Gott hat Christus zu seinem Sohn adoptiert, zum Beispiel bei der Taufe durch Johannes (Paul von SamosataPaul von Samosata [gest. nach 272])
Nachdem das Konzil von Nicäa die WesenseinheitHomoousie, Wesenseinheit, Wesensgleichheit von Gott, dem Vater und Gott, dem Sohn dogmatisch verbindlich geregelt hatte, wurde in den folgenden Jahren die Frage virulent, wie vor diesem Hintergrund die PersonPerson Christi selbst zu fassen sei. Mit [33]der Feststellung seines wahren Gottseins ist nämlich noch nichts darüber ausgesagt, wie sich seine Gottheit zu seinem Menschsein verhält und wie beide Aspekte in einer Person zusammen bestehen können. Die Beantwortung dieser Frage führte zur Ausbildung der sogenannten Zwei-Naturen-LehreZwei-Naturen-LehreZwei-Naturen-Lehre. Deren Ausformulierung auf dem Konzil von ChalcedonKonzil von Chalcedon im Jahre 451 wurde ausgelöst durch den nestorianischen Streitnestorianischer Streit. NestoriusNestoriusNestorius (gest. um 450), PatriarchPatriarch von Konstantinopel, bezeichnete MariaMaria als Christusgebärerin (griechisch: christotokos). Den Hintergrund der von ihm gewählten Bezeichnung bildet die Theologie der Antiochener. In der ChristologieChristologie ging es ihnen darum, die beiden Naturen in der Person Christi zu unterscheiden. Christus ist eine Person in zwei Naturen. Offen blieb dabei scheinbar die Frage, wie die Einheit von göttlicher und menschlicher Natur näher zu bestimmen sei. Darauf legten die alexandrinischen Theologen den Finger. Allen voran Cyrill von AlexandrienCyrill von AlexandrienCyrill von Alexandrien (378–444) machte geltend, Christus bestehe zwar aus zwei Naturen, aber nach ihrer Vereinigung in der MenschwerdungMenschwerdung bilden sie eine Einheit. Maria sei deshalb Gottesgebärerin (griechisch: theotokos) zu nennen. In dieser Position schien den Theologen der antiochenischen Schule die Menschheit des GottessohnGottessohnes nach seiner Vereinigung mit der ewigen göttlichen Natur aufgehoben. In dem Menschgewordenen wäre [34]damit nur noch eine Natur, die göttliche. Sie ersetzt gleichsam die Menschheit in Christus. Aber widerspricht eine solche Auffassung des menschgewordenen GottessohnGottessohnes nicht den evangelischen Berichten von ihm, den Aussagen über sein LeidenLeiden, fragten die Antiochener nicht zu unrecht.
Die im Jahre 451 in ChalcedonChalcedon zusammengekommenen Theologen lösten den zwischen Alexandria und Antiochien schwelenden Streit durch eine Kompromissformel. Ein zwanzig Jahre zuvor in Ephesus von dem Kaiser einberufenes KonzilKonzil führte noch zu keiner Einigung der Parteien. Die Formel, die man in Chalcedon fand, Christus existiere in zwei Naturen, die in seiner PersonPerson unvermischt und unverwandelt sowie ungetrennt und unzerteilt seien, überzeugte allerdings die Theologen im Osten des Reiches nicht. Bald regte sich Widerstand, da man die dogmatischen Bestimmungen als nestorianisch empfand. Die neuen Kontroversen über die richtige Auffassung Christi kamen erst durch das dritte Konzil von KonstantinopelKonzil von Konstantinopel im Jahre 681 zu einem Abschluss.
Das wichtigste dogmatische Werk des christlichen Ostens stammt von Johannes von DamaskusJohannes von DamaskusJohannes von Damaskus (um 650–754) und trägt den Titel Quellen der Erkenntnis (griechisch: pege gnoseos). In ihm fasste er das Denken der griechischen Theologen der Antike in Form einer Sammlung ihrer Aussagen zusammen.
Literatur
Franz Dünzl: Geschichte des trinitarischen Dogmastrinitarisches Dogma in der Alten KircheKircheAlte, Freiburg i. Br./Basel/Wien 2006.
Adolf Harnack: Lehrbuch der Dogmengeschichte, 3 Bde., Darmstadt 1980 (ND der 4. Auflage Tübingen 1909).
Wolf-Dieter Hauschild: Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte, Bd. 1: Alte KircheKircheAlte und Mittelalter, Gütersloh 1995.
