Während in diesem Zusammenhang die Fläche des Stahlstabs eindeutig durch dessen Durchmesser vorgegeben ist, muss für das Holz ein Bezugsquerschnitt definiert werden. Dafür wird in der Literatur meist ebenfalls eine runde Fläche gewählt, deren Radius durch die minimalen seitlichen Abmessungen des Holzes begrenzt wird, in die der Stab eingeklebt wird.
Abb. 1.16 Eingeklebte Gewindestange mit verschieblichem Verbund: (a) Geometrie und (b) Spannungen am differenziellen Stabelement.
Die Gleichgewichtsbedingungen für die beiden Querschnittsteile lauten:
(1.67)
(1.68)
Das führt direkt zu:
(1.69)
(1.70)
Setzt man diese zwei Bedingungen in die zweite Ableitung der Relativverschiebung
(1.71)
(1.72)
(1.73)
ein, dann erhält man
(1.74)
Aufgrund der kleinen Verzerrungen gilt für die Schubspannung bei linear-elastischem Verhalten des Klebstoffs
Damit erhält man die Differenzialgleichung für den verschieblichen Verbund:
(1.76)
oder
(1.77)
(1.78)
Wählt man als Ansatzfunktion
Abb. 1.17 Eingeklebte Gewindestange mit verschieblichem Verbund: (a) Randbedingungen Zug-Zug und Zug-Druck und (b) Schubspannungsverlauf.
dann lassen sich für die in Abb. 1.17a dargestellten Fälle mit den zugehörigen Randbedingungen die beiden Konstanten A1 und A2 bestimmen; für den Zug-Zug-Körper
(1.80)
(1.81)
und für den Zug-Druck-Körper
(1.82)
(1.83)
Damit ist der Verlauf der Schubspannungen über die gesamte Länge der Klebefuge bekannt.
In Abb. 1.17b wurden Gln. (1.75)–(1.79) für unterschiedliche Randbedingungen ausgewertet. Es wird deutlich, dass der Spannungsverlauf ausgeprägt nichtlinear ist und dass ab einer gewissen Länge der Klebefuge die Spannungen sehr klein werden. Wie diese Zusammenhänge in gleichermaßen zuverlässige wie praxistaugliche Bemessungskonzepte überführt werden können, wird schon seit einiger Zeit kontrovers diskutiert (siehe Steiger et al. 2007 und Widmann et al. 2007). In den Abschn. 3.4 und 3.5 werden zu einigen wichtigen Anwendungen normative Regelungen für einen geklebten Verbund vorgestellt.
1.6 Berechnung nach Theorie II. Ordnung
Zur Ermittlung der Tragsicherheit stabilitätsgefährdeter Tragelemente und Tragsysteme kann im Holzbau das Ersatzstabverfahren angewandt werden. Bei diesem Verfahren werden mit den Beiwerten kc für Knicken und kcrit (früher km) für Kippen
Abb. 1.18 Berechnung nach Theorie I., II. und III. Ordnung – schematischer Vergleich.
Übergänge zwischen den von den Materialfestigkeiten abhängigen Querschnittstragfähigkeiten und den von Festigkeiten unabhängigen kritischen Knick- und Kipplasten definiert. Für Systeme, die aus mehreren Stäben zusammengesetzt sind, wurde das Ersatzstabverfahren mithilfe von angepassten Knicklängen anwendbar gemacht; ebenso für kippgefährdete Träger, bei denen unterschiedliche Auflagerbedingungen und Schnittgrößenverläufe in die Berechnung der Kipplängen eingehen. Diese Zusammenhänge wurden im Band 1, Abschn. 2.5 bereits erläutert.
Bei größeren – aus mehreren Stäben zusammengesetzten – Systemen wird die Ermittlung der Ersatzstablänge relativ aufwendig und teilweise auch sehr abstrakt. Gleichzeitig liefern auch einfache Stabwerksprogramme quasi ,,auf Knopfdruck“ Schnittgrößen nach Theorie II. Ordnung. Mit diesen am verformten System berechneten Schnittgrößen können Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT) direkt geführt werden. Abbildung 1.18 fasst die Unterschiede der Methoden nach Theorie I., II. und III. Ordnung schematisch zusammen. Bei der Berechnung nach Theorie III. Ordnung wird zusätzlich berücksichtigt, dass sich die Richtung der Einwirkungen durch die Verformungen des Systems ändert.
Zum Einstieg in die Berechnung von Schnittgrößen am verformten System muss eine Vorverformung definiert werden. Ohne Vorverformung sind die Schnittgrößen nach Theorie I. und II. Ordnung identisch. Reale Tragelemente sind normalerweise nicht perfekt und weisen deshalb – herstellungs- oder auch transportbedingt – Abweichungen von den vorgegebenen Systemlinien auf. Diese Abweichungen werden als Imperfektionen bezeichnet und sind in den Konstruktionsnormen festgelegt (siehe Abb.