Iris Böschen

Makroökonomik und Wirtschaftspolitik


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Ausgabenkategorie ist die Grundsicherung für Erwerbsfähige und Erwerbsunfähige. Das siebte Kapitel des Buches stellt die deutsche Grundsicherung im Rahmen der Sozialen Marktwirtschaft vor und hebt auf die verschiedenen Kriterien Gleichbehandlung der Bürger, Stärkung der Eigeninitiative, Bedürftigkeitsprinzip etc. ab. Werden diese Kriterien bei der Entscheidung herangezogen, ob Hilfe der öffentlichen Hand zu gewähren ist, so dürfte das Ergebnis einen Beitrag zur Verteilungsgerechtigkeit leisten. Wissend um den engen Zusammenhang zwischen der Beschäftigung und der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme wird im achten Kapitel die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung als eine Säule der sozialen Sicherung Deutschlands vorgestellt. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, die beinhaltet, dass der Anteil der Rentner an der Gesamtbevölkerung stärker steigt als der Anteil der Kinder und Jugendlichen, wird im Rahmen der Frage ‚Ist die Rente sicher?‘ die zusätzliche kapitalgedeckte Altersvorsorge behandelt. Ebenfalls im Zusammenhang mit einer immer älter und durchschnittlich auch kranker werdenden Gesellschaft und (medizinisch-)technischen Innovationen steigen die Kosten im Gesundheitswesen laufend an. Den Medien ist zu entnehmen, dass das bestehende System auf Dauer nicht finanzierbar sei. Als weitere Säule der sozialen Sicherung werden daher in Kapitel 9 sowohl die gesetzliche Krankenversicherung als auch die gesetzliche Pflegeversicherung thematisiert. Als auf einer stabilen Basis stehende Versicherung wird die Arbeitslosenversicherung vorgestellt.

      Im Zusammenhang mit Transferzahlungen seitens des Staates an private Haushalte und Unternehmen und in Verbindung mit den Exportchancen deutscher Unternehmen steht unmittelbar die Frage, was den Konsumenten und den Unternehmen freier Wettbewerb auf den Märkten bringt. Die undifferenzierte Antwort lautet: „Die Preise für die Produkte werden durch eine hohe Wettbewerbsintensität auf den Märkten gesenkt.“ Aus diesem Grund ist der freie Wettbewerb aus Konsumentensicht zu befürworten. Auch den Unternehmen wird nachgesagt, dass sie durch den Wettbewerb Innovationsleistungen erbringen, die in einer geschützten Marktnische nicht möglich sind, weil der Anreiz fehlt, Erster sein zu wollen. Im zehnten Kapitel wird dieses eigentlich mikroökonomische Thema aus makroökonomischer Sicht behandelt.

      Im elften Kapitel werden die möglicherweise noch ‚losen Enden‘ der vorangegangen Abschnitte aufgegriffen und im Rahmen theoretischer Überlegungen zur Wirtschaftspolitik |5|als angewandter Makroökonomik kategorisiert. Hier werden u.a. Erläuterungen zu den Denkschulen der Makroökonomik gegeben und in Zusammenhang gestellt.

      Als Abschluss des Buches werden im zwölften Kapitel verschiedene Beispiele aus den Medien präsentiert, die im Rahmen einer schriftlichen Prüfungsleistung diskutiert werden könnten. Dieses Kapitel dient der Vorbereitung der Studierenden auf ihre Prüfung.

       [Zum Inhalt]

      |7|Kapitel 1: Wenn die Wirtschaft wächst …

      Seit dem 18. Jahrhundert findet eine Phase des wirtschaftlichen Wachstums von bis dahin unbekanntem Ausmaß statt. Wirtschaftswachstum ist also nicht selbstverständlich.

      Von den frühesten Zeiten, über die wir Aufzeichnungen haben – also zurück, sagen wir, bis zweitausend Jahre vor Christus –, bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts gab es keine großen Veränderungen im Lebensstandard des durchschnittlichen, in der zivilisierten Welt lebenden Menschen. Natürlich gab es ein Auf und Ab. Heimsuchungen durch Seuchen, Hungersnöte und Krieg. Goldene Zwischenzeiten. Aber keine fortschreitenden Veränderungen. Einige Zeiten waren vielleicht 50 Prozent – allerhöchstens 100 Prozent – besser als andere in den viertausend Jahren, die (sagen wir) um 1700 n. Chr. endeten. […] Zu irgendeiner Zeit vor dem Beginn der Geschichte – […] vor der letzten Eiszeit – muss es eine Zeit des Fortschritts und der Erfindungen gegeben haben, die mit der, in der wir heute leben, vergleichbar ist. Aber während des größten Teils der aufgezeichneten Geschichte gab es nichts Derartiges. (Keynes [1930] 2007)

      John Maynard Keynes (1883–1946), der Begründer der nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik, beschreibt wirtschaftliches Wachstum als Steigerung des Lebensstandards. Mit anderen Worten: Er könnte mit steigendem Lebensstandard größere Konsummöglichkeiten für die Menschen gemeint haben, mehr Freizeit, weniger Arbeitszeit, Gesundheitsvorsorge für alle Menschen oder ein hohes Maß an innerer und äußerer Sicherheit.

