auch eine kompilatorische Arbeit kann lange dauern und anstrengend sein (es gibt kompilatorische Arbeiten, die viele Jahre in Anspruch genommen haben), aber normalerweise kann sie in kürzerer Zeit fertiggestellt werden und birgt ein geringeres Risiko in sich.
Es ist auch keineswegs gesagt, daß man sich mit einer kompilatorischen Arbeit die Forschungslaufbahn verbaut. Das Zusammentragen von Material kann darin seinen Grund haben, daß sich der junge Forscher vor Beginn der eigentlichen Forschungsarbeit über einige Gedanken durch umfassende Dokumentation Klarheit verschaffen will.
Andererseits gibt es Abschlußarbeiten, die mit dem Anspruch auftreten, Forschungsarbeiten zu sein, die aber schnell heruntergeschrieben sind. Dabei handelt es sich um schlechte Arbeiten, die denjenigen verärgern, der sie liest und die dem, der sie schreibt, überhaupt nicht von Nutzen sind.
Die Wahl zwischen einer Forschungsarbeit und einer kompilatorischen Arbeit hängt also von der Reife und von der Arbeitskraft des Kandidaten ab. Oft – und unglücklicherweise – hängt sie auch von den finanziellen Umständen ab, weil sicher ein Student, der nebenbei arbeiten muß, weniger Zeit, weniger Kraft und oft auch weniger Geld für langwierige Untersuchungen hat (die häufig mit dem Erwerb seltener und teuerer Bücher [10] verbunden sind, mit Reisen zu ausländischen Forschungsstätten oder Bibliotheken etc.).
Leider kann dieses Buch keine wirtschaftlichen Ratschläge geben. Bis vor kurzem war es in aller Welt ein Privileg der reichen Studenten zu forschen. Man kann auch nicht behaupten, daß dieses Problem heute durch Stipendien, Reisebeihilfen, Mittel für den Aufenthalt an ausländischen Universitäten für alle ganz gelöst wäre. Das Ideal wäre eine gerechtere Gesellschaft, in der Studieren als vom Staat bezahlte Arbeit angesehen würde, in der eine Bezahlung erhielte, wer zum Studium berufen ist und in der es nicht notwendig wäre, um jeden Preis ein »Stück Papier« zu erwerben, um einen Arbeitsplatz zu finden, um befördert zu werden, um bei einer öffentlichen Stellenausschreibung gegenüber anderen erfolgreicher zu sein.
Aber die italienische Universität und die Gesellschaft, für die sie steht, sind so wie sie sind. Wir können uns nur wünschen, daß Studenten jedweder Gesellschaftsschicht sie ohne übergroße Opfer besuchen können, und wir wollen im folgenden versuchen darzulegen, wie man – unter Berücksichtigung der verfügbaren Zeit und Energie sowie der eigenen Berufung – eine anständige Abschlußarbeit schreiben kann.
I.2. Für wen dieses Buch von Interesse ist
Wenn die Dinge so stehen, müssen wir davon ausgehen, daß viele Studenten gezwungen sind, eine Abschlußarbeit zu schreiben, um möglichst schnell mit dem Studium fertig zu werden und den Titel zu erwerben, der dem berufstätigen Studenten aufgrund des Hochschulabschlusses das Vorwärtskommen ermöglicht. Einige dieser Studenten sind vielleicht schon vierzig. Gerade solche Studenten erwarten von uns praktische Ratschläge, wie man eine Abschlußarbeit in einem Monat schreibt, um die Universität hinter sich zu bringen, gleichgültig mit welcher Note. Für sie ist, um es nachdrücklich klarzustellen, dieses Buch nicht bestimmt. Wer solche Ansprüche stellt, wen die geltende [11] paradoxe Rechtslage zwingt, eine schwierige wirtschaftliche Lage dadurch zu lösen, daß er die Universität so schnell wie möglich abschließt, für den bieten sich zwei Lösungen an: 1. Eine vernünftige Summe investieren und sich die Arbeit von einem anderen schreiben lassen. 2. Eine an einer anderen Universität schon einige Jahre früher geschriebene Arbeit abschreiben (es ist unzweckmäßig, eine schon gedruckte Arbeit, auch wenn sie aus dem Ausland stammt, zu nehmen, weil ein auch nur einigermaßen informierter Dozent von ihrer Existenz weiß; aber in Mailand eine Arbeit abzuschreiben, die in Catania angefertigt wurde, bietet die begründete Chance, daß man unentdeckt bleibt; natürlich muß man sich darüber informieren, ob der Doktorvater nicht, bevor er nach Mailand kam, in Catania als Dozent tätig war. Auch das Abschreiben einer Arbeit setzt also Forschungsarbeit voraus, die Intelligenz verlangt).
Es versteht sich, daß die soeben gegebenen Ratschläge rechtswidrig sind. Es ist, als würde man sagen: »Wenn Du verletzt zur Notaufnahme kommst und der Arzt dich nicht untersuchen will, so setze ihm das Messer an den Hals.« In beiden Fällen handelt es sich um Verzweiflungstaten. Unser Rat wurde gegeben, um die Ausweglosigkeit der Situation klarzumachen und zu bekräftigen, daß das Buch nicht den Anspruch erhebt, die schwierigen sozialen Probleme zu lösen, die die gegenwärtige Rechtsordnung mit sich bringt.
