den man als Indikator für eine zu erwartende intellektuelle Entwicklung der Kinder in den nächsten acht Monaten ausgab. Aus allen Klassen wurden 20 % der Kinder zufällig (!) ausgewählt, die den Lehrpersonen mit dem Hinweis genannt wurden, dass von diesen Kindern aufgrund des durchgeführten Tests in der nächsten Zeit ein intellektueller Fortschritt zu erwarten sei. Nach acht Monaten zeigten die mit dem positiven Vorurteil bedachten Kinder im Intelligenztest deutliche Verbesserungen! Der gleiche Effekt konnte auch in Tierexperimenten nachgewiesen werden (Rosenthal, 2002).
Das Gegenteil vom Placebo-Effekt ist der Nocebo-Effekt, nämlich die durch Erwartung hervorgerufene negative Auswirkung eines eigentlich unwirksamen Medikaments oder einer Behandlung.
Um die genannten Artefakte in Experimenten zu reduzieren, werden Doppel-blind-Verfahren eingesetzt, bei denen weder die Versuchspersonen noch die unmittelbar das Experiment betreuenden Forscherinnen und Forscher über die Art der experimentell gesetzten Einwirkungen Bescheid wissen dürfen. Da natürlich auch in Blindstudien die Probandinnen und Probanden über die Intention einer Studie Vermutungen entwickeln, müssen in der psychologischen Forschung manchmal auch Täuschungen eingesetzt werden. Selbstverständlich sind diese nach Ende des Experiments aufzuklären.
Merksatz
In einem Experiment werden unter abgeschirmten Bedingungen die Effekte (abhängige Variablen) systematisch variierter Wirkfaktoren (unabhängige Variablen) registriert, wobei durch eine zufällige Zuteilung der Fälle zu den Bedingungen der Wirkfaktoren etwaige Verfälschungen der Ergebnisse minimiert werden sollen.
Experimente sowie andere Forschungsdesigns können sowohl als Querschnittuntersuchung (engl.: cross sectional study) als auch als Längsschnittuntersuchung (engl.: longitudinal study) durchgeführt werden. Bei der häufig eingesetzten Querschnittstudie werden an einzelnen Fällen (Personen, Gruppen, Situationen etc.) die interessierenden Variablen nur einmalig erhoben, sodass strukturelle Gesetze von Variablen analysiert werden können, während bei einer Längsschnittstudie zwei oder mehr Datenerhebungen zu den gleichen Variablen stattfinden und somit auch deren zeitliche Dynamik erfassbar ist. Ein großer Vorteil der Längsschnittmethode liegt auch darin, dass intraindividuelle Veränderungen beobachtet werden können und Verfälschungen durch unausgewogene Stichproben, wie sie bei der interindividuellen Querschnittmethode vorkommen, reduziert sind (Daumenlang, 1987). Nachteilig ist hingegen über einen längeren Zeitraum der Schwund an Versuchspersonen und die Problematik der mehrmaligen Anwendung gleichartiger Testverfahren (Gefahr von „Serialeffekten“).
3.7.2 | | Quasiexperiment |
Merksatz
Ein Quasiexperiment gleicht vom Aufbau her einem Experiment – mit dem Unterschied, dass die Fallzuordnung zu den Bedingungen nicht zufällig erfolgt.
Artefakt: In Psychologie und Nachrichtentechnik steht dieser Ausdruck für verfälschte Ergebnisse.
Diese Untersuchungstechnik gleicht vom Design her dem Experiment, nur verzichtet man auf eine zufällige Zuordnung der Versuchspersonen zu den Versuchs- bzw. Kontrollbedingungen und nimmt das Risiko von Stichprobeneffekten in Kauf. In manchen Forschungsbereichen ist eine zufällige Zuteilung zu den verschiedenen Bedingungen entweder nicht realisierbar oder ethisch nicht zu rechtfertigen; so etwa die zufällige Zuordnung von Schülerinnen und Schülern zu Schultypen, von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu Betrieben oder von Patientinnen und Patienten zu Behandlungsverfahren. Um die aus dem Verzicht einer Randomisierung resultierenden Artefakte zu kompensieren, werden in solchen Untersuchungen einerseits größere Probandengruppen angestrebt und andererseits zusätzliche Personenmerkmale erhoben, denen ein direkter oder indirekter Einfluss auf die abhängigen Variablen zugeschrieben werden kann. Zu diesen gehören die soziodemografischen Merkmale (Geschlecht, Alter, Schulbildung, Beruf ...), aber auch andere individuelle Charakteristika, die aufgrund ihrer Ungleichverteilung in den Bedingungen der unabhängigen Variablen zu systematischen Verfälschungen von Ergebnissen führen könnten. Mittels statistischer Korrekturverfahren lassen sich einige solcher Verfälschungen kompensieren bzw. aus den Ergebnissen herausrechnen („auspartialisieren“).