      Wir werden das Wirtschaftswachstum in zwei Dimensionen untersuchen. Zum einen unterscheiden wir die Determinanten des Wachstums in einerseits theoretische Modelle und andererseits empirische Ansätze. Zum anderen analysieren wir, ob sich das Wachstum stetig oder in Wellen vollzieht. Aber zunächst steht die Frage im Vordergrund, wie wir Wirtschaftswachstum in Deutschland verstehen.

      1.1 Das Bruttoinlandsprodukt

      Mit Hilfe des Bruttoinlandsprodukts (BIP) wird die Produktion von Waren und Dienstleistungen im Inland nach Abzug aller Vorleistungen innerhalb einer Periode gemessen (Mankiw 2016). Mit dem BIP wird die gesamte Wirtschaftsleistung innerhalb der nationalen Grenzen berücksichtigt. Das Bruttonationalprodukt (BNP) bezieht demgegenüber die wirtschaftliche Leistung aller Staatsbürger der betreffenden Nation ein, unabhängig vom aktuellen Wirkungsort.

      Das BIP lässt sich auf verschiedene Arten, nämlich durch die Entstehungs-, Verwendungs- und Verteilungsrechnung, ermitteln. Die Daten werden in Deutschland vierteljährlich vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht. Bereits Mitte Januar eines |8|Jahres liegen die vorläufigen Daten für das gesamte Vorjahr vor. Damit ist das Statistische Bundesamt eines der ‚schnellsten‘ Statistikämter weltweit. Hinzu kommt, dass die Qualität der Daten hoch ist. Es gibt im Nachhinein häufig nur marginale Anpassungen.

      Bei der Entstehungsrechnung wird der Wert der Güter und Dienstleistungen addiert, die in den verschiedenen Sektoren produziert werden. Dabei hat in Deutschland die Wertschöpfung des primären, land- und forstwirtschaftlichen Sektors etwa einen Anteil von 1 Prozent am gesamten BIP. Das produzierende Gewerbe macht etwa 26 Prozent aus, das Baugewerbe 4 Prozent, Handel, Verkehr und Gastgewerbe haben einen Anteil von rund 47 Prozent und die sonstigen Dienstleistungen ca. 22 Prozent.

      Zum gleichen Gesamtergebnis muss die Verwendungsrechnung kommen. In der Verwendungsrechnung werden der Konsum CH der privaten Haushalte (~60 Prozent des BIP), der Staatskonsum CG (~20 Prozent), die Investitionen I (~14 Prozent) sowie der Export abzüglich des Importes (~6 Prozent) addiert.

      BIP = CH + CG + I + (Ex – Im)

      In der Verteilungsrechnung wird geschaut, wem welche Einkünfte zugeflossen sind. Neben den Arbeitnehmerentgelten (ANE) sind dies die Unternehmens- und Vermögenseinkünfte (UVE). ANE und UVE entsprechen zusammen dem sogenannten Volkseinkommen. Addieren wir zum Volkseinkommen die Subventionen, d.h. die Transfers des Staates an den Unternehmenssektor, und ziehen die auf die Güter erhobenen Steuern ab, dann erhalten wir das Nettonationaleinkommen zu Marktpreisen. Um das Bruttonationaleinkommen zu berechnen, sind die Abschreibungen, d.h. der Werteverzehr der Anlagegüter der Volkswirtschaft, in Abzug zu bringen. Zu diesem Bruttonationaleinkommen addieren wir die Einkommen der Inländer, die im Ausland gearbeitet haben, und wir ziehen die Einkommen ab, die Ausländer im Inland erwirtschaftet haben. Wir erhalten das Bruttoinlandseinkommen, das BIP. Es geht bei der Verteilungsrechnung demnach um die Verteilung der Einkünfte auf die verschiedenen Produktionsfaktoren.

      Wie wird das Bruttoinlandsprodukt in der Praxis berechnet? Die schnellste Variante ist die Berechnung über die Verwendungsrechnung, da bei den Finanzämtern laufend Daten zu den Einnahmen aus der Mehrwertsteuer (19 Prozent bzw. 7 Prozent anteilig vom Verkaufspreis von Gütern- und Dienstleistungen) eingehen. Die Finanzämter geben die Daten weiter an die statistischen Landesämter und diese an das Statistische Bundesamt. Dieses berechnet die entsprechenden Größen, aus denen sich das BIP zusammensetzt. Auf der europäischen Ebene übernimmt Eurostat, die Europäische Statistikbehörde, die Aufgabe der Sammlung der Daten von den Mitgliedsstaaten und der Bereitstellung der Zahlen für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Vereinten Nationen, die Weltbank, der Internationale Währungsfonds und andere supranationale Organisationen stellen Daten für alle Länder bereit, soweit sie verfügbar sind.

      Um tatsächlich zeigen zu können, ob die Güter- und