lösen. Es war ein Wunder.
Fala war stets offen. Sie lobte und sie kritisierte. Sie kannte keine Scheu und kritisierte auch ihre Mutter.
„Der Krieg damals, gegen die Karancula“, sagte sie, „da hast du Fehler gemacht.“ Die Dörfer des Busches haben unter den Karancula gelitten. Du hättest sie zu deinen Freunden machen sollen.“ Sie war vier, als sie das sagte. Woher sie das wusste, konnte sich niemand erklären. Nur Basuna hatte dabei gestanden und den Kopf gesenkt. Er hatte leise in sich hineingelächelt. Er wusste: Fala war die Tochter eines Gottes. „Götter wissen viele Dinge, die Menschen nicht wissen“, hatte Dennis einmal gesagt. Basuna erkannte Dennis in Fala wieder. Sie hatte dieselbe Art, auf Menschen zuzugehen, sie war großherzig, hellwach und mit einer Ausstrahlung, die auf die Menschen um sie herum wirkte, wie die wärmende Sonne am Morgen.
Auch er hatte schon sehr früh alle Berichte über Para gehört. Während Para und Fala ganz offenbar die göttlichen Fähigkeiten von Dennis geerbt hatten, waren die beiden andern Kinder zwar hellwach und begabt, aber sie hatten nicht diese unvergleichlichen Kräfte.
Palasque, der Bruder von Fala hatte sich schon früh dem Interesse an Waffen und Krieg verschrieben. Er spielte gern mit Dolchen, und übte mit der Palastwache. Basuna beobachtete das, und er beauftragte den Heerführer, sich um den Jungen zu kümmern.
Fala war ganz anders als ihr Bruder. Sie nahm an Besprechungen der Minister und der Hohepriester teil. Man konnte mit ihr reden und diskutieren. Sie gab sehr schlaue und gerechte Anweisungen. Sie begann die Beratungsstelle ihres Vaters einzunehmen. Außerdem hatte sie sich schon sehr früh um die Fortsetzung des Hochzeitsrituals gekümmert. Es war verblüffend. Sie hatte wirklich die Stelle ihres Vaters eingenommen. Sie konnte den Menschen in die Herzen sehen. Sie überließ die Trauung stets den Priestern, aber Fala übernahm alle Arbeiten, die vorher anstanden.
Dabei verlangte sie kein Geld. Sie wies es ausdrücklich zurück. „Ich bin die Tochter der Königin“, pflegte sie zu sagen. „Ich habe euch so zu dienen, wie ihr mir gehorchen müsst.“ Auch das war neu. Jeder andere wäre dafür verachtet, vielleicht sogar hingerichtet worden. Es war eine Ungeheuerlichkeit. Aus dem Mund von Fala klang das ganz selbstverständlich. Das Volk liebte Vera, und es begann die Beziehungen untereinander zu verändern. Es war wirklich, als wenn Dennis in Fala weiterlebte.
Die Sonnenkönigin bat Fala manchmal, sich etwas zurückzuhalten um die Hochachtung vor dem Hof nicht zu verwässern, aber Fala wehrte ab. „Ich werde nichts unternehmen, was deine Stellung untergräbt. Du bist die Herrscherin des Sonnenstaates. Ich bin nur deine Tochter.“ Es war wirklich so. Fala hielt sich daran. Sie ließ ihrer Mutter bei den Festen stets den Vortritt. Bei den Besprechungen mit Ministern und den Hohepriestern überließ sie ihrer Mutter stets das letzte Wort. Sie unternahm nichts, was ihrer Mutter schadete.
Nur manchmal, nach einer Sitzung kritisierte sie ihre Mutter unter vier Augen, und bat sie etwas zu überdenken, was sie für falsch hielt. Aber das blieb ein Geheimnis zwischen Fala und der Sonnenkönigin. Nicht einmal Basuna wusste davon.
Außerdem besprachen sich Fala und ihre Mutter oft vor wichtigen Entscheidungen. Manchmal wusste Fala keinen Rat, dann holten sie die Minister und die Hohepriester zu ihren Besprechungen. Fala wuchs in die Rolle der zukünftigen Herrscherin des Landes.
Als sie sechs Jahre alt war, unternahm sie ihre erste Reise. Sie begleitete eine Karawane weit nach Süden und kam mit neuen Eindrücken und Erkenntnissen zurück.
Sie nahm bald regelmäßig an solchen Reisen teil. Sie lernte andere Städte und Fürsten kennen. Sie hörte stets aufmerksam zu und sie ließ nichts zu, was die Stellung der Königin hätte schmälern können. Auf einer dieser Reisen wurde Fala von Basuna begleitet. Er erstattete der Königin Bericht. Er war voller Hochachtung für die diplomatischen Fähigkeiten von Fala.
