magst mich nicht, hm?“
Sandra war diese direkte Feststellung unangenehm. „Wie kommst du denn darauf?“
„Ich hab’ das so im Gefühl.“ Dotty zuckte mit den Schultern. „Man kann eben nicht jedem sympathisch sein. Ich jedenfalls habe nichts gegen dich.“
„Ich habe auch nichts gegen dich. Wir haben nur leider irgendwie nicht dieselbe Wellenlänge.“
„Finde ich schade.“ Dotty griff nach der nächsten Handtasche, unterzog auch sie einer genauen Inspektion. „Wie geht es deiner Großmutter?“
„Schon besser.“
„Muss ein schlimmer Schock für die alte Dame gewesen sein, von so einer reißenden Bestie angefallen zu werden.“ Dotty hängte sich den Tragriemen der Tasche über die Schulter. „Ich habe Hunde an und für sich gern, aber wenn sie Menschen angreifen, sollte man sie …“ Sie schüttelte den Riemen mit einem Schulterzucken ab. „Ich meine, es geht doch nicht an, dass man auf der Straße seines Lebens nicht mehr sicher ist.“ Sie legte die Handtasche achtlos beiseite. „Deine Großmutter liegt auch in der Wiesenhain-Klinik, nicht wahr?“
„Ja.“
Dotty trat näher und betrachtete Sandra genau. „Hat dein Gesicht wunderbar hingekriegt, dieser Dr. Krautmann. Scheint ein tüchtiger Arzt zu sein. Werden in der Wiesenhain-Klinik auch Schönheitsoperationen durchgeführt?“
„Ich finde nicht, dass du eine Schönheitsoperation nötig hast.“
„Ich frage nicht meinetwegen“, erwiderte Dorothee Simonis. „Meine Cousine leidet sehr darunter, dass sie so eine große Nase hat. Ein richtiger Geierschnabel ist das – lang, gebogen, schmal und spitz. Vielleicht können Dr. Krautmann und seine Kollegen ihr helfen. Ich kann ihr ja mal einen Tipp geben, wenn ich sie wiedersehe.“
Ich wette, sie hat gar keine Cousine, dachte Sandra. Sie redet einfach nur drauflos. Wann wird sie endlich sagen, was sie wirklich loswerden möchte?
„Du hättest Oliver erlauben sollen, dich zu besuchen, als du zur Schälkur in der Wiesenhain-Klinik warst“, sagte Dotty.
Kommt sie jetzt zur Sache?, überlegte Sandra. „Warum?“, fragte sie.
„Er hatte Langeweile.“
„Ich war kein schöner Anblick.“
„Er sehnte sich nach dir“, sagte Dotty Simonis.
„Ich wollte nicht, dass er mich so sieht.“
Dotty schüttelte nachsichtig lächelnd den Kopf. „Ich habe ihn abgelenkt, während du weg warst.“
Sandra überlief es kalt. Sie starrte Dorothee Simonis mit zusammengekniffenen Augen an. „Was heißt abgelenkt?“
„Na ja, ich hab’ so einiges mit ihm unternommen, um zu verhindern, dass er trübsinnig wird.“
Sandra hörte das Blut in ihren Ohren brausen. Sie hat versucht, mir Oliver auszuspannen, während ich im Krankenhaus war!, dachte sie wütend. „Was unternommen?“, hörte sie sich heiser fragen.
„Kino. Disco. Fahrten ins Grüne …“
Sandra sah vor ihrem inneren Auge, wie Oliver mit Dotty ins Grüne hinausfuhr, dorthin, wo er mit ihr schon gewesen war. Er breitete in unserem Wald, auf unserer Lichtung unsere Decke aus, dachte sie aufgewühlt, legte sich mit ihr drauf. Ein bisschen reden, ein bisschen streicheln, ein bisschen schmusen und dann … O Gott, Oliver, wenn du mir untreu geworden bist, wenn du mich mit diesem Flittchen betrogen hast, während ich diese Prozedur in der Wiesenhain-Klinik über mich ergehen ließ, dann – dann …
„Fahrten ins Grüne“, echote Sandra, nahe daran, einen Tobsuchtsanfall zu bekommen.
