aber beide Sakramente durch ihre Christuszentriertheit und ihren soteriologischen Anspruch erheblich von jüdischen Reinigungs- und Mahlpraktiken. Zudem wurden Taufe und Herrenmahl schon sehr früh außerhalb Palästinas und losgelöst von jüdischen Kontexten in den Gemeinden Syriens, Kleinasiens und Griechenlands gefeiert, d.h. sie waren auf identitätstheoretischer Ebene die Katalysatoren eines trans-ethnischen Bewusstseins und förderten so entscheidend den Prozess einer eigenständigen Bewegung der Christusgläubigen.
LUKE TIMOTHY JOHNSON, The Literary Function of Possessions in Luke-Acts, SBLDS 39, Missoula 1977. – HANS-JOSEF KLAUCK, Gütergemeinschaft in der klassischen Antike, in Qumran und im Neuen Testament, in: ders., Gemeinde – Amt – Sakrament, Würzburg 1989, 69–100. – GERD THEISSEN, Urchristlicher Liebeskommunismus, in: Texts and Contexts (FS L. Hartman), hg. v. Tornd Fornberg/David Hellholm, Oslo 1995, 689–712. – FRIEDRICH WILHELM HORN, Die Gütergemeinschaft der Urgemeinde, EvTh 58 (1998), 370–383.
Lukas schildert die Anfangszeit der Jerusalemer Gemeinde als Epoche der Einheit: Einheit im Gebet und in der Lehre (vgl. Apg 2,42), in der Eucharistie und im Handeln. Auch die Darstellungen der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb der Gemeinde stehen unter dem Motiv der Einheit, was vor allem durch die Summarien Apg 2,42–46; 4,32–35 nachdrücklich unterstrichen wird. Die Christusgläubigen in Jerusalem bildeten eine freiwillige Liebesgemeinschaft, indem sie auf den Besitz zugunsten Notleidender verzichteten (Apg 2,45; 4,34) und das Privateigentum gemeinschaftlich nutzten (Apg 4,32: „Die Menge der Gläubigen aber war ein Herz und eine Seele, und keiner nannte etwas von dem, was er besaß, sein eigen, sondern sie hatten alles gemeinsam“). In Apg 2,45 heißt es über die Rolle der Apostel beim Verkauf und der Verteilung der Güter: „Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie unter alle aus, je nachdem wie es einer nötig hatte.“ Weitere Differenzierungen erfolgen im zweiten Summarium; wie zuvor in Apg 2,44 wird das antike Freundschaftsmotiv des
Aporien
Die gedanklichen Aporien dieser Form von – vom antiken Freundschaftsideal geprägten – Summarien sind offenkundig123: 1) Wirtschaftlich ist das Verhalten der Jerusalemer Gemeinde unsinnig, denn durch den Verkauf ihres Besitzes verlieren sie ihre wirtschaftliche und soziale Existenzgrundlage. 2) Wenn Lukas betont, dass sich die Gemeinde täglich zum Brotbrechen in den Häusern traf (Apg 2,46), so setzt dies voraus, dass nach wie vor Christusgläubige Hausbesitzer waren. Sie stellten ihre Wohnhäuser zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung (vgl. Apg. 12,12f). 3) Wenn die begüterten Mitglieder der Gemeinde ihren Besitz verkaufen und den Erlös den Aposteln zu Füßen legen, könnte man erwarten, dass alle Mitglieder der Gemeinde aus diesem Kapital gleichmäßig versorgt werden. Wir hören aber, dass der Erlös nach Bedürftigkeit zur Verteilung kam (vgl. Apg 2,45; 4,35). Es gab also auch nach diesen Verkaufs- und Schenkungsaktionen weiterhin Bedürftige, andere waren offenbar nicht auf Unterstützung angewiesen. Zudem bestätigen der Konflikt um die Witwenversorgung (Apg 6,1) und die Kollekte für „die Armen unter den Heiligen“ (Röm 15,26) anhaltende soziale bzw. wirtschaftliche Probleme in der Gemeinde. 4) Nach Apg 4,32 gab es in der Gemeinde nach wie vor Besitzende, die aber die Nutzung ihres Eigentums allen ermöglichten. Sie pochten nicht auf Eigentum, sondern stellten es zur Verfügung, aber nicht so, dass sie es verkauften, sondern sie ließen andere daran partizipieren. 5) Das von Lukas geschilderte Bild der Jerusalemer Gemeinde ist in einem weiteren Punkt widersprüchlich: Die Geschichte von Ananias und Saphira in Apg 5,1–11 setzt voraus, dass nicht alle ‚alles gemeinsam‘ hatten und dies auch nicht erwartet wurde. 6) In den paulinischen Gemeinden wird ganz selbstverständlich Privatbesitz vorausgesetzt; sollte es die Gütergemeinschaft in Jerusalem in der beschriebenen Weise je gegeben haben, so hätte sie keine Nachfolger gefunden.
