auf. Diese Xorx sind auf einmal für die Cantara durchsichtig wie Glas, und sie werden manipulierbar.
Die Cantara finden heraus, wie schnell der Alterungsprozess bei diesen Wesen fortschreitet, im Vergleich zu ihrem eigenen Leben. Die Xorx brauchen diese ständige Vermehrung durch den Akt der Zeugung, um die Art am Leben zu erhalten. Das ist für die Cantara die Chance, mittel- und langfristig auf die Art Einfluss zu nehmen, indem sie die Genstränge manipulieren. Die Cantara brauchen nur einen oder mehrere Bausteine bei der Zellteilung im Mutterleib zu verändern, um völlig neue Wesen hervorzubringen.
Nicht nur das. Die Cantara beobachten die Prozesse des Körpers. Die Nahrungsaufnahme und -verwertung. Das Immunsystem. Die Nervenbahnen und die Entstehung von roten und weißen Blutkörperchen. Diese Wesen sind sehr komplex, und sie sind sehr anfällig, wenn man nur einen dieser Vorgänge im Rückenmark, in den Innereien, oder in der Hirnrinde verändert. Es ist ein Leichtes, diese Wesen auszuschalten, erst recht, weil sie Luft atmen und Wasser trinken, das sie auf Cantara vorfinden.
Im Wasser gibt es Millionen von Microben. Die Nahrung kann verderben. Sie ist der Nistplatz für Pilze und Bakterien. Bakterien wiederum brauchen die Xorx für ihre Verdauungsprozesse. Es ist einfach, in diesen Kreislauf einzugreifen, um die Xorx außer Gefecht zu setzen. Durch Durchfälle, Fieberanfälle und Epidemien.
Die Cantara finden auch schnell heraus, dass in den Körpern der Xorx ein ständiger Kampf zwischen verschiedenartigen Viren stattfindet. Stört man dieses Gleichgewicht, werden die Xorx krank und kampfunfähig.
Die Cantara hingegen sind durch solche Veränderungen nicht gefährdet. Sie sind der Wächter dieser Prozesse. Sie haben weit über eine millionen Jahre Erfahrung in der Steuerung solcher Vorgänge, die es auch in den Tieren gegeben hat, die bis vor wenigen Wochen auf Cantara gelebt hatten.
Die Cantara waren auf ihrem Planeten stets der Herr über alles Leben. Sie haben in den letzten Tagen bereits die Fäulnisprozesse im Unterholz beobachtet. Sie haben herausgefunden, dass es dort junge Sprösslinge und Samen gibt. Wenn man den Wald läßt, so wird er sich in wenigen Jahren erholen und zu einem neuen Urwald heranwachsen.
Ein größeres Problem ist das Aussterben von Großtieren.
Die Cantara haben die Berge von Fischleichen gesehen, die von den Arbeitern der Xorx aus dem Wasser gefischt worden sind. Sie haben die Leichen gesehen, die von den Arbeitern an Land aufgesammelt und begraben werden. Das Gleichgewicht der Natur ist zunächst einmal nachhaltig gestört, weil ein wichtiger Baustein im Kreislauf der Arten fehlt.
Die Xorx haben aber auch eigene Tiere mitgebracht.
Verschieden große Säuger und Vögel, die sie züchten, um sie zu melken, oder zu essen. Diese Tiere sind auf Cantara Fremdkörper. Sie gehören hier nicht hin. Sie sind mit eigenen Bakterien- und Virenstämmen behaftet. So etwas kann für eine fremde Umgebung tödlich enden. Die Cantara müssen auf diese Zellkulturen Einfluss nehmen. Sie müssen die Ausscheidungen beobachten. Sie müssen die Fortpflanzung regulieren. Auf die wenigen übriggebliebenen Cantara warten eine Fülle von neuen Aufgaben, wenn sie ihren Planeten erhalten wollen.
Sie sind jetzt nur auf einem dieser Flottenstützpunkte. Sie haben eine begrenzte Einflussnahme.
Allerdings besteht zwischen den einzelnen Posten nicht nur ein reger Funkverkehr, sondern auch ein Austausch von Material und Personal.
So gibt Mendez die Anweisung an alle seine Cantara heraus, sich mehrfach zu teilen und die Nachkommen mit den Jagdflugzeugen in die anderen Stützpunkte zu tragen.
Alle Nachkommen sind im Besitz der Erbinformationen der Cantara, und sie können sich über Energieströme untereinander austauschen. Sie müssen nur weiter unsichtbar bleiben.
Innerhalb der nächsten drei Wochen nehmen die Cantara hunderte von Zellteilungen vor, und sie verteilen sich auf dem Planeten, angedockt an Maschinen, oder in den Körpern der Xorx.
