Christoph Hillebrand

Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen


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      In den Fällen von § 54 S. 2 BGB und § 128 HGB handelt es sich um eine akzessorische Haftung für eine fremde Verbindlichkeit, die neben den „eigentlich“ Verpflichteten tritt, weshalb der Gesamtschuldcharakter umstritten ist. Auswirkungen hat die Akzessorietät im Hinblick auf den internen Ausgleich zwischen Schuldner und Haftendem (vgl. § 426 bzw. § 774 Abs. 1 im Unterschied zu Abs. 2). Insofern sollte in diesen Fällen verdeutlichend formuliert werden: „als wären sie Gesamtschuldner“.

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      Gesamtwirkung für alle Gesamtschuldner hat die Befriedigung des Gläubigers durch Erfüllung oder Erfüllungssurrogate (vgl. § 422 Abs. 1) und die Gefahrentlastung der Schuldner durch Annahmeverzug des Gläubigers (vgl. §§ 424, 300). Außerdem wirkt der Erlass gegenüber einem der Schuldner zugleich für alle befreiend, wenn die Parteien des Erlassvertrages dies wollten (vgl. § 423).

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      Alle anderen Tatsachen und Einreden wirken hingegen nur in der Person desjenigen Schuldners, in dem sie vorliegen. Das entspricht der Konstruktion der Gesamtschuld als eine Mehrzahl inhaltsgleicher Verbindlichkeiten auf die volle Höhe der gemeinsamen Schuld. § 425 stellt entsprechend die ausschließlich persönliche Wirkung be- und entlastender Tatsachen im Übrigen als Regel auf:

      Mehrere Käufer oder Mieter können als Gläubiger wohl meist gemeinschaftlich (vgl. § 432 statt § 428) Lieferung oder Überlassung verlangen, sie schulden das Entgelt als Kaufpreis oder Mietzins hingegen gesamtschuldnerisch („gemeinsam“, vgl. §§ 427, 421 ff.).

      Eine Kündigung, die nur gegen einen von mehreren gemeinschaftlichen Mietern (oder Vermietern) erklärt wird, wirkt nur in seiner Person, d.h. sie kann das zugrundeliegende Schuldverhältnis nicht zu Lasten des oder der anderen Beteiligten umgestalten – sie wirkt daher vielmehr gar nicht: Eine wirksame Beendigungskündigung muss stets alle gemeinschaftlichen Gläubiger betreffen (seien sie hinsichtlich der Zahlungspflicht auch Gesamtschuldner) und deshalb auch gegenüber allen erklärt werden und ihnen zugehen. – Wechselseitige Empfangsvollmachten bestehen nur bei gesonderter Erteilung (als wichtiges Element der Vertragsgestaltung), etwa im Mietvertrag, und es muss dann in der Kündigung zum Ausdruck gebracht werden, dass sie gegenüber dem Erklärungsempfänger zugleich auch für die von ihm Vertretenen gelten soll. Für eine sinnvolle Einzelwirkung von Kündigungen nach § 425 Abs. 2 bleibt deshalb nur die Fälligkeitskündigung etwa beim Darlehensverhältnis, mittels derer die Darlehensforderung nur gegenüber jedem Darlehensnehmer gesondert fällig gestellt werden kann; ansonsten hat § 425 Abs. 2 v.a. Bedeutung im Zusammenhang mit der Verjährung.

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      Gesamtschuldner und Gesamtgläubiger stehen nicht nur als lose Personenmehrheit nebeneinander, sondern sind zumindest durch die wechselseitige Erfüllungswirkung ihrer gleichgerichteten Verbindlichkeiten oder Forderungsrechte, zumeist jedoch darüber hinaus auch durch ein gemeinsames Schuldverhältnis, welchem die gemeinsamen Verbindlichkeiten oder Forderungen entstammen, verbunden. Erst dieses Schuldverhältnis im Innenverhältnis rechtfertigt die vereinfachte Abwicklung und die Verminderung des Beitreibungsrisikos des Gläubigers dadurch, dass die Leistung durch einen Schuldner oder an einen Gläubiger die volle Befreiungswirkung für und gegen alle Beteiligte zur Folge hat.

      Umgekehrt bestimmt dann dieses innere Schuldverhältnis und nicht die tatsächliche Inanspruchnahme im Außenverhältnis die richtige Lastenverteilung (Ausgleichspflicht) zwischen Gesamtschuldnern untereinander.

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      Die Ausgleichspflicht besteht also entweder durch ein dem Gesamtschuldverhältnis zugrundeliegendes gemeinsames Schuldverhältnis der Gesamtschuldner oder, soweit ein solches fehlt, aufgrund der vom Gesetz angeordneten Solidarhaftung aus der Gesamtschuld selbst. § 426 Abs. 1 gibt einen gesetzlichen Regressanspruch (Parallelnorm des Haben-Ausgleichs unter Gesamtgläubigern ist § 430) nur für Fälle, in denen kein vorrangiges schuldrechtliches Band besteht.

      Beispiele:

      Besteht etwa ein Gesellschaftsverhältnis, ist die gesamtschuldnerische Ausgleichspflicht eines aus § 128 HGB für eine Gesellschaftsschuld persönlich in Anspruch genommenen Teilhabers gegen seine Mitgesellschafter subsidiär zu seinem Ersatzanspruch aus dem Gesellschaftsvermögen (arg. § 707 BGB; vgl. auch § 110 HGB). Erst wenn das Gesellschaftsvermögen insuffizient ist, kann Ausgleichung von den Mitgesellschaftern etwa nach §§ 110, 128 HGB verlangt werden und das zudem der Höhe nach nur entsprechend den Anteilen am Gesellschaftsverhältnis, wobei der ausgleichsberechtigte Teilhaber selbstverständlich seinen eigenen Verlustanteil zuerst noch in Abzug bringen muss; das gilt auch im Rahmen der Nachhaftung gem. § 160 HGB.

      Ausnahmsweise vollen Ausgleich kann jedoch ein bereits ausgeschiedener Gesellschafter verlangen, der einem Gesellschaftsgläubiger für eine Neuverbindlichkeit lediglich wegen der negativen Publizitätswirkung des Handelsregisters (vgl. § 15 Abs. 1 HGB; weil und wenn sein Ausscheiden entgegen § 143 Abs. 2 HGB nicht im Handelsregister eingetragen wurde) haftet.

      Sind Gesamtschuldner durch Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag verbunden, kann der gesamtschuldnerisch haftende Geschäftsführer beim Geschäftsherrn vollen Regress nehmen (vgl. § 670).

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      Andere Beispiele sind § 2063 Abs. 2 für Miterben als Gesamtschuldner (vgl. § 2058) und – bei allen Formen der deliktischen Fremdhaftung als Aufsichtspflichtiger neben dem Täter selbst – der Grundsatz, dass im Innenverhältnis gegen ihn regelmäßig voller Regress genommen werden kann.

      Keinesfalls kann also für den Gesamtschuldausgleich nach § 426 Abs.