Jan R. Holland

Loverboys 166: Der Dieb


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wir jetzt müssen?«, flüsterte Jacques.

      Sie schlichen durch das Gebüsch, bis sie einen Kiesweg erreichten. Hier warteten sie weitere Sekunden im Dunkel, bis sie sicher waren, dass niemand in der Nähe war. Dann gingen sie gebückt weiter und tauchten in den Schatten einer Lorbeerhecke. Auch hier war alles dunkel. Jacques kam das allmählich komisch vor, es erschien ihm zu leicht. Sein Herz klopfte bis zum Hals.

      »Das Toilettenfenster muss hier an der Seite sein«, flüsterte Etienne und huschte hinter der Lorbeerhecke hindurch an der Wand der Villa entlang. Jacques folgte ihm ebenso geräuschlos und leicht humpelnd.

      Durch die Ritzen eines geschlossenen Fensterladens, an dem sie vorbeikamen, sickerte Licht. Jacques blieb stehen und spähte durch eine Ritze hinein. Jacques konnte nicht viel erkennen. Er sah ein zerwühltes Bett, in dem ein nackter Mann auf dem Bauch lag und schlief, das Gesicht zur Wand, einen Schenkel leicht angewinkelt. Die Wölbung seiner Arschbacken sprang Jacques geradezu ins Auge. Die Innenseiten der Backen glänzten feucht.

      Jacques schüttelte den Kopf. Es schien klar, was hier geschehen war, und er fragte sich, was einen Mann dazu bewegen konnte, sich von hinten nehmen zu lassen. Das musste doch wehtun! Für Jacques war das jedenfalls nichts.

      »Wo bleibst du denn?«, zischte Etienne.

      »Bin schon da«, gab Jacques zurück.

      Etienne wies hinauf zu einem kleinen, schmalen Fenster. Es stand offen – Andrés Werk.

      »Wir müssen jetzt zusammenbleiben«, sagte er. »Bleib hinter mir. Erst im Arbeitszimmer trennen wir uns, und du kümmerst dich um den Sekretär, ich um die Verstecke im Aktenschrank.«

      »Alles klar«, flüsterte Jacques.

      Etienne packte den Rahmen des Toilettenfensters und wuchtete sich hinauf. Jacques folgte. Einen Moment verharrten sie und lauschten auf Geräusche im Haus. Jacques unterdrückte ein Stöhnen, weil er mit dem verletzten Teil seines Fußes aufgekommen war.

      Etienne schlich auf leisen Sohlen zur Tür und öffnete sie vorsichtig einen Spaltbreit, um zu horchen. Dann huschte er hindurch. Sie schlichen einen Gang entlang, jederzeit darauf gefasst, die Flucht zu ergreifen.

      Etienne öffnete eine Tür, spähte hindurch und zog Jacques schnell hinter sich her in das Zimmer. Das Arbeitszimmer von Monsieur Foucasse! Sie waren am Ziel. Im bläulichen Licht eines Aquariums, in dem einige tropisch-bunte Korallenfische schwammen, konnte Jacques einen ausladenden Schreibtisch erkennen, an der Wand seitlich einen Sekretär. In diesem Sekretär befand sich laut André die Portokasse des Monsieur Foucasse mit einigen tausend Euro darin. Und in dem massiven Regal dort drüben, in dem das Aquarium stand, würde Jacques einige wertvolle Schmuckgegenstände aus Gold und Edelsteinen finden, Dinge, die Monsieur Foucasse lieb und teuer waren.

      »Hat André was von dem Aquarium gesagt?«, wisperte Jacques, den das intensive bläuliche Licht beunruhigte.

      Etienne schüttelte den Kopf.

      »Das muss er vergessen haben.«

      »Das gefällt mir nicht«, flüsterte Jacques. »Man kann uns von draußen sehen.« Er deutete auf die großen Fenster. »Aber abschalten können wir das Licht nicht, das würde auffallen.«

      »Dann müssen wir uns eben beeilen. Du den Sekretär, ich das Regal, wie besprochen. Schnell!«

      Jacques schlich hinüber zu dem zierlichen Möbel, das sich unauffällig in eine Nische drückte. Das Schloss bereitete ihm nicht das geringste Problem, er hatte es im Nu geknackt. Er klappte die Schreibplatte des Sekretärs herunter. Dabei lauschte er auf die Geräusche im Haus. Von irgendwoher drang wildes, geiles Stöhnen. Das mussten die Wachmannschaften sein, dachte Jacques und widmete sich wieder dem Sekretär, indem er die obere Schublade herauszog, um an den Mechanismus für das Geheimfach zu kommen, der dahinter angebracht war.

