und lauschte. Ein Raunen ging durch die anderen Anwesenden, zwei von ihnen wagten es sogar, miteinander zu sprechen, was Akolyth Prospero fast an den Rand des Wahnsinns trieb.
»Es ist der Alarm«, bestätigte der Mann am Portal Novas Vermutung.
»Was kann da passiert sein?«, fragte eine Frau neben Nova.
Nun sah sich der Akolyth genötigt, doch aufzustehen. Er hob beschwichtigend die Hände. »Suchende, bewahrt Ruhe!«
»Aber der Alarm …«, meldete sich nun Nova zu Wort und fing sich einen strafenden Blick Prosperos ein. Der füllige Mann strich sich verzweifelt durch das kaum mehr vorhandene dunkle Haar. Sein Blick irrte zum Abbild des Erlösers, als erhoffe er sich dringende Antworten von höherer Stelle. Ihm war anzusehen, dass er der Situation nicht gewachsen war. In erster Linie interessierte ihn nicht der Alarm, sondern die abrupte Unterbrechung ihrer Gebetsstunde, obwohl sie noch zwei Zyklen vor sich hatten.
Akolyth Prospero zupfte sich die gelbe Robe seines Amts zurecht und ging zum Schrein hinüber. Er murmelte leise Worte zum Holo des Erlösers und wandte sich dann zum Gebetskreis um. »Was immer draußen geschieht, wir sind nicht allein. Der Erlöser ist bei uns und wird uns beschützen. Wir sind hier sicher in seinen geheiligten Räumen, in seiner Obhut. Lasst uns ihm weiter huldigen und für seine Gnade beten.«
Der Mann an der Tür nickte bekräftigend und kehrte zu seinem angestammten Platz zurück. Ein Seufzen ging durch die Gruppe der anderen. Prosperos Worte hatten sie ermutigt. Selbst Nova entspannte sich ein wenig und begann automatisch wieder mit ihren Atemübungen, ohne jedoch die Augen zu schließen.
»Großer Erlöser!«, stieß jemand plötzlich hervor. Neun Augenpaare richteten auf den Schrein. Prospero sah verdutzt drein; erst als er den Blicken der anderen folgte, schnappte er erregt nach Luft, verdrehte die Augen und knickte in den Knien ein. Ohnmächtig schlug er auf dem Boden auf.
Nova erfasste die Bedeutung von dem, was geschehen war! Zweifelnd starrte sie in den Schrein, in dem nunmehr nur noch zwei Glimmerstäbe glühten.
Die holografische Büste des Erlösers war erloschen.
Tage wie dieser kündigten sich nicht an. Tage wie dieser geschahen einfach.
Unverhofft. Gnadenlos.
Roderick Sentenza fuhr mit schierem Unglauben hoch, als die Alarmsirenen durch das Schiff gellten. Vor nicht einmal drei Minuten hatte er sich ermattet auf seine Koje geworfen, nachdem die Ikarus zwei Einsätze direkt hintereinander geflogen war. Das Schicksal schien ihm keine Ruhe zu gönnen.
Schlaftrunken schwang er die Beine über den Rand seines Betts und wankte zum Sprechgerät der Bordkommunikation.
»Sentenza hier«, murmelte er halblaut vor sich hin. »Was ist nun schon wieder los?«
»Wir empfangen einen Notruf, Captain«, meldete sich Arthur Trooid von der Brücke. »Ein automatisches Signal von …«
»Ich komme!«, unterbrach Sentenza den Droiden. Der Chef der Rettungsabteilung knöpfte kurz seine Uniformjacke zu. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, sich vor dem Schlafengehen auszuziehen.
Wozu auch?, raunte ihm die höhnische Stimme seines Unterbewusstseins zu.
Müde rieb sich Sentenza das Gesicht und verließ sein Quartier. Auf dem Weg zur Brücke rekapitulierte er die letzte Woche. Soweit er sich zurückerinnern konnte, war es die schlimmste seines Lebens gewesen. Selbst der Dienst in der Raummarine des Multimperiums war dagegen ein Zuckerschlecken.
Vor fünf Tagen war die Ikarus von Vortex Outpost zu einem Bergungseinsatz ausgerückt. Die Crew musste die Überlebenden eines Raumschiffsabsturzes bergen. Die Unglücklichen waren auf einem Asteroiden notgelandet.
