Jochen Hamatschek

Lebensmittelmanagement


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– man stolpert täglich über neue Kreationen. Alles im Leben scheint Management zu sein und aus jeder handelnden Person wird demzufolge ein Manager. Der Automobilist fabuliert von Motor-, der Oenologe von Alkohol- oder Säuremanagement, der Personalchef vom Diversity Management, der Landtierarzt verdient gut als Abferkelmanager, der Katastrophentheoretiker betreibt Endzeitmanagement, ein Hausmeister nennt sich Facility Manager, der Verkäufer Vertriebsmanager, der Ökologe Nachhaltigkeitsmanager, der Coach Karrieremanager, den Milchbauern gibt es heute ohne Herdenmanagement fast nicht mehr und dazwischen tummeln sich munter Hotel-, IT-, Event-, Portfolio-, Fonds-, Ideen- oder Finanzmanager. Für schwierige Situationen gibt es Krisenmanager, die sich ihrerseits mühsam in Selbstmanagement geschult haben und sich auf ein ausgefuchstes Qualitätsmanagement stützen. Viele Firmen haben ein aufwendiges Compliance Management installiert, an das sich die Feld-, Wald- und Wiesenmanager für Produkte oder Projekte halten müssen, wenn sie vom Einkaufsmanager des Kunden im Rahmen seines Supply-Chain-Managements angegangen werden. Und alle sind sie bemüht, dem Top Management zu gefallen, um möglichst bald mindestens in das Mittelmanagement aufzusteigen.

      Mitten in diesem Reigen steht der Begriff Lebensmittelmanagement. Eine vergleichsweise junge Wortschöpfung im wohl ältesten Bereich menschlichen Handelns. Hätten unsere Vorfahren zu einem beliebigen Zeitpunkt aufgehört, Lebensmittel zu sich zu nehmen, gäbe es uns heute nicht. Da sie das nie getan haben, erwachen inzwischen jeden Morgen sieben Milliarden Esser weltweit und verspüren Hunger (7,11 Mrd. nach http://www.umrechnung.org, Stand 11.2.2013). Jährlich kommen 80 Millionen dazu. Alle Erdbewohner satt zu bekommen, ohne die Ressourcen der Erde unwiederbringlich zu vernichten, ist eine wahrhaft herkulische Managementaufgabe. Ein Begriff wie Management verliert sich in Beliebigkeit, wenn er nicht präzise definiert und abgegrenzt wird. Das vorliegende Buch orientiert sich am Begriffsverständnis, wie es im Merksatz festgehalten ist.

      Merksatz

      Management ist die Lehre von der Führung von Organisationen. Sie umfasst die Gestaltung, Steuerung und Entwicklung zweckorientierter sozialer Systeme durch Planung, Organisation, Durchsetzung und Kontrolle der Prozesse.

      Die Lebensmittelwirtschaft befindet sich im Umbruch. Das vielfach noch ausgeprägte handwerkliche Denken wird aufgrund der Markterfordernisse immer schneller von Ansprüchen abgelöst, die eine akademische Ausbildung notwendig machen. Dadurch entsteht ein großer Bedarf an Managern zur Lösung von immer komplexer werdenden Aufgaben. Ein dynamisches Marktgeschehen definiert kontinuierlich neue Schwerpunkte, auf deren Herausforderungen ein Manager in der Lebensmittelwirtschaft zu reagieren hat. So rückte aufgrund gestiegener Sensibilität bei den Kundenerwartungen in den letzten Jahren das Fach Ökologie in den Vordergrund. Unternehmen werden verstärkt dazu angehalten, ihren ökologischen Fußabdruck zu optimieren. Aus der Richtung des Gesetzgebers, aber auch der Gesellschaft, werden nach diversen Wirtschaftsskandalen die Forderungen nach Regeln für eine ehrbare Unternehmensführung, einer Corporate Governance, immer lauter. Firmen werden so genötigt, sich ethische Spielregeln zu verordnen und deren Einhaltung zu dokumentieren. Die komplexer werdende Welt erfordert zudem immer komplexere Vertragswerke – ohne juristischen Sachverstand können sie zu einem unkalkulierbaren Firmenrisiko werden. Management steht nicht zuletzt für lebenslanges Lernen und Anpassen an neue Situationen. Überleben werden jene Firmen und Personen, deren Anpassungsgeschwindigkeit mit der Veränderungsgeschwindigkeit mindestens mithält.

      Merksatz

      Managementwissen ist Branchen übergreifend und abzugrenzen vom Fachwissen. Es umfasst die gesamte Breite eines sozialen Systems (Personal, Organisation, Innovation) sowie ein hohes Maß an Wissen über die Gesellschaft.

      Das Thema Management füllt ganze Bibliotheken. Das Spektrum der Fachliteratur reicht von der allgemeinen Managementtheorie, dem Management als Kunst der Führung, dem Management als Unternehmenssteuerung durch Kennzahlen über mehr handwerklich-praktische Themen (z. B. Risiko-, Portfolio- oder Produktmanagement) bis hin zur ethischen Verantwortung eines Managers.

