Die Unternehmensstruktur als Handlungsrahmen
Die Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft haben unabhängig von ihrer Größe oder Ausrichtung das wirtschaftliche Ziel, ein bestimmtes Produkt zu erzeugen und erfolgreich am Markt zu platzieren. In der betrieblichen Praxis strömt eine riesige Menge an Waren und Dienstleistungen in die Produktionsstätte, die zur Erstellung der betrieblichen Leistung benötigt wird. Jedes Unternehmen muss sich bestmöglich organisieren und die nötigen Fakultäten vorhalten, sodass ein Output mit optimalem Wirkungsgrad möglich ist. In Abbildung 2.5 wird der grundsätzlich erforderliche Input den zur Verarbeitung und Vermarktung nötigen Fach- und Managementabteilungen gegenübergestellt.
Ein Unternehmen kann als Organismus beschrieben werden, der zahlreiche Organe benötigt, um die angestrebten Ergebnisse zu erzielen. Ein biologischer Organismus hat das Ziel, sich zu vermehren, ein Unternehmen hingegen will profitabel wachsen. Wie die Organe in einem betrieblichen Organismus angeordnet werden können, wird in Kapitel 6 beschrieben. Die wichtigsten Managementaufgaben bestehen in der reibungsfreien Verzahnung der Abteilungen, in ihrer Zusammenarbeit ohne überflüssige interne Mauern und in der Vorgabe von Zielen, die in der Organisation kommuniziert und akzeptiert werden müssen. Das Management eines Unternehmens ist mit dem menschlichen Gehirn gleichzusetzen, das alle Messwerte der Körperorgane ständig überprüft und bei Abweichungen sofort Gegenmaßnahmen einleitet. Beim Menschen ist das angestrebte und einzuhaltende Ziel die Homöostase, beim Unternehmen die Übereinstimmung mit dem Plan. Entsprechend der Leistung des Gehirns, das bei drohenden Überlastungen des Körpers eingreift und ganze Organe blockiert, hat die Unternehmensleitung in Gefahrensituationen im Sinne des Ganzen zu reagieren.
Abb. 2.5 Ein Produktionsunternehmen als Organismus, der viele Produkte oder Dienstleistungen von außen aufnimmt und nach entsprechender Veredelung abgibt
2.5 Die Wertschöpfungskette als zentrale Managementaufgabe
Letztendlich lebt jedes Unternehmen vom Verkauf seiner Produkte. Das können verzehrfähige Lebensmittel, aber auch Roh-, Hilfs- oder Zusatzstoffe sein, gleichfalls Beratungsdienstleistungen oder jede Art von Laborarbeiten. Allen gemeinsam ist, dass sie vor einer Vermarktung entwickelt und produziert werden müssen. Diese Phasen sind auch bei Dienstleistungen erkennbar – statt der Entstehung in einer Fabrikhalle durchlaufen sie einen eher geistigen Reifeprozess bis hin zum fertigen Produkt. Abbildung 2.6 verbindet die drei grundlegenden Phasen der Wertschöpfungskette, also Produktentwicklung, -erstellung und -vermarktung, auf der Zeitachse mit Managementaufgaben, die entlang der Kette abgearbeitet werden müssen und einen erheblichen Teil der Firmenkapazität abgreifen. Die Wertschöpfungskette ist in die Gesamtstruktur des Unternehmens oder Handwerksbetriebes eingebettet, dessen Organisation die notwendigen Fachbereiche selbst vorhält oder von außen zukauft. Compliance Management und Ethik schaffen einen Überbau und definieren erlaubtes bzw. verbotenes Handeln im Unternehmen generell und entlang des Prozesses. Die Grafik verdeutlicht, dass die einzelnen Fachbereiche unterschiedlich lang benötigt werden und ihre Verantwortlichen immer das Ganze im Auge behalten müssen.
Abb. 2.6 Die drei Phasen der Wertschöpfungskette und die auf der Zeitachse benötigten Managementleistungen
Das Controlling begleitet den gesamten Prozess vom Beginn der Entwicklung (z. B. durch F+E-Controlling, Einkaufscontrolling, Personalcontrolling) über die Produkterstellung (Produktionscontrolling, Einkaufscontrolling, Personalcontrolling) bis zum Vertriebscontrolling mit eingeschlossenem Produktcontrolling. Die zentrale Aufgabe des Controllings ist der ständige Soll-Ist-Vergleich, der bei Abweichungen vom Plan zu Gegenreaktionen führen muss.
