Die Berge blieben, waren nun aber nicht mehr so hoch. Das Gebüsch wurde durch lichten Wald abgelöst, immer wieder unterbrochen durch Terrassen, die landwirtschaftlich genutzt wurden. Der Wald war anders als der Regenwald. Nicht so hoch. Es waren andere Baumsorten als die Urwaldriesen. Immer wieder sah Dennis Befestigungsmauern mit Türmen. Es gab jetzt sogar offene Wasserleitungen aus Tonsteinen, die von den Flüssen in die niedergelegenen Vorstädte führten.
Dann überquerten sie eine Bergkuppe. Unter ihnen lag ein breites Tal in dem ein Fluss lief, mit vielen Schleifen und kleinen Seitenarmen. Er war begrenzt von flachen Bergkämmen.
Weit in der Ferne erkannte Dennis eine Bergkuppe, die vollständig mit Häusern bebaut war. Quer durch das Tal lief ein großes Bauwerk. Dennis konnte auf die Entfernung nicht einschätzen, was es war.
Die Gruppe hielt an. Alle fielen auf die Knie. Sie hoben die Hände zur Sonne und verneigten sich dreimal. Dennis hütete sich, an diesem Ritus teilzunehmen. Als Gott durfte er sich keine Blöße geben. Er war der einzige, der sich nicht verneigte. Als die Träger die Sänfte hingestellt hatten, um sich zu verbeugen, erhob sich Dennis. Anders als alle anderen breitete er seine Arme aus. Er blickte hinauf zur Sonne, dann streckte er ihr seine Hände theatralisch entgegen und bat Patrick, ihm wenigstens ein kleines elektrisches Feld zu schicken.
Dennis hatte Glück. Wieder zeigten sich die blauen Verästelungen des elektrischen Feldes. Wieder begann dieser zauberhafte Schein um Dennis zu leuchten, und nun waren alle in der Gruppe endgültig überzeugt, dass sie in der Begleitung und im Schutz eines mächtigen Gottes gereist waren. Sie beobachteten dieses Schauspiel andächtig und voller Respekt. Einige berührten den Boden mit ihren Gesichtern.
Als die Gruppe endlich aufstand, traten die beiden Priester zu Dennis und erklärten, dort auf dem Berg, das sei die große und mächtige Stadt Quedsa, die den Palast und die heiligen Stätten der Sonnengöttin Quokalil umschließt und bewacht.
Dennis nahm die Erklärung freundlich an, dann hatte er einen Geistesblitz. Er legte den beiden Priestern die Hände auf die Schultern und dankte ihnen beredt für die sichere Reise.
Er tat das selbstbewusst und wie selbstverständlich, und ohne einen möglichen Widerspruch zu dulden. Es war die Geste eines Fürsten, ja eines Königs, der seinen Unterthanen für ihre wertvollen Verdienste dankt, und durch die Gewährung einer großzügigen Berührung seine vollste Zufriedenheit ausdrückt.
Das war Schmierentheater, aber die Priester waren sichtbar beeindruckt.
Niemand sonst aus der ganzen Gruppe hätte es gewagt, so mit ihnen zu sprechen. Nur die kleine Gruppe der mächtigen Hohepriester, die in der heiligen Stadt wohnten, hätte sich das erlauben dürfen, und natürlich ein König der Théluan oder ein Gott. Sie akzeptierten in diesem Moment vollständig Dennis Vorherrschaft über ihre eigene mächtige Kaste der Priester, ja, sie fühlten sich geehrt, dass „der von Gott Gesandte“ ihnen vor der gesamten Reisegruppe diese hohe Auszeichnung verlieh.
Sie verbeugten sich tief und dankten Dennis für seine freundlichen Worte.
Innerlich lachte Dennis über diesen gelungenen Schachzug. Vielleicht hatte er gerade den ersten Schritt getan, um die Priester, wenn nicht als Freunde, so doch als getreue Anhänger zu gewinnen.
Die Gruppe setzte die Reise fort. Es ging hinunter ins Tal und sie folgten dem Flusslauf.
Es gab zunächst keine Ansiedlungen mehr. Je näher sie der Stadt kamen, desto schwerer wurde die Luft. Dann begannen erneut Ansiedlungen mit flachen Hütten. Das hier waren keine Handwerker. Es stank. Es gab viele fest gemauerte Becken.
Dennis sah Menschen, die in diesen Becken standen, und mit langen Stangen darin herumstocherten, immer wieder und immer wieder. Er sah Berge an Stroh und Schilf, die von Menschen mit langen Messern kleingehäckselt und in diese Becken geworfen wurden. Sie wurden in etwas untergemischt, was offenbar in diesen Becken schwamm. Der Gestank war unerträglich.
