Harald Jacobsen

Tatort Ostsee


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weg. Das Ganze war doch total verrückt! Energisch drehte sie sich zur Tür. Dann blieb sie ruckartig stehen. Ollis Zahnbürste! Sie müsste reichen, um eine DNA-Analyse machen zu können. Hastig ließ sie die Zahnbürste in ihrer Hosentasche verschwinden.

      Olli erwachte verwirrt. Irgendwer hatte seine Schulter gepackt und schüttelte ihn.

      »Steh endlich auf! Ich komm nun schon das dritte Mal vorbeigefahren, um dich wachzurütteln.«

      Olli öffnete die Augen. Ach ja, er war in Hamburg.

      »Hier! Aspirin!« Tobias und reichte ihm ein Glas. Olli setzte sich stöhnend auf und trank gierig, ohne einmal abzusetzen. »Danke! Ich hab vielleicht nen Schädel. Wie spät ist es?«

      »Es ist nach acht und ich muss um neun im Laden sein. Wenn du noch mit mir frühstücken möchtest, dann steh endlich auf! Bagels mit Räucherlachs warten auf dich. Dazu wunderbarer Milchkaffee und frisch gepresster Orangensaft. Hast du den Rotwein noch plattgemacht?«

      Olli nickte. Er war nicht stolz drauf und ärgerte sich, dass er so neben der Spur war. »Sorry, ich bin ein Idiot. Ich spring schnell unter die Dusche.«

      10 Minuten später zog Olli sich seinen Jogginganzug an. Seine Beine waren wie Brei, doch er musste an die frische Luft. Er musste sich bewegen und den Kopf klar bekommen. Wenn er sich immer nur zuschüttete, würde er nicht weiterkommen. Er musste es endlich mal verarbeiten, statt sich zu betäuben. Olli ging in die Küche. Tobias blätterte in einer Surfzeitschrift.

      »Jogginganzug wegen Sofavormittag vor der Glotze? Oder hast du wirklich vor ein bisschen Sport zu machen?«

      »Ich will mich tatsächlich ein bisschen um die Häuser quälen. Ich muss wieder fit werden. Ach, Tobias. Ich lass mich hier gehen und dabei bist du derjenige, der Grund zu jammern hätte.«

      »Ich?« Tobias sah ihn mit gespieltem Entsetzen an. »Mir geht es prächtig! Mein Geschäft läuft bombig. Olli, deine Freundin ist tot. Du hast jeden Grund, dir eins auf die Lampe zu gießen, aber ich freu mich, dass du jetzt den Arsch hochkriegst.«

      Olli schluckte. »Sie war nicht so richtig meine Freundin … Sie hat Schluss gemacht.«

      »Mensch, Olli, das macht doch keinen Unterschied. Ihr seid euch mal sehr nah gewesen. Wir frühstücken jetzt erst mal und dann lässt du dir die Birne freipusten. Ich koch uns später was Feines!«

      Olli nickte und trank einen Schluck Kaffee. Eigentlich war er sich sicher gewesen, dass er keinen Bissen runter bringen würde, aber als er die üppig belegten Bagels sah, lief ihm das Wasser im Mund zusammen.

      »Du hast geduscht. Du isst.« Tobias grinste ihn an und nickte. »Lass dir das von einem Mann mit Erfahrung sagen, du bist auf dem Weg der Besserung.«

      Olli atmete tief durch. Er konnte sich wirklich glücklich schätzen, Freunde wie Ben und Tobias zu haben. »Du bist ein Schatz. Wirklich!«

      Tobias machte ein entsetztes Gesicht. »Du wirst dich jetzt aber doch nicht in mich verlieben, oder? Ne Olli, vergiss es. Ich habe es vielleicht mal nötig, aber du bist nicht mein Typ!«

      Olli sah ihn erschrocken an. Erst als Tobias anfing zu lachen, stimmte er erleichtert mit ein. »Du Arsch! Warum bist du nicht Schauspieler geworden. Mann! Eine Sekunde dachte ich, du meinst das ernst!«

      Tobias wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. »Dein Gesichtsausdruck eben! Wenn ich könnte, würde ich mit den Beinen trampeln.« Es dauerte noch ein paar Minuten, bis Tobias sich wieder im Griff hatte. »Olli, das hier meine ich wirklich ernst. Ich möchte eine zweite Filiale eröffnen und ich brauche einen Mann, dem ich absolut vertrauen kann. Ich kann schwer von einer Ecke der Stadt in die andere fahren, um nach dem Rechten zu sehen. Zumindest noch nicht. In zwei Jahren habe ich hoffentlich die Kohle für ein behindertengerechtes Auto zusammen. Wird aber leider eher ein Golf und kein Mustang. Egal jetzt. Vielleicht ist das eine Alternative zu deinem jetzigen Leben? Ich muss jetzt los. Wir sehen uns heute Abend.«

      Die Tür fiel ins Schloss. Olli trank seinen Orangensaft und dachte nach. Vielleicht war das wirklich eine Chance, aus allem rauszukommen und eine echte Perspektive zu haben. Geschäftsführer in einem Laden, voll mit Equipment, mit dem er sich wirklich auskannte. Eigentlich wollte er Fehmarn nie verlassen. Aber jetzt? Er war doch bereits dabei, verrückt zu werden.