Die Methoden des Innovationsmanagements werden bereits vor dem eigentlichen Entwicklungsprozess zur Ideenfindung, zur Bewertung von anderen existierenden Projekten in der Pipeline, zur Verwendung von Marketingerkenntnissen für die Entscheidungsfindung und für Vieles mehr eingesetzt (siehe Kapitel 10). Bereits in einem möglichst frühen Stadium der Entwicklung sind der Einkauf, der Vertrieb (beide siehe Kapitel 7), die Produktion, der Qualitätsverantwortliche, die Personalabteilung sowie das Marketing einzubinden. Alle Abteilungen sind auf diese Weise Teil eines Getriebes, bei dem die Zahnräder passgenau ineinandergreifen, um sich entlang der Kette vorwärtszubewegen. Die hohe Kunst des Managements besteht darin, die Betroffenen zur rechten Zeit zusammenzuführen, um den Wirkungsgrad zu optimieren. Vielfach wird dazu eine eigene Produkt- oder Projektmanagementstruktur geschaffen oder aktives Ressourcenmanagement betrieben, um die spezifische Verantwortung zu bündeln.
Die drei Phasen des Wertschöpfungsprozesses ihrerseits lassen sich je nach Situation weiter untergliedern. So gehören zur Produktentwicklung beispielsweise eine strukturierte Ideenfindung, Forschungsarbeiten im Labor, Basisentwicklungen im Technikum sowie erste Gehversuche in einer Pilotanlage. Der Produktionsprozess beinhaltet mindestens die eigentliche Produktion und die Verpackung. Die Vermarktung stützt sich u. a. auf ein spezifisches Produktmarketing, juristische Elemente der Vertragsgestaltung und den Vertriebsprozess selbst.
2.6 Managementmodelle
Jedes Unternehmen besitzt eine spezifische Form der Organisation und des Umgangs der Menschen untereinander. Diese Eigenheiten eines Unternehmens schlagen sich u. a. aber auch in der Härte der Zielverfolgung, in der Fehlertoleranz, der Bedeutung von Innovationen, im Grad der individuellen Freiheit, im Ausmaß der Verantwortungsdelegation, im Entlohnungssystem und Führungsstil, im Selbstverständnis, im Glauben an Kennzahlen sowie in der Wertschätzung aller Stakeholder – nicht nur der Shareholder – nieder. Die Summe all dieser Eigenschaften bestimmt letztlich die sogenannte Firmenkultur. Weil dieser oft nicht expressis verbis ausformulierte Begriff alle Unternehmensbereiche, vor allem die mit direktem Einfluss auf Menschen, umfasst, ist er nur schwierig zu verändern. In vielen Unternehmen ist man sich nicht einmal richtig bewusst, eine Firmenkultur zu besitzen. Sie hat sich in der Haltung der Beschäftigten festgesetzt. Änderungen werden mit Unmut registriert, häufig offen oder verdeckt bekämpft. Fusionen, auch wenn sie wirtschaftlich und unter Marktaspekten richtig sind, scheitern nicht selten an inkompatiblen Firmenkulturen.
Die Unternehmenskultur zeigt sich nicht zuletzt darin, wie Produktentscheidungen getroffen werden. Welches Produkt kommt neu in die Innovationspipeline? Welche Merkmalsausprägungen eines Produktes sind für den Markt richtig, was ist also gut für den Kunden? Diese Fragen können top-down oder bottom-up entschieden werden. Unternehmen, die eher technik- oder produktorientiert „denken“, neigen dazu, die Entwickler oder Konstrukteure aufgrund ihres Wissens um die Produkte entscheiden zu lassen, welche Innovationen bzw. Erzeugnisse die nächsten sind, die der Vertrieb am Markt platzieren soll (bottom-up). Einfluss und Mitspracherecht der am Markt beteiligten Personen sind begrenzt, ihre Sinnesorgane (z. B. Augen und Ohren), mit denen sie die Bedürfnisse von Kunden erfassen, werden nicht oder kaum eingesetzt. Dieser Unternehmensstil war in der Vergangenheit die Domäne charismatischer Unternehmerpersönlichkeiten, die es nach dem Zweiten Weltkrieg nicht selten gab und die in traditionellen Handwerksunternehmen (insbesondere im Weinbau) noch immer zu finden sind. Nach und nach wurde dieser Stil abgelöst und mehr oder weniger auf den Kopf gestellt. Zu den Aufgaben von Vertrieb und Marketing gehört es mittlerweile, Marktbedürfnisse frühzeitig aufzuspüren und top-down mit den Sparten Entwicklung und Produktion zu kommunizieren. Im Idealfall entwickelt sich daraus ein fruchtbarer Prozess, der Wünsche mit Machbarem in Einklang bringt. So hat beispielsweise die Weinbranche gelernt, wechselnde Trends der Kunden nach leichteren oder kräftigeren, nach frischen oder gereiften Weinen durch zielführende Arbeit in Weinberg und Keller zu befriedigen. Unabdingbare Voraussetzung hierfür war und ist es, die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden rechtzeitig zu kennen.
Ein wichtiges Element einer Firmenkultur ist das grundlegende Modell, nach dem die soziale Organisation „Firma“ geführt werden soll. In den meisten Fällen wurde auch dieses Modell nicht