Als Dennis nachfragte, wurde erklärt, dies seien die Abfälle der großen Stadt, die hier zu Erde verarbeitet würden. Dennis verstand. Es waren Jauchegruben, nur durch Menschenkraft betrieben. Das musste ein Quell von Krankheiten sein. Dennis staunte zugleich. Wenn hier so viel Mist verarbeitet wurde, dann mussten hier wirklich viele Menschen wohnen.
Als sie das letzte Becken hinter sich gelassen hatten, wurde die Luft langsam, ganz langsam wieder besser. Dennis erkannte in der Ferne eine riesige Staumauer, die das ganze Tal verschloss und aus der an beiden Seiten Wasser schoss, um sich im Fluss unterhalb der Staumauer zu vereinen.
Daneben lag ein breiter, hoher Kegelberg, der fast vollständig von Häusern zugedeckt war. Weiter oben musste es einen großen freien Platz geben und auf der Spitze des Berges lagen eine gewaltige Pyramide und mehrere große, stufenförmige Gebäude.
Vom Tal, das in unmittelbarer Nähe des Staudammes keine dieser Güllegruben mehr hatte, führte schließlich ein sehr steiler, gewundener Weg bis hinauf zur Krone des Staudammes. Zwischen zwei gewaltigen Tortürmen aus Stein lag ein bewachtes Tor, wo die Priester sich ausweisen mussten. Dennis sah jetzt, dass der Grat des Staudammes begehbar war. Man konnte von dort aus das ganze Tal beobachten und als sie das Tor passierten, stieß einer der Wachen in ein Horn. Er gab ein Signal aus mehreren an- und abschwellenden Tönen.
Auch auf dem Staudamm gab es Wachen mit Speeren. Auch sie hatten Hörner umhängen, die sie jetzt an den Mund setzten und in das Signal der Torwache einstimmten.
5.
Hinter dem Tor lag eine gepflasterte Straße, der sie ein kurzes Stück folgten. An einem der Gebäude wurde ein mächtiges Flügeltor geöffnet, durch das die Reisegruppe eintrat. Das Anwesen wirkte wie eine Festung. Es gab einen Innenhof, der von Gebäuden vollständig umschlossen wurde.
Sie waren erwartet worden. Die Lamas wurden abgeladen, die Träger warfen ihre Lasten zu Boden. Die beiden Priester kamen zu Dennis und baten ihn um ein wenig Geduld. Dann sah er sie in Gesprächen mit mehreren bunt geschmückten Théluan vertieft. Offenbar wurde Bericht erstattet.
Die Priester kehrten wieder, und riefen auf dem Weg Polia, Faroa und mehrere Krieger zu sich. Sie baten Dennis, wieder in der Sänfte Platz zu nehmen und verließen den Hof. Sie eilten im Laufschritt die Strasse entlang, wobei die Krieger mit ihren Schwertern rhytmisch auf die Schilde klopften und riefen: „macht Platz, macht Platz für die Krieger der Sonnenkönigin.“ Sie bogen schließlich in ein Gewirr aus Gassen ein, in denen verschiedene Waren vor den Türen lagen. Zeltdächer waren zwischen die Häuser gespannt um Schatten zu spenden und es gab ein Gewimmel an Menschen.
Ein Teil der Krieger lief voraus und sorgte durch Zurufe und rhytmisches Klopfen für Platz. Dennis wurde auf seiner Sänfte hindurchgetragen. Polia, Faroa und der Rest der Krieger folgten im Laufschritt.
Dann blieben die beiden vordersten Krieger stehen, pochten mit ihren Speeren an ein großes Tor aus Holz, und verlangten Einlass.
Die Flügeltüren öffneten sich und sie gelangten in einen gewaltigen Innenhof von etwa 20m Seitenlänge, der von dreistöckigen Gebäuden umgeben war. Hier waren die Dächer nicht mit Stroh gedeckt, sondern sie hatten richtige Ziegel. An dem Haupthaus gab es eine Freitreppe, die von beiden Seiten her begehbar war. Dennis sah einen Ziehbrunnen und Tiere, ähnlich wie in einem Bauernhof und doch fremd, Lamas und Truthähne. Sonst nichts. Aber es gab Knechte und Mägde.
Dann öffnete sich die Tür des Haupthauses und ein Théluan trat hervor, der nach seiner Kleidung zu schließen, eine sehr hochrangige Persönlichkeit sein musste. Er kam die Treppe hinunter, ging zu Dennis und verbeugte sich leicht. Er heiße „Basuna“ und er sei der Herr dieses Hauses, das ab sofort Dennis Haus sein solle (er meinte das nicht wörtlich, aber Dennis verstand). Er und seine Diener stünden Dennis zu seiner Verfügung.
Er klatschte in die Hände, Diener erschienen und sie geleiteten Dennis die Treppe hinauf in einen großen Raum, der dicht mit Teppichen und Fellen ausgelegt war. Es gab hier eine Feuerstelle und einen sehr