss vor allem auf den noch unreifen Darm von Frühchen nehmen und diesen schädigen kann.
Es kann also davon ausgegangen werden, dass diese Impfung, die kurz vor dem Volvulus injiziert worden war, der Auslöser für die Darmverdrehung war. Richtig verstanden und unsere persönlichen Rückschlüsse für uns und unsere Kinder daraus gezogen haben wir natürlich erst viel später. Denn in dem Moment, wo du um das Leben deines Kindes bangst, hast du keine Kraft dich mit allen Aspekten auseinanderzusetzen. Deine Aufgabe ist es, so haben Johnny und ich das gesehen, voll und ganz den Fokus auf das Leben des Kindes zu richten und alles andere zu bedenken, abzuspeichern und langsam ein großes Ganzes zu formen.
An dem Tag, an dem unser Kilian notoperiert wurde, war es definitiv: Unser Leben würde von nun an anders verlaufen, als wir es uns jemals vorgestellt hatten.
Kilian hat seit damals nur noch ein Drittel seines Darms. Dies inkludiert Dickdarm und Dünndarm. Johnny wurde zum absoluten Darmexperten. Er las jedes Buch zu diesem Thema und unterstützte mich darin, weiter meine Muttermilch abzupumpen, obwohl Kilian diese nicht mehr bekommen durfte. Seine Ernährung beschränkte sich auf minimale Mengen Sondenernährung. Ständig bestand die Möglichkeit, dass er diese nicht verträgt. Der Nahrungsaufbau gestaltete sich als schwierig. An der Brust trinken konnte und durfte er nicht, da er die Muttermilch in ihrer Komplexität womöglich nicht vertragen würde. Wir gingen dazu über, ihn in der abgepumpten Milch zu baden. Mit dieser Art der Pflege legte er sich nie wund und trotz seiner 25 bis 30 Stühle am Tag (durch die kurze Darmpassage geht die Nahrung fast ungefiltert durch den Verdauungsapparat) war sein Po nie wund. Noch etwas anderes konnte dadurch bewirkt werden, allerdings haben wir das dann erst viel später einmal gelesen: Durch das Baden in Muttermilch kam Kilian mit Laktose in Berührung. Obwohl auch dieser Abschnitt des Darmes, in dem Laktose aufgespalten werden kann, fehlt, ist er nun, mit 17 Jahren, nicht laktoseintolerant! Sein Körper wurde durch das tägliche Baden in Muttermilch darauf trainiert, mit Laktose umzugehen.
Auch heute noch versuchen wir tierische Milchprodukte in seiner Ernährung großteils zu vermeiden. Milchprodukte, die der Körper basisch verstoffwechselt, wie Butter oder Sahne in kleinen Mengen werden von Kilian sehr gut vertragen.
Wir erkannten das nächste Prinzip, dem wir in weiterer Zukunft viel Raum geben würden:
ERFAHRUNG 3:
„Stärke durch achtsame Konfrontation mit Herausforderungen und Vertrauen in die Natur der Sache.“
Jeder Organismus ist einzigartig und braucht seine Grundbedingungen, um gesund wachsen zu können. Es ist aber wichtig, nicht immer alle Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen, um Wachstum zu fördern: Überleg dir Alternativen, achte auf Vielfalt. Das gilt für deine Pflanzen im Garten genauso wie für dich und deine Mitmenschen.
Hier ein Beispiel: Jedes Samenkorn hat in sich abgespeichert, wann der beste Zeitpunkt zum Keimen gekommen ist. Säe ich nun mein Beet ein, gieße ich die Samen und warte ich nicht, wie in der Natur vorgegeben, auf den nächsten Regen, dann wird sich mein Same an meine Hege und Pflege gewöhnen, er wird abhängig davon, dass ich ihn bis zum Erwachsenenalter betreue. Anders verhält sich eine Pflanze, die als Samenkorn nicht gegossen, sondern durch Regen zum Wachsen angeregt wird. Sie ist robuster und besser an klimatische Bedingungen angepasst. Siehst du vielleicht einen Zusammenhang zur Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen?
Das Thema „Darmgesundheit“ beherrscht natürlich seit dieser Zeit unser Leben. Wir wurden von der Schulmedizin immer gut begleitet, fanden aber oft eigene, gegebenenfalls erfolgreichere Wege, mit Situationen