Es ist die totale Infiltration. Ein Alptraum für die Xorx, die davon nicht einmal etwas wissen. Nicht ein kleinster Anhaltspunkt ist zu sehen. Nicht, solange die Cantara die Genstruktur der Xorx nicht verändern. Nicht solange die Augen- und Fingerkuppenscans dasselbe Bild der Träger zeigen, nicht solange der Schweiß und der Atem derselbe ist, wie vor der Infiltration, und die Cantara vermehren sich weiter. Sie sitzen jetzt in den Gehirnen aller Offiziere und Kommandanten. Sie sitzen jetzt in den Computern. Sie sitzen in den Aufsehern der Arbeiter und in einigen der Arbeiter selbst. Sie sitzen inzwischen auch in vielen der Tiere, welche die Xorx mitgebracht haben.
Es ist für die Cantara ein Leichtes, diese Tierkörper wieder zu verlassen, wenn sie zur Schlachtbank getrieben werden. Die Cantara springen dann rechtzeitig auf die Treiber über. In ihrer gewählten Tarnung sind die Cantara unbesiegbar.
Nur ein weiterer Angriff aus dem All mit Schallwellen könnte sie töten, dann aber wären auch all die Xorx ein Opfer ihrer eigenen Vernichtungsstrategie.
Die Cantara haben die Funksignale unter Kontrolle. Sie wissen, was in den Signalen an den Heimatplaneten der Xorx steht. Sie wissen, dass keine anderen Kriegsflotten unterwegs nach Cantara sind. Sie wissen, wieviele Jahre es dauert, um eine solche Flotte nach Cantara zu manövrieren. Vorerst besteht also keine Gefahr für einen weiteren Angriff aus dem All.
Was die Cantara gerade tun, ist ein Alptraum für jeden Sicherheitsoffizier, weil sie bereits alle Sicherheitscodes der Xorx entziffert haben, aber, wie gesagt, die Xorx haben keine Ahnung von dieser Gefahr.
4.
Die Xorx unterscheiden sich nicht nur durch ihre äußere Gestalt von den Cantara. Das, was man soziale Struktur nennt, ist von einer strengen Hierarchie, und oft genug von einer skalaren Ordnung bestimmt, die sich durch subtile Ausübung von Macht manifestiert. Das ist eine strenge Befehlskette von oben nach unten, und die Xorx lernen schon von klein auf, sich in dieses System einzuordnen.
Nichtsdestotrotz gibt es Wünsche, möglichst schnell in dieser Ordnung aufzusteigen, um mehr Macht zu erlangen. Die Xorx haben hierfür viele Methoden, die ihnen zur Verfügung stehen, von Bissigkeiten über verbale und körpersprachliche Tricks, und das Einschleimen bei Vorgesetzten, bis zu roher Gewalt und die Fähigkeit, Andere gegeneinander auszuspielen. Die Kinder lernen schon sehr früh, sich durchzusetzen. Es gibt Gewinner und Verlierer auf dieser Skala der Macht.
Für die Cantara ist das neu, weil es soviel subtiler abläuft, als Rangkämpfe innerhalb des Tierreichs. Also studieren die Cantara das Verhalten der Xorx, denn man kann hieraus nur lernen, um diese Gattung zu steuern und um sie zu benutzen und gegebenenfalls gegeneinander auszuspielen.
Die Arbeiter sind der Macht und der Willkür der Xorx ausgeliefert. Sie erleben diese Übermacht der Xorx bereits in jungen Jahren. Sie lernen, sich unterzuordnen, um nur nicht negativ aufzufallen und negative Sanktionen zu riskieren.
Aber auch innerhalb der Sklavenkaste haben sich dieselben Mechanismen breit gemacht, die bei den Xorx herrschen. Es ist ein Teil der Überlebensstrategie, in diesem System bestmöglichst durchzuschlüpfen, und Vergünstigungen zu erhaschen, die dem Einzelnen das Leben erleichtern können.
So entsteht ein System des gegenseitigen Mißtrauens, des Verrats, und auch der Unterwerfung von vermeintlich Schwachen unter die vermeintlich Starken.
Es ist ein angeborenes System, das es den Xorx leicht macht, die unterdrückten Völker gegeneinander auszuspielen.
Die Cantara beobachten auch das. Es wird nicht leicht sein, diesen Lebewesen den Weg in eine Zukunft zu weisen, die von Harmonie geprägt ist, aber zunächst haben die Cantara die Aufgabe, all diese Strukturen kennenzulernen, um diese Creaturen schließlich dafür zu benutzen, die Kontrolle über den eigenen Planeten zurückzugewinnen.
Zunächst einmal sind die Cantara nur in Beboachtungsposition, und sie tauschen sich ständig über die Erfahrungen aus, damit sie zum Allgemeingut werden, oder anders gesagt, damit sie ein Teil des historischen Wissens der Cantara werden.
5.
Protaxa ist zwar der oberste Feldherr dieser Flotte, aber die Kolonialisierung steht unter dem Befehl einer zivilen Gruppe von Administratoren