ihrer Niederschlagsbilanz also negativ (Abb. 2). Auch Boyko (1955, zit. in Evenari 1985) definiert Wüste kurz mit „Desert is an area with a waterless surface as a result of poor and erratic rainfall.”, klammert in dieser Generalisierung jedoch weitere prägende Kennzeichen aus. Denn Wüsten sind charakterisiert durch eine Zahl an gemeinsamen Merkmalen wie Klima, Wasser, Gewässernetz, Böden, Vegetation, Tierwelt usw. – die jeweiligen Wissenschaftler richten bei ihrer Kennzeichnung jedoch häufig den Fokus auf ihre Spezialdisziplin, was auch in abweichenden Definitionen sichtbar wird. Zum vertieften Verständnis von Wüsten als Lebensräume und Ökosysteme ist im Grunde aber eine ganzheitliche, synthetische Betrachtung nötig.
Wüsten sind nach Shreves weitergefasstem Begriff (1951) im Wesentlichen ein Gebiet mit niedrigem und unregelmäßig verteiltem Niederschlag, geringer Luftfeuchte, hohen Lufttemperaturen, starkem Wind, Böden mit wenig organischen Bestandteilen und hohem Gehalt an mineralischen Salzen, violenter Erosionstätigkeit durch Wasser und Wind, sporadischem Abkommen von Flüssen und schwach entwickelter dendritischer Dränage. Für A. Gabriel (1961) sind demgegenüber „echte Wüsten“ charakterisiert durch „… Niederschlagsarmut, eine große tägliche Temperaturschwankung (Maxima in der Sonne von 70 °C bis Minima von –10 °C mit Eisbildung, nachts, in Gebirgen und im Winter) und ferner Vegetationslosigkeit der Oberfläche, die 50 % übersteigen soll.“ Ein dazu oft kolportiertes, bezeichnendes Zitat von Einheimischen lautet „Die Wüste ist ein sehr heißes Land, in dem es (nachts) sehr kalt ist.“ (ebd.). So ließen sich Umschreibungen beliebig fortführen mit dem Ergebnis, dass es eine kurze und pauschal zutreffende Definition nicht gibt. Die global weit verteilten Wüsten sind häufig Individuen. Sie haben viele gemeinsame Merkmale, aber oft in unterschiedlicher Kombination.
Diverse Autoren haben versucht, mit Hilfe von Ariditätsindizes Typen von Trockengebieten und Wüsten auszugliedern. So unterscheidet Dubief (1950, zit. n. Besler 1992) Vegetationstypen nach der Anzahl der Tage, die zur Verdunstung des Jahresniederschlags benötigt werden (= Faktor D):
semi-aride Steppe D >28 → diffuse Vegetation.
Halbwüste D >3 – 4 → diffuse Vegetation.
Vollwüste D >1 → kontrahierte Vegetation.
Extremwüste D <1 → kontrahierte Vegetation.
Capot-Rey (1953, zit. in Besler 1992) ermittelt seinen Ariditätsindex (I) aus Jahres- und Monatswerten des Niederschlags P, p und der Verdunstung (Evaporation) E, e:
I = ½ (100 P/E + 12 p/e). Nach der Höhe des Index differenziert er die Trockenheitsverhältnisse. Da eine diagnostische Unterscheidung nach der Vegetation – als der wohl aussagekräftigsten Übereinstimmung mit dem Klimamilieu – von Capot-Rey nicht getroffen wurde, wird seinen Indizes jeweils eine empirisch ableitbare Vegetationsformation zugeordnet:
I = 0 – 0,3 = hyperaride → Extremwüste: völlige Vegetationslosigkeit.
I = 1,25 – 0,3 = plioaride (= voll-arid) → Vollwüste: keine diffuse, sondern nur noch kontrahierte Vegetation in Tiefenlinien; der Raum erscheint weitgehend vegetationslos.
I = 4 – 1,25 = mésoaride (= mäßig arid) → Halbwüste/Wüstensteppe: lückenhafter Bewuchs wird auch am Horizont noch deutlich.
I = > 4 oder 5 = semi-aride Trockensavanne oder Trockensteppe: Vegetation ist im Vordergrund wie in der Fläche noch lückenhaft, vermittelt aber den Eindruck geschlossenen Bewuchses am Horizont.
Bei dieser groben Zuordnung von Indizes zu Vegetations-Bedeckungsverhältnissen ist der bei außergewöhnlich ergiebigen Niederschlägen auftretende ephemere Pflanzenwuchs nicht berücksichtigt (Kap. 7.1.2). Auch ist die Korrelation für den australischen Kontinent nicht geeignet. Die gleichmäßigere Niederschlagsverteilung (Zeit und Raum) erzeugt dort spezifische Verhältnisse: Vollwüsten mit kontrahierter Vegetation treten nicht auf. Auch im Köppen’schen BW-Klima Australiens dominieren Halbwüsten oder Baum-Strauch-Savannen.