Adolf Martin Ritter:DogmaDogma und Lehre in der alten Kirche, in: Carl Andresen/ders. (Hrsg.): Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte, Bd. 1: Die Lehrentwicklung im Rahmen der Katholizität, Göttingen 21999, S. 99–283.
[35]Aufgaben
1 Informieren Sie sich in einer neueren Dogmengeschichte über die Lehrentwicklung in der Alten KircheKircheAlte.
2 Informieren Sie sich über die christologischen Streitigkeiten im fünften Jahrhundert sowie die Konzilsbeschlüsse von Chalzedon.
3 Vergleichen Sie Harnacks These, die Dogmenbildung im frühen Christentum sei dessen Hellenisierung, mit neueren Deutungen der dogmengeschichtlichen Entwicklung. Benennen Sie grundlegende Unterschiede.
2.2 Das Zeitalter der großen Summen
Von hoher Bedeutung für die Formierung der Theologie im lateinisch sprechenden Westen des römischen Reiches sowie des Theologieverständnisses im Mittelalter ist Aurelius AugustinAurelius AugustinAugustinus, Aurelius (354–430) aus Nordafrika. Streng chronologisch gesehen gehört der afrikanische Denker in die Alte KircheKircheAlte, aber aufgrund seines überragenden Einflusses auf die Theoriebildungen der westlichen Theologie markiert er den Anfang des mittelalterlichen theologischen Denkens. Genaue Abgrenzungen des medium aevum sind ebenso umstritten und unzureichend wie die Unterscheidung von Früh-, Hoch- und Spätscholastik. In den Jahrhunderten, die man in der Regel mit dem Epochenbegriff Mittelalter zusammenfasst, wurde der Begriff Theologie erst zur Bezeichnung der gedanklichen Bearbeitung der christlichen Lehre. Die altkirchlichen Denker verwendeten hierfür eher den Begriff Philosophie oder gar GnosisGnosis, Gnostizismus (griechisch: Erkenntnis). Mit dem griechischen Lehnwort theologia meinen sie heidnische Mythendichter wie HomerHomer (vermutlich um 850 v. Chr.) und HesiodHesiod (vor 700 v. Chr.).
Bei AugustinAugustinus, Aurelius, dem Bischof der Nordafrikanischen Stadt Hippo Regius, treten die Grundzüge des theologischen Denkens, die für die lateinische Christenheit zentral sind, prägnant hervor: Sünden- und GnadenlehreGnadenlehre, PrädestinationPrädestination, Erwählung, Kirche und SakramentSakramente. Als Denker verknüpfte er die biblische Überlieferung und Platonismusbiblische Überlieferung mit dem PlatonPlatonismusPlatonismus. Gott ist ihm, freilich im Unterschied zu Platon, die ewige WahrheitWahrheitewige. Aus der Verschmelzung von Bibel und Platonismus geht eine Art kontemplatives Denken hervor. Gottdenken ist in erster Linie Weisheit (lateinisch: sapientia). Es richtet sich auf das Unvergängliche und Bleibende und kehrt sich von der Welt des Vergänglichen ab. Der SündenfallSündenfall des Menschen besteht geradezu in seiner Ausrichtung auf das Sinnliche. Dadurch wird die von Gott geschaffene OrdnungOrdnung des KosmosKosmos, der Afrikaner versteht sie in den Spuren Platons und der StoaStoa, verkehrt. Das Vergängli[36]che wird an die Stelle des unveränderlichen Gottes gesetzt. Von sich aus kann der von Gott abgefallene Mensch sich Gott nicht wieder zu wenden. Der späte Augustin vertritt in Auseinandersetzung mit den Pelagianern, einer auf den englischen Mönch PelagiusPelagius (ca. 350–420) zurückgehenden theologischen Strömung, die den freien Willefreier WilleWillefreiern des Menschen betont, nach 396 eine Gnaden- und ErwählungslehrePrädestinationslehre, Erwählungslehre, in der Gott allein das Heil und das Unheil des Menschen wirkt. Von einer FreiheitFreiheit des Menschen im Hinblick auf die Herstellung seines Heils kann keine Rede sein.
Das augustinisch-platonische Denken bestimmte zunächst die Theologen des frühen MittelaltersTheologen des frühen Mittelalters. Die Zentren der theologischen Arbeit, also der Auseinandersetzung mit den biblischen Schriften und deren Kommentierung durch die KirchenväterKirchenväter, waren Klöster, in den Städten Kathedralschulen und später Universitäten. Hier wurden die Lehrmeinungen der alten Theologen gesammelt, kommentiert und überliefert. Auf diese Tätigkeit geht der Begriff ScholastikScholastik (von lateinisch: scholasticus,