Fünf Tage, sinnierte Sentenza und bog in den Gang ein, der direkt zum Gehirn seines Schiffs führte. Die Ikarus hatte die Geretteten auf einem nahen, bewohnten Planeten des Freien Raumcorps abgesetzt und war im Begriff gewesen, wieder nach Vortex Outpost zurückzukehren, als sie gebeten wurden, in einer Kolonie das Strahlungsleck eines solaren Kraftwerks zu reparieren. Danach musste ein Raumer mit Treibstoff versorgt, anschließend medizinische Versorgungsgüter nach Aurelius IV transportiert werden. Sentenza erinnerte sich nicht mehr an jedes Detail, glaubte aber, dass sie innerhalb der letzten fünf Tage acht Einzeleinsätze geflogen waren, ohne zwischendurch auf Vortex Outpost eine Pause gemacht zu haben.
Gott, nicht mal die Anzahl der Missionen bekomme ich noch auf die Reihe …
Die Crew war förmlich am Ende und hatte die Grenzen ihrer Belastbarkeit längst überschritten. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis der Erste von ihnen zusammenbrach.
Sentenza betrat die Kommandozentrale der Ikarus. Wie gewohnt saß Trooid am Steuer und übernahm gleichzeitig die Navigation. Thorpa behielt die Sensoren im Auge. Deutlich waren diesem die Strapazen anzumerken. Seine Bewegungen kamen schleppend und die astähnlichen Extremitäten hingen träge an seinem Leib herunter.
Die dienstbeflissene Chefingenieurin des Rettungsteams war bereits vor ihrem Captain auf der Brücke eingetroffen.
Als sie ihn sah, zwinkerte sie ihm zu.
Sentenza nickte in Sonjas Richtung. Ihr Anblick ließ ihn für einen Moment wieder aufleben, auch wenn ihre Züge kaum mehr von Lebendigkeit zeugten. DiMersi war ebenso erschöpft wie er. Dunkle Ringe hatten sich unter ihre Augen gelegt und ihre Haut war so blass, dass sie fast heller als ihr weißes Haar wirkte.
Roderick Sentenza ließ sich in seinen Sessel fallen. Kurz drohten ihm einfach die Augen zuzufallen, doch er zwang sich, wach zu bleiben. Er fragte sich, wie lange er dies noch schaffen würde, wann sein Kreislauf versagte und er einfach im Stehen einschlief.
»Okay, was haben wir, Trooid?«
»Automatisiertes Standardnotrufsignal«, teilte der Droid mit, ohne seinen Blick von den Instrumenten zu nehmen. »Entfernung etwa drei Lichtjahre.«
»Gibt es kein anderes Schiff in der Nähe, das helfen könnte?«, fragte Sentenza, obwohl er glaubte, die Antwort zu erahnen. Wenn sie nicht bald eine Pause einlegten, würden sich zwangsläufig Fehler in ihr Handeln einschleichen – Fehler, die sowohl für sie, als auch für die zu Rettenden schlimme Folgen haben konnten.
»Negativ.«
Sentenzas Mundwinkel sanken enttäuscht nach unten. Er warf Sonja DiMersi einen Hilfe suchenden Blick zu, doch die Ingenieurin quittierte dies nur mit einem Schulterzucken.
»Wo ist Weenderveen?«
»In seinem Quartier«, antwortete Thorpa ungerührt.
»Und er hat nicht auf den Alarm reagiert?«, wunderte sich Sentenza.
»Ich glaube, er brauchte vornehmlich das, von dem wir alle im Moment zu wenig bekommen«, sagte der Pentakka mit müder Stimme. »Schlaf.«
Wie wahr, wie wahr, dachte der Captain. Na schön, soll er schlafen …
»Und er hatte wohl die Nase voll von den Turteltäubchen, wie er sich äußerte«, fügte Thorpa hinzu.
Sentenza seufzte. Er und Sonja hatten es den anderen in den letzten zwei Wochen sicherlich nicht leicht gemacht. Nachdem sie auf Seer’Tak City zusammengefunden hatten, waren sie unzertrennlich geworden und hatten keinen Moment ausgelassen, um nicht ihrer Liebe zueinander zu frönen – sehr zum Leidwesen der restlichen Besatzung. Vielleicht waren ihre Gefühle auch nur so intensiv, um die Trauer fortzuspülen, die in ihnen allen saß. Immerhin hatte ein Crewmitglied sein Leben gelassen. Sentenza gab zu, dass er bisher nicht viel von An’ta gehalten hatte und er einfach zu wenig über sie wusste, um Sympathien für die Grey zu empfinden. Das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass jemand aus der Besatzung unter seinem Kommando gestorben war. Und ohne An’tas Aufopferung wäre wahrscheinlich Sonja jetzt nicht mehr am Leben.
Sentenza wischte die quälenden Gedanken