      Dieses vorliegende Werk verzichtet weitgehend auf eine Darstellung von Themen, die traditionell in den Fachgebieten Betriebswirtschaft oder Marketing zu Hause sind und dort erschöpfend behandelt werden. Deren Inhalte zählen zu den Hard Skills, zu ureigenem Hochschulwissen. Die Schwerpunkte des Buches sind folgende:

       das sich aus seiner Vergangenheit ergebende Bild des Menschen, das Reaktionen und Verhaltensweisen im Leben und im Markt verständlich macht

       die deutsche Lebensmittelwirtschaft als potenzieller Arbeitgeber für Absolventen von Lebensmittel-Studiengängen wird ausführlich vorgestellt

       der ethische Überbau als Leitfaden des eigenen Handelns wird mit der Absicherung gegen Risiken aller Art zu einer Art Immunsystem des Unternehmens verknüpft

       als wichtige Kostentreiber im Unternehmen werden Einkauf, Vertrieb, Innovation, Produkt- und Projektmanagement behandelt und mögliche Effizienzsteigerungen angesprochen

       das Veränderungsmanagement, das für die Zukunftsgestaltung des Unternehmens eine entscheidende Rolle spielt

      Die Idee des Buches und der Rahmen, in dem sich die Kapitel bewegen, lässt sich wie folgt beschreiben: Der Manager – mit seiner Persönlichkeit, seinem Menschenbild, seiner ethischen Einstellung – wird in seinem Lebensraum (Markt, Firma, Abteilung) täglich vom Wettbewerb bedrängt, ist ständig internen und externen Risiken ausgesetzt und ist letztlich einer einzigen Konstante unterworfen: dem kontinuierlichen Wandel. Um definierte Ziele zu erreichen, stehen ihm Soft Skills wie Kommunikationsfähigkeit, Präsentationsgeschick, Sprachkenntnisse oder seine Ausstrahlung zur Verfügung. Dazu beherrscht er das Handwerk des Managers, er verfügt zudem über die erforderliche Methodenkenntnis.

      Ein Buch über das Managen von Unternehmen kann aus interner oder externer Sicht geschrieben werden, der Blickwinkel ist dabei jeweils ein gänzlich anderer. Die sogenannte intrinsische Betrachtung konzentriert sich auf den Organismus und seine Funktionen, auf die Spielregeln und Gesetzmäßigkeiten nach denen er arbeitet: Welche Organisationsstruktur liegt ihm zugrunde, welche Maßnahmen gegen Gefahren von innen und außen sind als Immunsystem implementiert, nach welchen Mechanismen sind die Abläufe strukturiert und welches Handwerkszeug steht den Mitarbeitern zur Verfügung, um ihren Job zu erledigen. Dieser Blickwinkel hat etwas vom Igel, der seine Stacheln nach außen stellt. Es handelt sich dabei auch ein Stück weit um eine Nabelschau, die sich im Extremfall auf die Beschäftigung mit sich selbst reduziert und bei der der Kunde zum Störfall werden kann. Bei Kaufleuten und Technikern gleichermaßen ist diese Betrachtungsweise nichts Ungewöhnliches.

      Der Blick von außen, die extrinsische Betrachtung, beschäftigt sich dagegen mit allem, was auf das Unternehmen und seine Handelnden einströmt. Marketing- und Vertriebsmitarbeiter stehen dieser Betrachtung näher. Die Gesellschaft, der Gesetzgeber, vor allem aber die Kunden, das kulturelle Umfeld, NGOs, die Wettbewerber und Partner – alle hinterlassen Spuren. Das Unternehmen muss sich auf die Herausforderungen der äußeren Welt einstellen und das Verhalten ihrer Akteure frühzeitig kennen. Die Kunden bringen den Umsatz, der Wettbewerb versucht ihn zu verhindern, der Gesetzgeber steckt den Rahmen ab, innerhalb dessen der Manager sich bewegen kann. Die beiden Blickwinkel sind letztlich die zwei Seiten einer Medaille. Ein Manager muss beide gleichrangig betrachten, wo hingegen ein Fachmann sich schwerpunktmäßig auf eine konzentrieren kann (siehe Abbildung 1.1).

      Abb. 1.1 Interner und externer Blick auf das Management eines Unternehmens

      Diesem Buch liegen über 30 Jahre als Manager in der Industrie und als Lehrer an einer Hochschule zugrunde, auf diese Weise fließt die Erfahrung beider Welten mit ein. Zur spannendsten Zeit gehörten die knapp zehn Berufsjahre als Geschäftsführer eines Konzern-Teilunternehmens. Als aufrechter Lebensmitteltechnologe, der im Studium das Wort Vertrieb nur mit Verachtung in den Mund zu nehmen gelernt hat und sich unter Controlling überhaupt nichts vorstellen konnte, musste ich realisieren, dass die Methoden des Managements in allen Lebensbereichen