Typische Merkmale einer Wüste zeigen sich vielfach in geringer Bewölkungsintensität und starker Insolation. Der Wind verstärkt die Verdunstung/Austrocknung, führt des Weiteren zu charakteristischen äolischen Prozessen wie Deflation, Korrasion, Umlagerung und Akkumulation). Aus geomorphologischer Sicht unterscheidet Kaiser (1923) die Dynamik der Wüste von angrenzenden Gebieten mit periodischen Niederschlägen: Letztere sind semi-arid mit dominant fluvialer Abtragung und Sedimentation durch regelmäßig wiederkehrende Regenperioden, mit ausgesprochenem Wechsel von humiden und ariden Jahreszeiten. In Wüsten mit ihren episodischen Niederschlägen dagegen ist „… neben aeolischer Abtragung und Sedimentation am wichtigsten die fluvio-aride Abtragung und Sedimentation durch die Schichtfluten …“. Diese entstehen durch gelegentliche Starkregenereignisse, wie sie für tropisch-subtropische Gebiete typisch sind.
Nahezu alle auf die Alte Welt fokussierten Definitionen von Wüste oder Vollwüste zielen auf die durch Trockenheit und Wärme oder Kälte sowie ungünstige edaphische Eigenschaften verursachte Armut an Pflanzen oder Vegetationslosigkeit. Nur Spezialisten in der Pflanzen- und Tierwelt kommen mit der Lebensfeindlichkeit der Wüste zurecht. In der Neuen Welt oder in Australien legt man den Begriff, wie erwähnt, wesentlich breiter aus. So werden dort noch Wüsten verzeichnet, wo andere Autoren die Zuordnung z. B. zu Wüstensteppen oder Dornbuschsavannen vornehmen würden. Insofern bleibt auch für dieses Buch das Dilemma, mit diesen begrifflichen Unterschiedlichkeiten zurechtkommen zu müssen.
Typisch sind für die ariden Regionen starke interannuelle Schwankungen im Niederschlagsverhalten; sie können in vielen Wüsten und Halbwüsten 50 –100 % erreichen. Extrem-aride Gebiete mit ihren charakteristischen episodischen Niederschlägen entfalten nennenswerte Vegetation nur dann, wenn die unregelmäßigen Regenfälle sich in nicht zu kurzem und nicht zu weitem zeitlichen Abstand wiederholen. Dann kann das Phänomen der „blühenden Wüste“ auftreten, in dem die als Samen oder Knollen überdauernden Pflanzen (Ephemere) in großer Zahl austreiben und ihren Lebenszyklus bis zur Blüte und Frucht entfalten können. Dies sind zwar Ausnahmesituationen, aber dennoch ein charakteristisches Merkmal des hochvariablen Niederschlagsverhaltens von Wüsten. Indem episodische Niederschläge rasch abfließen und „in nicht erreichbare Tiefen“ versickern, ist deren ökologische Wirkung folglich sehr begrenzt, was den Wüstencharakter verstärkt.
Auch wenn in typischen Wüsten der primäre Landschaftseindruck vom unverhüllten Blick auf Verwitterungsdecken, Sedimente oder anstehendes Gestein dominiert wird: Es erscheint zweckmäßig, zur allgemeinen Verständigung den Begriff Wüste über die Vegetation (Bewuchsdichte, räumliche Anordnung, Artenspektrum) zu definieren und weitere geomorphologische Typisierungsmöglichkeiten wie Sand-, Kies- oder Felswüste in einen anderen Kontext zu stellen. Diese haben meist eine komplexe und unterschiedliche Vorgeschichte, sodass sie sich als primäre Definitionsmerkmale für Wüsten nicht eignen. Sie bilden eine eigene Kategorie in der Typisierung (vgl. Kap. 10).
Botanische Merkmale – auch wenn sie in Vollwüsten nur spärlich in Erscheinung treten – bieten sich als landschaftsprägender Vergleichsmaßstab an, zumal auch andere Großräume der Erde durch ihre Vegetationsverhältnisse unterschieden werden. Schließlich dokumentiert sich die globale Klimadifferenzierung am eindringlichsten im natürlichen Pflanzenwuchs, in Vegetationsgesellschaften: z. B. Tundra – Borealer Nadelwald – Steppen – Wüsten – Savannen – tropische Regenwälder (Abb. 3). Verallgemeinert drücken Pflanzengesellschaften längerfristige Niederschlags- und Temperaturbedingungen, Saisonverläufe, Vegetationsperioden, Standorteinflüsse, Wasserbilanzen eines Raumes aus.
Abb. 3
Tropisch-subtropische Wüsten und Halbwüsten in ihrer Stellung innerhalb benachbarter Vegetationsformationen bzw. Ökozonen. Trotz der sehr unterschiedlichen Festlandsverteilung lässt sich das Schema für beide