7.
Als sich das Gerücht um die wundersame Heilung im Lande verbreitete, beschloss Fala ihren Stiefbruder aufzusuchen.
Sie erklärte das ihrer Mutter so. „Du hast mir einmal erzählt, dass du mit Polia eine Vereinbarung getroffen hast. Sie soll in ihr Dorf zurückkehren und den Erben deines Thrones nicht gefährlich werden. Ich sehe da keine Gefahr. Aber ich sehe da ein außerordentliches Talent, was wir uns zunutze machen sollten. Aus diesem Grund will ich meinen Stiefbruder kennenlernen. Ich werde eine Karawane begleiten, die mich in sein Dorf führt. Ich will keine Elitekrieger dabei haben. Ich kann mich selbst verteidigen, wenn es dazu kommen sollte.“
Die Königin besprach das mit ihren Beratern und sorgte für eine ausgesuchte Mannschaft der nächsten Karawane an den Amazonas. Alle Thé waren Krieger. Fala würde mehr Schutz haben als sie vermutlich brauchte.
8.
Die Karawane brauchte zwei Monate um das Dorf am Fluss zu erreichen. Es waren Händler. Also suchten sie jedes Dorf auf, um zu handeln. So lernte Fala vieles über die Sitten und Rituale der Buschindianer. Das war neu für Sie. Auch jetzt zeigte sie sich als die Tochter des Thénnis. Gewiss, sie war auch die Tochter der Königin. Sie konnte Befehle aussprechen, denen man gehorchen musste. Aber Fala zeigte nie Überheblichkeit. Sie ging auf die Menschen zu und lebte mit ihnen. Sie verbreitete Hochachtung. Hörigkeit ließ sie nur in Ausnahmesituationen zu. Sie hörte zu. Sie gab Ratschläge. Sie versprach Dinge an die Königin weiterzuleiten, die sie nicht selbst entscheiden konnte.
Als sie schließlich im Dorf von Polia und Para ankamen, wusste Fara mehr über die Péruan als ihre Mutter.
Die erste Begegnung zwischen Fala und Para war entscheidend. Sie standen sich gegenüber. Zwei blonde und blauäugige Achtjährige.
Para wusste natürlich, wer da vor ihm stand. Bei der Ankunft von Fala waren die Péruan vor Achtung auf die Knie gegangen und sie hatten die Köpfe gesenkt. Auch Para hatte das gemacht, wie alle.
Fala war durch die Gruppe gegangen und hatte Para befohlen aufzustehen. „Du musst Para sein“, sagte sie, und als Para nickte, nahm sie seine Hände und sagte, „mein Bruder.“
Para sah sie lange an. Er fühlte die Kraft in ihren Händen. Sie verband sich mit seiner eigenen Kraft und es begann sich ein Gespinnst von Lichtern um die beiden zu zeigen. Das Gespinnst entwickelte sich zu einem Sturm an Licht. So standen die beiden und sahen sich in die Augen und in die Herzen. Sie erkannten: Sie waren sich ebenbürtig und sie stellten für einander keine Gefahr da. Sie waren Bruder und Schwester. „Meine Schwester“, sagte Para stolz.
Fala blieb zwei Tage da, dann wollte die Karawane weiterziehen. Fala nickte. „Wie lange seid ihr unterwegs? Noch einen Monat? Gut dann holt mich hier wieder ab. Ich bleibe hier.“ Der Kaufmann war bestürzt. Das war mit der Königin nicht vereinbart. Aber Fala blieb eisern. „Wenn dir mein Wunsch nicht genug ist, dann befehle ich es dir. Die Péruan werden mich beschützen.“ Sie sah ihren Bruder an, der ihr aufmunternd zunickte. „Para wird mich beschützen.“
Der Karawane blieb nichts anderes übrig. Ein Bote wäre nicht rechtzeitig in die große Stadt gekommen. Sie mussten sich der Anweisung ihrer zukünftigen Königin beugen.
9.
Dieser Monat war für Fala ein Schlüsselerlebnis. Sie lernte nicht nur die Freundschaft der Péruan kennen, sondern auch ihre Fürsorge, ihre Offenheit und ihre Ehrlichkeit.
Para und Vera nahmen sie mit in den Busch. Sie sah zu, wie sich Para in wilde Tiere und Schmetterlinge verwandelte. Sie sammelte Kräuter und bereitete Tees und Aufgüsse. Sie nahm Fische aus und webte. Sie nahm all das mit offenen Augen und Ohren auf. Es war ihr Dorf. Nicht nur, weil sie die zukünftige Königin war. Es war ihre Familie. Sie lernte viel von Para. Einmal begleitete sie Para und Vera zu einem Krankenbesuch in ein Dorf, das drei Tagesmärsche weiter am Fluss