      Sophie lenkte den BMW auf Tinas Auffahrt. Sie öffnete die Autotür, um Pelle rauszulassen. Sie selbst blieb im Wagen und wählte die Handynummer von Lutz.

      »Ja!«, meldete sich der Rechtsmediziner schlecht gelaunt.

      »Lutz? Hey, ich bins, Sophie!«

      »Ich weiß! Steht auf meinem Display!«

      Ich gehe ihm auf die Nerven, stellte Sophie fest. Und ich werde ihm gleich noch viel mehr auf die Nerven gehen! »Keinen guten Start in den Tag gehabt?«

      »Was willst du jetzt schon wieder?«

      »Auf den neusten Stand der Dinge kommen. Was kam bei der zweiten Obduktion raus? Ich dachte, du wolltest mich anrufen!«

      »Derselbe Scheiß!«, brummte Lutz Franck. »Ich weiß das jetzt ganz sicher.«

      »Dann gibt es tatsächlich zwei Mordopfer. Was ist mit den weißen Partikeln?«

      »Weiß ich noch nicht.«

      »Salz oder Zucker?«

      »Nee, löst sich in Wasser auf. Jetzt geh mir nicht auf den Keks.«

      Sophie beschloss, sich nicht einfach abschütteln zu lassen.

      »Mehl?«

      »Auch nicht. Mehl klumpt. Du wirst dich schon gedulden müssen, bis die Jungs vom LKA mit der Stoffanalyse fertig sind«, meinte Lutz genervt. Dann atmete er tief durch. »Außerdem ist Mehl feiner. Das Zeug sieht eher aus wie Waschpulver, aber das hätte sich auch aufgelöst.«

      »Waschpulver?« Sophie dachte einen Moment nach. »Was ist mit Scheuerpulver oder Scheuermilch?«

      »Was?«

      »Na Ata, Viss, das Zeug eben, mit dem man Waschbecken und Wannen reinigt?«

      »Nicht übel! Würde gut zu dem Fall passen. Da muss ich tatsächlich mal ›Danke‹ sagen.«

      »Brauchst du nicht«, meinte Sophie großzügig. »Du kannst mir stattdessen lieber einen Gefallen tun.«

      »Vergiss es!«

      Sophie beschloss, ihm keine Wahl zu lassen. »Es ist eine Kleinigkeit. Ihr habt doch die DNA von ihrem letzten äh …?«

      »Stecher? Stimmt, aber was heißt das schon? Nur, dass sie vor ihrem Tod noch mal Sex hatte. Und sie ist nicht vergewaltigt worden. Ist doch schön für sie.«

      »Ihr Pathologen habt einen kranken Humor!«

      »Was ist?«

      Sophie schluckte. »War das Sperma frisch?«

      »Sophie, ich kann dir nicht sagen, wann genau sie Sex hatte. Aber es war an dem Tag, Abend, was weiß ich. Jedenfalls hatte sie noch nicht geduscht. Krank genug, dass es jemand heute noch ohne Gummi macht.«

      »Aber dann gibt das doch einen Hinweis auf den Menschen, der sie kurz vor ihrem Tod noch gesehen hat.«

      »Gevögelt hat!«, sagte Lutz kalt.

      »Ich habe einen Verdächtigen!«

      »Sag mal, spinnst du jetzt?«, schnauzte er in den Hörer.

      »Nein! Es dauert zu lange, dir das alles zu erklären, aber ich habe seine Zahnbürste. Damit muss sich doch was rausfinden lassen.« Ein paar Sekunden lang sagte er kein Wort.

      »Lutz?«

      »Schon gut, ich bin noch dran! Die Antwort lautet ja. Wenn die Zahnbürste ihrem letzten Lover gehört hat, dann kann man das beweisen. DNA-Analyse! Das weißt du doch!«

      Sophie ignorierte seinen gereizten Tonfall und plauderte mit Begeisterung weiter. »Das ist doch super! Lutz,