Dotty nickte mit einem triumphierenden Glitzern im Blick.
„Und was noch?“, krächzte Sandra.
„Du kannst sicher sein, dass es mir gelungen ist, ihn auf andere Gedanken zu bringen.“ Dorothee Simonis stemmte eitel die Hände in die Taille. „Ich weiß, wie man das macht.“
„Hast du ihn verführt?“ Es ging fast über Sandras Kräfte, das zu fragen.
„Oliver ist ein hübscher Junge.“
„Habt ihr miteinander geschlafen?“, wollte Sandra mit vibrierender Stimme wissen.
„Ich bin eigentlich nur hier, um dir zu sagen, dass ich dir Oliver jederzeit gern abnehme, wenn du keine Verwendung mehr für ihn hast.“
„Würdest du jetzt bitte gehen“, sagte Sandra ganz leise, und sie fügte in Gedanken aggressiv hinzu: Ehe ich einen Lustmord begehe!
12. Kapitel
Sandra hätte am liebsten alles kurz und klein geschlagen, sobald sie allein war. Aber was konnte die Geschäftseinrichtung dafür, dass Dotty Simonis so ein Biest war? Dotty und Oliver … Dotty und Oliver … Dotty und Oliver …, hämmerte es pausenlos in ihrem Kopf. Es war kaum noch auszuhalten. Wenn es geholfen hätte, hätte Sandra so lange geschrien, bis sie die Stimme verlorenn hätte, aber sie wusste ganz genau, dass sie sich hinterher um nichts besser gefühlt hätte.
Dotty und Oliver… Was für eine entsetzliche Vorstellung!
Sosehr sich Sandra auch bemühte, dieser schreckliche Gedanke ließ sich nicht mehr verscheuchen. Glühenden Nadelstichen gleich bohrte er sich bedrohlich in ihr Herz und in ihre Seele und fing an, ihre Liebe zu vergiften.
Als sie das Geschäft schloss und Oliver kam, um sie abzuholen, hatte sie kaum noch die Kraft, ihm in die Augen zu sehen. Dotty und Oliver … Er saß auf seinem Motorroller. Sie hätte sich hinter ihn setzen sollen, aber dazu konnte sie sich nicht überwinden, seit sie wusste, dass das auch Dottys Platz gewesen war. Dotty und Oliver …
„Warum steigst du nicht auf?“, fragte er.
„Ich möchte zu Fuß gehen“, gab sie dumpf zurück.
Oliver grinste. „Soll ich neben dir herfahren?“
„Das brauchst du nicht.“
Oliver musterte sie irritiert. „Hast du was?“
„Ich? Wieso?“
„Geht es deiner Großmutter nicht gut?“
„Sie wird bald entlassen“, antwortete Sandra.
„Irgendetwas ist mit dir.“ Oliver betrachtete sie eingehend. „Bist du etwa sauer auf mich?“ Er schien sich das nicht vorstellen zu können, stieg von seinem Motorroller und trat auf sie zu.
„Kann schon sein.“ Sie wich zurück.
„Darf ich den Grund erfahren?“
„Mach es dir nicht so einfach. Denk nach.“
Er hob die Schultern. „Ich bin mir keiner Schuld bewusst.“
„Wirklich nicht?“ Sie erdolchte ihn beinahe mit ihrem Blick.
„Wirklich nicht.“
„Dein Gewissen ist rein?“, fragte sie spröde.
„Reiner geht es gar nicht.“
„Verlogener Mistkerl!“, zischte sie. Sie konnte sich einfach nicht mehr länger beherrschen.
„He, Moment mal, würdest du mir bitte erklären …“
„Du dachtest wohl, du könntest mich für dumm verkaufen.“
„Würdest du die Güte haben, mir zu verraten, was los ist?“, fragte Oliver Wiechert nun etwas ärgerlich. „Ich weiß überhaupt nicht, worum es hier geht.“
„Es