Eva-Maria Bast

Tatort Bodensee


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Sauerstoffflaschen sind doch grundsätzlich blau, wie kann denn der Thomas an solch eine Flasche geraten sein?«

      Schlotterbeck mischte sich ein und schüttelte energisch den Kopf: »Ist er nicht! Auf gar keinen Fall! Sie haben es doch vorhin gehört, es war ganz eindeutig die Flasche von Herrn Grundler, an der die Pressluft abgelassen und der Sauerstoff hineingefüllt worden ist. Daran gibt es nicht den geringsten Zweifel! Das war eiskalt kalkulierter Mord – und zwar begangen von jemandem, der sich bestens ausgekannt haben muss!«

      »Und der auch die Möglichkeit hatte, sich reinen Sauerstoff zu besorgen und noch eine Druckleitung samt Anschlussventil, um den Sauerstoff in die Flasche hinein­zupumpen. Beziehungsweise einen Kompressor, falls er die Flasche von Thomas heimlich mitgenommen, sie umgefüllt und danach wieder zurückgestellt hat«, warf Hofer dazwischen.

      Forschend blickte er in Horsts Gesicht. »Herr Meyer: ganz offen! Haben Sie auch nur den Hauch einer Ahnung, wer das getan haben könnte und weshalb?«

      Horst schüttelte energisch den Kopf, gab ansonsten aber keinen Ton von sich.

      Hofer schob die nächste Frage nach: »Wissen Sie aber wenigstens, wo Thomas Grundler seine Flasche gelagert hatte? Wie viele Personen wussten Ihrer Meinung nach, wo er sie deponiert hatte? Und noch etwas: Hatte er Sie in der vergangenen Nacht überhaupt zu Hause aufbewahrt, oder hat er sie eventuell am Abend vorher zu Ihnen gebracht?«

      Überrascht sah Horst auf. Das war ja eine ganz neue Variante! »Wollen Sie damit etwa andeuten, dass der Anschlag vielleicht gar nicht Thomas, sondern mir hätte gelten sollen?« Entschieden schüttelte er den Kopf. »Nein, tut mir leid, das kann nicht sein!«

      Hofer wiegte, nachdenklich dreinschauend, den Kopf. »Nein, andeuten will ich in diesem Fall überhaupt nichts. Und dennoch: Irgendjemand muss hier seine Finger im Spiel gehabt haben!« Forschend sah er Horst an – unruhig wanderten seine Augen dabei von links nach rechts und von rechts nach links. »Herr Meyer – Herr Kollege – noch einmal: Was wissen Sie über die Recherchen von Thomas Grundler und über seine dienstlichen Probleme und Schwierigkeiten?«

      Aha – daher wehte der Wind! In Horst begannen sämtliche noch vorhandenen Alarmglocken gleichzeitig zu schril­len! Trotz seines angespannten Gesundheitszustandes brach sich der kriminalistische Spürsinn in ihm unaufhaltsam seine Bahn! Vorsicht! Äußerste Vorsicht! Nur ja jetzt nicht irgendeinen Fehler machen und irgendetwas sagen, was du später bitter bereuen wirst! Was war da los? Was wollten sie in Wirklichkeit von ihm wissen? Im kurzen Moment eines Wim­pern­schlags fühlte er sich gefangen in einem dicht gewobenen Spinnennetz von Intrige, Lüge und Betrug! Irgendwas war faul im Staate Dänemark! Hamlet? Ja, genau – Shakespeare, Hamlet! Geradezu irrwitzige Gedanken fegten jetzt in Sekundenbruch­teilen durch sein angespanntes Gehirn.

      Also: Sie wollten wissen, auf welchem Kenntnisstand er sich befand – und dann? Was war danach? Auf welche Seite gehörten sie? Was wollten Sie eigentlich von ihm?

      »Welche Schwierigkeiten?« Horst gab sich genauso leutselig wie ahnungslos. »Ich weiß von nichts!« Und mein Name ist Hase, setzte er im Stillen in Gedanken für sich hinzu.

      »Na, kommen Sie, halten Sie uns doch bitte nicht für blöd!«, auch der so jovial wirkende Schlotterbeck vom LKA schien sich an seine Bundeswehreinzelkämpfer­ausbildung zu erinnern. Seine Miene zumindest war mit einem Schlag zu einem einzigen Eisblock gefroren!

      Horst spielte weiter den Ahnungslosen (als der er sich im Grund genommen ja auch fühlte!): »Ja, was meinen Sie denn? Dann werden Sie in Gottes Namen doch endlich konkreter, dann kann ich Ihnen auch eine klare Antwort auf eine klare Frage geben!«

      Die beiden hatten sich offensichtlich vor dem Besuch im Krankenhaus sorgfältig miteinander abgesprochen. Ein Blick des LKA-Beamten genügte und schon übernahm Hofer wieder die Initiative: »Also ich bitte Sie, Herr Meyer! Sie sind Polizist, wir sind Polizisten! Alle sind wir Polizisten!« Er machte dabei eine ausladende Handbewegung, die selbst noch Protnik mit einbezog, der bisher eingeschüchtert und nachdenklich am Rande des Geschehens auf seinen Einsatz gewartet hatte. »Also«, fuhr der Kom­missars­kollege aus Konstanz fort, »machen wir uns doch bitte nichts vor, Herr Meyer! Sie wissen es und ich weiß es: Thomas Grundler hatte Schwierigkeiten, massive nachbarschaftliche Schwierigkeiten. Sogar ein Disziplinarverfahren haben die Nachbarn gegen ihn in die Wege geleitet! Die ganzen Eheprobleme lassen wir jetzt wohl besser außer Acht! Sagen Sie bloß, das wissen Sie nicht!«

