Rainer Maderthaner

Psychologie


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um die zugrunde liegende Theorie zu verbessern (Dörner & Gerdes, 2003).

      Merksatz

      Simulationsstudien in der Psychologie bezwecken eine formale, systemanalytische und kybernetische Beschreibung von Mensch- und Umweltsystemen.

      Computerprogramme und Simulationsmodelle, die für kognitionspsychologische Forschungszwecke eingesetzt werden, sind über das Internet kostenlos zu beziehen (z.B. ACT-R: „Adaptive Control of Thought“; COGENT: „Cognitive Objects within a Graphical EnviroNmenT“; SOAR: „States Operators And Results“; PSI: eine psychologische Theorie als Computerprogramm). Das allgemeine Ziel solcher Programme und Konzepte darf darin gesehen werden, für kognitive und mentale Prozesse eine vereinheitlichende psychologische Theorie zu entwickeln.

      Entwicklungsschritte für Simulationsmodelle | Box 3.5

      Bei der Entwicklung eines Simulationsmodells für ein empirisches System gelten im Wesentlichen folgende Schritte:

      1. Das System im Detail verbal beschreiben („Wortmodell“)

      2. Für das System die Systemgrenzen bestimmen (zur Umwelt oder anderen Systemen)

      3. Wichtige Untersysteme (Module) und ihre Wirkungsbeziehungen identifizieren

      4. Die Wirkungsdynamik des Modells spezifizieren (Systemelemente und Beziehungen zwischen den Elementen und Variablen des Systems festlegen, Zustandsgrößen definieren, Rückkoppelungen erfassen, exogene Einflüsse bestimmen etc.)

      5. Die Systemstruktur und die Systemdynamik in ein formales Modell übertragen (Erstellung des Computerprogramms)

      6. Strukturgültigkeit des Modells überprüfen (z.B. den Grad der Übereinstimmung seiner Elemente und Elementrelationen mit jenen des empirischen Systems)

      7. Verhaltensgültigkeit prüfen (die Modelldynamik soll robust sein und plausible Verläufe bei den Outputvariablen zeigen)

      8. Empirische Modellgültigkeit testen (Zeitreihen des Modells werden mit solchen des abgebildeten Systems verglichen, Eingaben von bekannten, realistischen Szenarien müssen erwartete Ergebnisse liefern)

      (In Anlehnung an Bossel, 1992)

3.8 |Forschungsablauf

      Hinsichtlich der Entwicklung eines Forschungsprojekts werden grob drei Phasen unterschieden (Friedrichs, 1990; Atteslander, 2003):

      (1) Die Phase des „Entdeckungszusammenhangs“ kennzeichnet, in welcher Weise der Zugang zur Thematik gefunden wurde und welche Gründe für das Aufgreifen der Fragestellung maßgeblich waren.

      (2) In der Phase des „Begründungszusammenhanges“ sollen die in der Fragestellung angesprochenen Gesetzmäßigkeiten einer empirischen Untermauerung zugeführt werden. Dabei geht man von bereits bewährten psychologischen Theorien - und Gesetzmäßigkeiten aus, um für die Fragestellung ein solides theoretisches Konzept zu entwerfen, welches widerspruchsfrei (konsistent), empirisch prüfbar (verifizierbar- oder falsifizierbar) und sparsam in der Erklärung (effizient) zu sein hat. Aufgrund fachwissenschaftlicher Erfahrungswerte über die Zweckentsprechung spezieller wissenschaftlicher Forschungsansätze und Forschungsmethoden wird sodann für die Fragestellung ein Forschungsdesign entworfen, welches die Hypothesenformulierung, die Wahl der Untersuchungsmethode, die Ausarbeitung der Operationalisierungen - und die Stichprobenselektion inkludiert. Nachdem das Forschungsdesign in Voruntersuchungen auf seine Eignung getestet wurde, kommt es zur Durchführung der Untersuchung und zur (meist statistischen) Auswertung der gewonnenen Daten, wobei insbesondere auf Verteilung - und Skalenqualität der Variablen zu achten ist. Nach der Interpretation der Auswertungsergebnisse sowie nach deren theoriebezogener Diskussion (z.B. über Widersprüche zu Annahmen, Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse, Gefahr von Artefakten) werden die wichtigsten Schlussfolgerungen aus der Untersuchung in theoretisch-abstrakter Form zusammengefasst.