Feldforschung | | 3.7.3 |
Im Gegensatz zum Experiment versucht man in der Feldforschung, Phänomene unter möglichst natürlichen Bedingungen zu beobachten und zu erklären. Dem Vorteil der Natürlichkeit steht hier der Nachteil gegenüber, dass Störvariablen weniger gut kontrolliert werden können. Da Forschungsphänomene „im Feld“ wesentlich komplexer in Erscheinung treten als im Labor, kommt bei der Feldforschung der Entwicklung von genauen und effizienten Beschreibungsmethoden sowie der Ausarbeitung von Verhaltensregeln zur optimalen Datengewinnung besondere Bedeutung zu (s. Flick et al., 1995).
Merksatz
Methoden der Feldforschung bezwecken eine Untersuchung von Phänomenen unter natürlichen Rahmenbedingungen bzw. unter minimierter versuchsbedingter Beeinflussung.
Sogenannte Fallstudien („single case studies“) sind häufig erste Erfahrungsquellen und als solche nur Anregungen für weitere Forschungstätigkeiten. Obwohl Forschungsphänomene durch Fallstudien hervorragend konkretisiert und plastisch vorstellbar gemacht werden können, mangelt es ihren Ergebnissen logischerweise an Verallgemeinerbarkeit.
Einen Katalog möglicher Verhaltensweisen in natürlichen Umweltbedingungen nennt man in der Verhaltensforschung Ethogramm, innerhalb dessen ein „behavior mapping“ charakterisiert, wer was wo tut (Hellbrück & Fischer, 1999).
Non-reaktive Verfahren bezwecken eine Analyse psychologischer Problemstellungen, ohne dass die untersuchten Personen bemer-ken, dass sie untersucht werden, was insbesondere bei Inhaltsanalysen von schriftlichen Dokumenten (z.B. Tagebüchern, Archiven), bei Auszählungen von Unfall-, Krankheits- und Fehlzeitstatistiken, Verkaufsstatistiken oder Abnützungen von Bodenbelägen, Pfaden oder Gebrauchsgegenständen („Spurenanalyse“) gut gelingt.
In der Feldforschung werden häufig, aber nicht ausschließlich, qualitative Methoden verwendet, weil diese flexibler auf die Eigenarten von Personen oder von Situationen anzupassen sind.
3.7.4 | | Test und Rating |
Merksatz
Eine Standardisierung besteht aus Maßnahmen, die eine Vergleichbarkeit von verschiedenen Personen, Objekten, Situationen oder von Variablenwerten ermöglichen.
Ein Test ist ein wissenschaftlich normiertes und standardisiertes Prüfverfahren, welches stabile Eigenschaften eines komplexen Systems (Person, Gegenstand, Organisation) ermitteln soll. Unter Standardisierung versteht man Maßnahmen, aufgrund derer Situationen, Aktionen oder Objekte unter Bezugnahme auf Normen oder Regeln miteinander verglichen werden können. So etwa müssen in Experimenten Instruktionen und Rahmenbedingungen der Durchführung für alle Versuchspersonen standardisiert, d.h. als maximal ähnlich aufgefasst werden; Gleiches gilt für die Diagnostik, wo Tests verschiedenen Kandidatinnen oder Kandidaten vorgegeben werden. Bei standardisierten Fragebögen müssen die Fragen immer den gleichen Wortlaut haben, auch die möglichen Antworten sind fix vorgegeben (z.B. in Form von Antwortalternativen). Bei statistischen Auswertungen gelten Variablen dann als standardisiert, wenn ihre Werte als Differenz zu ihrem Mittelwert - und in Einheiten ihrer Streuung dargestellt werden (s. 3.6.1), wodurch auch inhaltlich sehr verschiedenartige Variablen miteinander in Relation gesetzt werden können. Bei Leistungs-, Intelligenz- oder Persönlichkeitstests bedeutet eine Standardisierung, dass die Ergebnisse der Probandinnen und Probanden auf die Verteilungen von sogenannten Referenz- oder Normstichproben bezogen sind.
Merksatz
Eine Skala soll Ausprägungen einer spezifischen Eigenschaft eines empirischen Sachverhaltes exakt (anhand von Zahlen) charakterisieren.
Da die in einem Test zu erfassenden Konstrukte aus Teilaspekten bzw. verschiedenen Inhaltskomponenten bestehen, setzen sich Tests aus entsprechend vielen Subtests bzw. Skalen zusammen, die jeweils ein homogenes Merkmal feststellen oder „messen“ sollen. Eine Skala ordnet somit empirischen Objekten (z.B. Personen) Zahlen zu, ähnlich wie dies bei der Längenmessung physikalischer Objekte anhand einer Meterskala geschieht (Niederée & Narens, 1996). Die Prüfung, ob zur Vermessung eines empirischen Objekts eine quantitative Skala akzeptiert werden kann, erfolgt auf Basis mathematisch-statistischer