      Überrascht blickte Horst auf. Das war es also, wo­rauf die beiden hinauswollten! Entweder dem psychisch gestörten Nachbarn kräftigst an den Karren zu fahren oder – das schien die zweite Möglichkeit zu sein – einen gut geplanten Selbstmord anzutäuschen, dem er, Horst, zufällig als nichtsahnender Zeuge hatte zusehen müssen! Er überlegte fieberhaft, welche Antwort auf diese Frage wohl am unverfänglichsten klingen würde. »Also gut, Kollegen. Das mit dem Ehekrach, das war ja wohl beim besten Willen kein Geheimnis mehr. Und auch die Geschichte mit dem doofen Nachbarn – die kennt ihr ja besser als unsereiner! Ihr – beziehungsweise Sie«, und damit deutete er mit dem Zeigefinger auf Hofer, »Sie wissen ja schließlich viel besser als ich, was da abgegangen ist.«

      Hofer schien noch nicht völlig von der Ahnungslosigkeit seines Gegenübers überzeugt. Dennoch wiegte er zustimmend-abschätzend den Kopf. »Gut – einverstanden! Halten wir also fest: Sie wissen demnach nichts über berufliche Schwierigkeiten.« Forschend fixierte er nach dieser Bemerkung sein Gegenüber. »Richtig oder nicht richtig?!«

      Horst nickte. »Richtig! Und außerdem …« Doch weiter kam er nicht mit seiner Aussage. Sein auf dem Tischchen neben dem Bett liegendes Handy klingelte unüberhörbar und störte – zumindest für den Augenblick – den weiteren Fortgang des Verhörs. Ein Geschenk des Himmels! Hofer zog ärgerlich die Augenbrauen zusammen und runzelte die Stirn.

      Doch bevor irgendjemand eingreifen und das Handy womöglich in Beschlag nehmen konnte, hatte Horst es ergriffen und meldete sich mit klarer, lauter Stimme: »Meyer! Grüß Gott – mit wem habe ich das Vergnügen?!«

      Die Stimme kam genauso klar und überdies auch noch ziemlich fröhlich zurück: »Na, mit wem wohl? Mit deiner dich – warum auch immer – ewig liebenden und genauso reizenden Ehefrau Claudia! Wo steckst du Kerl denn eigentlich? Seit einem geschlagenen lieben langen Tag versuche ich schon, dich zu erreichen!«

      Der Tadel, der in Claudias Stimme mitschwang, war ganz eindeutig rein rhetorischer Art. Claudia! Tatsächlich ein Geschenk des Himmels! »Hallo, Claudia!« Miss­trauisch glotzten die beiden Vernehmungsbeamten in Richtung Handy, als Horst seine Begrüßung in den Hörer hauchte. »Wie geht es dir, mein Schatz?«, flötete er weiter.

      Horst sah, wie die beiden Polizisten die Augen verdrehten. Sei’s drum, sollten die doch grade denken, was Sie wollten.

      Claudias ahnungslose Replik kam rasch. »Gut natürlich. Wenn so ein wundervolles freies Wochenende am Bodensee vor mir steht: Das Wetter soll ja toll werden, der See dürfte einigermaßen erträgliche Temperaturen haben – ich freue mich auf jeden Fall schon riesig darauf – genauso wie die Kinder sich auf die Oma freuen! Ich habe gedacht, ich sag dir heute schon, dass ich morgen einen früheren Zug nehmen kann. Ich habe nämlich jetzt doch keinen Mittagsdienst mehr, das heißt, ich könnte die Bahn von Heilbronn nach Stuttgart um 12.45 Uhr nehmen, die müsste ich eigentlich schaffen. Dann wäre ich um 13.30 Uhr ungefähr in Stuttgart und könnte dann um 13.40 Uhr weiterfahren Richtung Singen. Und von dort ist’s ja eh bloß noch ein Klacks! Also, ich such die Verbindungen noch mal ganz genau heraus, aber ich denke, so gegen halb drei könntest du mich am Überlinger Bahnhof abholen – falls du mich noch haben willst!«, fügte sie kokett hinzu. »Aber jetzt sag endlich, wie geht’s dir eigentlich?«

      Oje! Wenn Claudia wüsste! Glücklicherweise hatte auch Protnik den Rand gehalten und Claudia gegenüber keinen Ton von der ganzen Malaise verlauten lassen! Andererseits: wie brachte er das alles – einigermaßen eheverträglich – wieder auf die Reihe? Wie sollte er seiner Frau erklären, dass er da zwei Tage im Überlinger Krankenhaus hatte zubringen müssen, weil er beim Tauchen im Bodensee verunglückt war – bei einem Tauchgang, auf dem sein Freund und Partner ums Leben gekommen, ermordet worden war?!

      »Ach,