      (3) Die Phase des „Verwertungs- oder Wirkungszusammenhangs“ schließlich bezieht sich auf die verschiedenartigen Nutzungsmöglichkeiten der Forschungsergebnisse, wie etwa auf deren Beitrag zur Verbesserung theoretischer Positionen, deren Verbreitung über Publikationen und Vorträge sowie deren Umsetzung im gesellschaftlichen Bereich.

      | Abb 3.11

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      Der Forschungsablauf empirischer Untersuchungen lässt sich in verschiedene Stadien gliedern: Den Ausgangspunkt liefert die Fragestellung, die theoretisch oder praktisch begründet sein kann. Für die ausgewählte Thematik wird der bisherige wissenschaftliche Erkenntnisstand festgestellt und eine theoretische Basis in Form relevanter psychologischer Gesetze oder Theorien gesucht. Danach wird ein Forschungsdesign entworfen (dunkles Feld), indem für die theoretisch untermauerte Fragestellung empirisch überprüfbare Hypothesen, eine geeignete Untersuchungsform, konzeptspezifische Operationalisierungen, eine sinnvolle Fallstichprobe sowie eine datenadäquate Datenauswertungsmethode gefunden werden. In einem Vortest wird das Forschungsdesign auf Tauglichkeit überprüft und danach zumeist einer Revision unterzogen. Nun erst erfolgen die Durchführung der Untersuchung, die Datensammlung, die Datenauswertung, die Diskussion und die Interpretation der Ergebnisse. Den Abschluss bildet die zusammenfassende Präsentation der Forschungsresultate in einer prägnanten und theoriebezogenen Form.

      Was die wissenschaftliche Qualität von Veröffentlichungen betrifft, so ergeben sich die Kriterien dafür zunächst aus den bisher beschriebenen formalen und inhaltlichen Anforderungen des Forschungsablaufs. In den letzten Jahrzehnten orientiert man sich bei der Bewertung von Publikationen – wie übrigens in den Naturwissenschaften auch – am fachlichen Image des Publikationsorgans. Besonders hoch bewertet werden dabei solche Zeitschriften, deren Artikel in der Fachwelt (scientific community) stark beachtet, d.h. häufig zitiert werden. Diese Betonung des Wahrheitskriteriums Konsensus drückt sich im sogenannten Impact Factor einer Zeitschrift aus. Dieser gibt an, wie oft die Artikel einer bestimmten Zeitschrift der letzten beiden Jahrgänge im nachfolgenden Jahr in anderen Zeitschriften zitiert werden. Für eine solche statistische Analyse bedient man sich spezifischer Datenbanken, in denen nicht nur die Titel und die Autorenschaften von periodischen Veröffentlichungen gespeichert sind, sondern auch die in ihnen vorkommenden Verweise auf andere Publikationen („Social Sciences Citation Index“ – SCI; „Science Citation Index“ – SSI; „Web of Science“). Wenn Veröffentlichungen in Zeitschriften mit hohem Impact Factor erscheinen, haben sie eine größere Chance, zitiert zu werden und bei wissenschaftlichen Leistungsbeurteilungen zu punkten. Jene psychologischen Zeitschriften mit dem höchsten Impact Factor sind „Annual Review of Psychology“, „Psychological Bulletin“, „Psychological Methods“.

      Zusammenfassung

      Die wissenschaftliche Beschreibung und Erklärung menschlicher Erlebnisse, Bewusstseinsabläufe und Verhaltensweisen kann ganz allgemein als Versuch der Abbildung eines empirischen, konkreten Systems in ein theoretisches, abstraktes System verstanden werden. Die Überbrückungsfunktion leistet ein Korrespondenzsystem (Forschungsmethoden), mittels dessen ein Bezug zwischen den empirischen Tatsachen und den sie erklärenden psychologischen Gesetzen und Theorien hergestellt wird.

      Ebenso wie in anderen empirischen Wissenschaften werden auch in der Psychologie Gesetzmäßigkeiten vorerst an Stichproben gewonnen und überprüft, um sie danach für die Grundgesamtheit von Sachverhalten (Population) verallgemeinern zu können. Gesetze werden statistisch als Relationen zwischen unabhängigen und abhängigen Variabeln formuliert, wobei diese Relationen oft durch Moderatorvariablen beeinflusst und durch Störvariablen verfälscht sind. Die vielfältigen Vernetzungen von Wirkungsbeziehungen im psychologischen Forschungsbereich können durch direkte oder durch indirekte Kausalbeziehungen erklärt werden, die beobachteten Effekte lassen sich zumeist auf mehrere Ursachen (Multikausalität) und/oder auf bedingt wirksame Ursachen zurückführen. Aufgrund der vielfältigen Effekt- und Fehlerüberlagerungen hat man es in der Regel mit multivariaten Wahrscheinlichkeitsgesetzen zu tun.

      Die Deskriptivstatistik liefert statistische Kennwerte für die Verteilung von Variablenausprägungen und transformiert Variablen – zur besseren Vergleichbarkeit – in Standardvariablen mit gleichem Mittelwert und gleicher Streuung. Die statistischen