      Da flog plötzlich die Tür auf, das Deckenlicht flammte auf, und drei Männer stürmten herein, zwei große, breite Kerle mit mächtigen Muskeln in Sporthemden, einer mit Glatze, der andere schwarz, und ein dritter Mann, der ihnen lässig schlendernd folgte. Er hatte seine Haare zu einem Zopf gebunden.

      In der Falle!

      »Hände hoch!«

      Jacques war wie gelähmt. Bewegungsunfähig starrte er dem schwarzen Riesen entgegen, der rasch auf ihn zukam und ihm den Arm auf den Rücken drehte, so dass Jacques vor Schmerz aufschrie.

      »Den einen hab ich!«, rief der Schwarze.

      »Ich kümmere mich um den anderen«, erwiderte der andere Muskelmann von drüben.

      Jacques versuchte, sich zu wehren, aber dafür war es jetzt zu spät. Gegen den stahlharten Griff des schwarzen Riesen hatte er nicht den Hauch einer Chance. So sehr er auch zappelte und mit dem freien Ellenbogen rückwärts stieß, in die Magengrube des Riesen – der Mann zeigte sich absolut unbeeindruckt. Es war, als schlüge Jacques auf Stahlbeton ein.

      Aus den Augenwinkeln sah Jacques plötzlich etwas durch die Luft fliegen. Mit gewaltigem Krach ging eine der Fensterscheiben zu Bruch, und im nächsten Moment schwang sich ein wendiger Schatten durch den leeren Rahmen und verschwand in der Nacht.

      »Ich hole Hilfe!«, hörte Jacques Etienne noch rufen.

      Der glatzköpfige Muskelberg sprang ihm hinterher und nahm die Verfolgung mit einer Geschwindigkeit auf, die Jacques diesem Berg aus Fleisch und Muskeln niemals zugetraut hätte.

      Der dritte Mann, der Lässige mit dem Zopf, zog derweil ein Handy aus der Hosentasche.

      »Wir haben einen von den beiden«, sagte er, lauschte kurz und antwortete: »Ist entkommen. Aber Jean verfolgt ihn und wird ihn fangen … Okay … Ist die Bar noch besetzt?«

      Da die Antwort anscheinend zu seiner Zufriedenheit ausfiel, bestätigte er und steckte das Handy wieder weg. Stattdessen zog er nun ein Paar Handschellen aus der Hosentasche. Damit kam er grinsend auf Jacques zu. Es ratschte zweimal kurz, dann war es passiert, und Jacques war endgültig in der Hand dieser Leute.

       Kapitel 3

      Der schwarze Riese lockerte seinen Griff, hielt Jacques aber weiterhin schmerzhaft am Oberarm fest. An Flucht war nicht zu denken.

      »Wen haben wir denn hier?«, fragte der Zopfträger und musterte Jacques von oben bis unten. »Einen unverschämten kleinen Dieb, wie es aussieht.«

      Jacques presste die Lippen aufeinander. Er schwitzte vor Wut und Angst. Was würden sie mit ihm machen? Was hatte Etienne ihm da eingebrockt?

      Hoffentlich beeilte sich Etienne damit, Hilfe zu holen. Aber welche Hilfe überhaupt? Die anderen Jungs? Von diesen Waschlappen hatte er nichts zu erwarten. Und wer sonst würde ihn vermissen? Catherine, seine Freundin? Die würde schon morgen Abend mit einem anderen rummachen. Seine Mutter? Die hatte sich noch nie um ihn gekümmert. Nein, Jacques hatte keine Hilfe zu erwarten. Er war diesen Leuten ausgeliefert, diesem Riesen ebenso wie dem Zopfträger, der sich ihm nun auf die Länge eines Unterarmes näherte und ihm stechend in die Augen blickte. Trotzig erwiderte Jacques diesen Blick.

      »Ein Kind der Straße«, stellte der Kerl fest. Er ließ die Finger seiner Rechten über Jacques’ nackte Brust streichen, die nass war von Schweiß. Jacques zuckte vor der Berührung zurück und begehrte noch einmal gegen den eisernen Griff des Riesen auf, aber der Schwarze ließ ihm keine Chance.

      »Einen Gossenjungen«, fuhr der Zopfträger fort und strich durch Jacques feuchtes, halblanges Haar. »Einen Straßenköter, der besprungen werden will. Einen süßen kleinen Dreckfink mit Augen wie Sternen.«

      Der Mann hatte strahlend helle, blaue Augen, Lachfalten in ihren Winkeln. Darüber eine hohe Stirn, Geheimratsecken. Auffallend große Nase, schmale Lippen, kantige Kiefer, deren Muskulatur heftig arbeitete, während er Jacques von oben bis unten musterte.

      »Ich heiße Max«, sagte er, »und vielleicht werde ich dir schon morgen meinen fetten Schwanz in deinen engen kleinen Straßenköterarsch