Aus diesen Beobachtungen lässt sich nun der Schluss ziehen, dass Lukas Einzelfälle von Besitzverkauf zugunsten der Jerusalemer Gemeinde verallgemeinert hat. Darauf weist insbesondere die Erwähnung des Barnabas in Apg 4,36f hin, denn sie wäre nicht sinnvoll, wenn Barnabas nur das getan hätte, was ohnehin alle taten. Wahrscheinlich wurden die Erlöse vereinzelter Haus- oder Grundstücksverkäufe von den Aposteln in der Gemeinde je nach Bedürftigkeit verteilt.
Antike Gesellschaftsutopien
Lukas nimmt mit der Gütergemeinschaft einen zentralen Topos antiker Staats- und Gesellschaftsutopien auf124. Er könnte auf Pythagoras zurückgehen, vom dem Iamblichus, De Vita Pythagorica 167f, überliefert: „Ursprung der Gerechtigkeit ist nun Gemeinschaft, gleiches Recht und eine Verbundenheit, in der alle ganz wie ein einziger Leib und eine einzige Seele dasselbe empfinden und mein und dein gleich bezeichnen … Gemeinsam gehörte allen alles ohne Unterschied, privat besaß keiner etwas. Fand einer an der Gemeinschaft Gefallen, so gebrauchte er die gemeinsamen Güter aufs Gerechteste; andernfalls nahm er seine eigene Habe und noch mehr als er zum gemeinsamen Besitz beigesteuert hatte und ging von dannen“ (vgl. ferner Diog L 8,23: „…von Privateigentum halte man gar nichts!“). Bereits für den Idealstaat Platons gilt, dass ‚Freunden alles gemeinsam sein soll‘ (Politeia 424A, 449C) und Privatbesitz zu vermeiden ist (Politeia 416D, 464D, 543B). Aristoteles, Ethica Nicomachia VIII 11 (1159b), sagt über die Freundschaft: „Und soweit Gemeinschaft ist, soweit ist Freundschaft, denn soweit ist auch Recht. Und das Sprichwort: ‚Freundesgut, gemeinsam Gut‘ ist richtig. Denn Freundschaft setzt Gemeinschaft voraus.“ Auch Cicero, De officiis I 51, sieht in der gemeinsamen Nutzung des Besitzes ein Merkmal des idealen Staates: „Und es ist dies die am weitesten ausgreifende Gesellschaft der Menschen untereinander; die aller mit allen. In ihr ist die gemeinschaftliche Verfügung über alle Erzeugnisse, die die Natur zu gemeinschaftlicher Nutznießung durch die Menschen hervorgebracht hat, zu wahren …, wie es in einem Sprichwort der Griechen heißt: Es sei Freunden alles gemeinsam.“ Eine eindrucksvolle Parallele zu dem von Lukas geschilderten Gemeinschaftsleben der Jerusalemer Gemeinde findet sich bei den Essenern125. Die verheirateten Mitglieder der über ganz Israel verstreuten Essenersiedlungen verfügten über privaten Besitz und privates Vermögen (CD IX 14ff.22). Sie besaßen Häuser (CD XI 7–11) und Äcker und beschäftigten Sklaven und Tagelöhner (CD XI 12, XII 10). Wer in die Gemeinde aufgenommen wurde, musste Angaben über seine Vermögensverhältnisse machen, falsche Angaben wurden bestraft (CD XIV 20f). Die Mitglieder leisteten monatliche Zahlungen in eine Gemeinschaftskasse, die von einem Aufseher verwaltet wurde (CD XIV 12–16). Aus dieser Gemeinschaftskasse sollten Bedürftige unterstützt werden: „Davon soll man den Waisen geben, und davon soll man den Elenden und Armen unterstützen; und weiterhin für den Greis, der im Sterben liegt, und für den Mann, der heimatlos ist, und für denjenigen, der in ein fremdes Volk gefangen weggeführt wird, und für die Jungfrau, die keinen Löser hat.“ (CD XIV 14fl). Für Qumran als einem Zentrum der Essener galten radikalere Regeln. Wer dieser Gemeinschaft beitrat, musste seinen Besitz oder sein Vermögen in den Gemeinschaftsbesitz einbringen (IQS VI 19f). Die Verfügungsgewalt darüber lag dann bei den Priestern: „Nur die Söhne Aarons sollen in Bezug auf Rechtssprechung und Besitz herrschen, nach ihrer Weisung soll das Los fallen für jede Anordnung der Männer der Gemeinschaft und (für) den Besitz der Männer und der Heiligkeit, die in Vollkommenheit wandeln. Ihr Besitz soll nicht vereint werden mit dem Besitz der Männer des Trugs, die ihren Wandel nicht geläutert haben, um sich (so) zu scheiden vom Frevel und auf dem Wege der Vollkommenheit zu wandeln“ (1QS IX 7–9).
Eine neue Kultur des Teilens
Lukas nahm einzelne Fälle von freiwilligem Besitzverzicht bzw. einer gemeinsamen Besitznutzung in der Jerusalemer Gemeinde zum Ausgangspunkt seiner Darstellung und verband sie mit dem gemeinantiken Ideal des