Dieses Buch wendet sich also an Studenten, die (auch ohne Millionär zu sein und ohne 10 Jahre Zeit für den Abschluß zu haben und dafür in der ganzen Welt herumzureisen) einige Stunden am Tag ihren Studien widmen können und die eine Abschlußarbeit machen wollen, die ihnen eine gewisse geistige Befriedigung gibt und die ihnen auch nach dem Universitätsabschluß Nutzen bringt. Und die im Rahmen des gesteckten Zieles – mag es auch bescheiden sein – ernsthafte Arbeit leisten wollen. Man kann auch eine Sammlung von Einklebe-Bildchen ernsthaft angehen: Man muß nur den Gegenstand der Sammlung festlegen, die Grundsätze für die Katalogisierung, die zeitliche Begrenzung der Sammlung. Wenn man sich dafür entscheidet, [12] nicht weiter als bis 1960 zurückzugehen: bestens, vorausgesetzt, daß alle Bilder seit 1960 vorhanden sind. Diese Sammlung wird sich immer noch vom Louvre unterscheiden. Aber es ist besser, eine Sammlung von Fußballer-Bildchen von 1960 bis 1970 zu machen als ein unseriöses Museum. Dieser Grundsatz gilt auch für die Abschlußarbeit.
I.3. Was eine Abschlußarbeit auch nach dem Universitätsabschluß nützt
Es gibt zwei verschiedene Arten, eine Abschlußarbeit so zu schreiben, daß sie auch nach dem Universitätsabschluß noch Nutzen bringt. Die erste besteht darin, daß man die Arbeit zur Grundlage für breiter angelegte Forschungen macht, die man in den folgenden Jahren fortsetzt – wozu man natürlich die Möglichkeit und die Lust haben muß. Aber es gibt auch eine zweite Möglichkeit, bei der (beispielsweise) ein örtlicher Fremdenverkehrsdirektor von der Tatsache profitiert, daß er eine Arbeit über das Thema »Manzonis Fermo e Lucia* in der zeitgenössischen Kritik« geschrieben hat. Eine Abschlußarbeit schreiben bedeutet ja: 1. ein bestimmtes, klar umrissenes Thema ausfindig machen; 2. Material zu diesem Thema sammeln; 3. dieses Material ordnen; 4. das Thema unter Berücksichtigung des gesammelten Materials überprüfen; 5. alle diese Überlegungen in einen Zusammenhang bringen; 6. alles dies in einer Weise tun, daß derjenige, der das Ergebnis liest, verstehen kann, was man sagen wollte, und bei Bedarf auf das gleiche Material zurückgreifen könnte, wenn er selbst über das Thema forschen wollte.
Eine solche Arbeit schreiben bedeutet also zu lernen, in die eigenen Gedanken Ordnung zu bringen und Angaben zu ordnen: es ist das Erfahren der methodischen Arbeit; d. h. es geht darum, einen »Gegenstand« zu erarbeiten, der im Prinzip auch für andere nützlich sein kann. Und darum ist das Thema der Arbeit weniger wichtig als die Erfahrung, die sie mit sich bringt. Wer [13] das Material zur Kritik an Manzonis Roman erarbeiten konnte, dem wird es auch möglich sein, sich methodisch Angaben zu erarbeiten, die er für das Fremdenverkehrsamt braucht.
Der Verfasser dieses Buches hat inzwischen an die zehn Bücher zu unterschiedlichen Themen geschrieben, aber wenn ihm die letzten neun gelungen sind, so deshalb, weil er die Erfahrung mit dem ersten einsetzen konnte, das eine Überarbeitung seiner Abschlußarbeit war. Ohne diese erste Arbeit hätte ich die anderen nicht schreiben können, und den anderen merkt man, im Guten wie im Schlechten, die Art und Weise, wie die erste gemacht wurde, noch an. Vielleicht wird man mit der Zeit gewiefter, vielleicht weiß man mehr, aber die Art und Weise, wie man sein Wissen verarbeitet, hängt immer davon ab, wie man am Anfang vieles, was man nicht wußte, sich erarbeitet hat.
Schließlich heißt eine solche Arbeit schreiben sein Gedächtnis trainieren. Wenn man im Alter ein gutes Gedächtnis hat, dann hat man es seit frühester Jugend trainiert. Und es ist gleichgültig, ob man es durch Auswendiglernen der Aufstellung aller Vereine der Bundesliga, der Gedichte von Carducci* oder der römischen Kaiser von Augustus bis Romulus Augustulus trainiert hat. Gewiß, wenn man schon das Gedächtnis trainiert, ist es besser, etwas zu lernen, was einen interessiert oder was man brauchen kann. Aber manchmal ist es auch eine gute Übung, etwas Unnützes zu lernen. Und darum ist auch – mag es auch besser sein, eine Arbeit zu einem Thema zu schreiben, das uns interessiert – das Thema zweitrangig im Verhältnis zur Arbeitsmethode und