Sylke Brandt

Rettungskreuzer Ikarus 11 - 20: Verschollen im Nexoversum (und 9 weitere Romane)


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bitte an, mir vorher Bescheid zu sagen, wenn wir geradewegs in ein Asteroidenfeld fliegen, Trooid«, brummte Sentenza. »Notsignal lokalisieren.«

      »Kommt direkt aus dem Feld, Captain«, teilte Weenderveen kurz darauf mit. »Entfernung eintausendzweihundert. Gebe Koordinaten an die Steuerkonsole durch.«

      »Kann man schon sehen, was es ist?«, fragte Sentenza.

      »Scheint eine Fluchtkapsel zu sein«, vermutete Weenderveen.

      »Funkverbindung?«

      »Kein Kontakt.«

      Sentenza seufzte. Er verspürte nicht die geringste Lust, am Ende dieser aufreibenden Woche noch mit einem Felsbrocken zusammenzustoßen. Doch sein Vertrauen in die intelligente Steuerung der Ikarus II war groß. Bisher hatten nur Trooid und An’ta etwas über die Modifikationen, die Sentenza an dem neuen Schiff vorgenommen hatte, herausgefunden. Sie wussten zwar nicht, was er getan hatte, hatten aber akzeptiert, dass er sich bisher ausschwieg. An’ta konnte das Geheimnis ohnehin nicht mehr preisgeben.

      Ein Kloß steckte in Sentenzas Kehle, als er abermals an die Grey denken musste. Erst auf ihrer letzten Mission bei Seer’Tak City waren sie sich ein wenig nähergekommen, hatte er erstmals den Panzer aufbrechen können, den sie um ihre Persönlichkeit gelegt hatte – und dann war sie gestorben.

      Zu früh!, dachte Roderick betrübt. Zu früh …

      Der Captain atmete tief durch. Er musste unbedingt die anderen über die Protomasse einweihen. Sie waren seine Crew und hatten ein Recht darauf zu erfahren, was er mit dem Schiffscomputer angestellt hatte.

      »Trooid, nehmen Sie Kurs auf die Fluchtkapsel«, ordnete Sentenza ruhig an. »Und denken Sie an die Manöver, die Sie mit der neuen Ikarus schon bewältigt haben, wenn Sie uns dort hindurchmanövrieren.«

      »Aye, Sir!«, bestätigte der Droid und ließ damit keinen Zweifel aufkommen, dass er Sentenzas Anspielung auf die intelligente Steuerung verstanden hatte.

      Auf dem Hauptschirm huschten die Felsbrocken gefährlich nahe heran. Thorpa duckte sich instinktiv, als einer der Asteroiden mit der Ikarus zu kollidieren schien, doch nachdem der Pentakka feststellte, dass er der Täuschung der Bildschirmvergrößerung aufgesessen war, schaute er peinlich berührt in die Runde. Aber niemand hatte seine Gesten mitbekommen.

      Trooid brachte den Kreuzer mit Vollschub in das Feld hinein. Selbst für Sentenzas Geschmack waren sie viel zu schnell. Er traute dem Droiden eine Menge zu, aber auch er würde irgendwann danebenliegen und musste sich physikalischen Gesetzen beugen. Bei der Geschwindigkeit war es nur eine Frage der Zeit, bis sie mit einem Brocken zusammenstießen. Trooid behielt unbeirrbar das Tempo bei. Er überließ sie der intelligenten Steuerung der Ikarus, die bereits zweimal ihr Können unter Beweis gestellt hatte. Das Schiff schützte sich quasi selbst.

      Dennoch würde die Steuerung nicht allen Asteroiden ausweichen können, zumindest nicht den Kleinstsplittern, die zwischen den großen Brocken umherschwirrten wie ein Schwarm lästiger Insekten.

      »Schutzschilde!«, befahl Sentenza.

      Sonja bestätigte nickend und sofort leuchtete eine entsprechende schematische Darstellung auf den taktischen Displays auf. Die Anweisung kam keine Sekunde zu früh. Kurz darauf wurden erste Treffer von faust- bis fußballgroßen Trümmerstücken angezeigt. Die Legierung der Außenhülle des Schiffs hätte die meisten mühelos abprallen lassen, doch einem Dauerbeschuss würde auch sie irgendwann nachgeben.

      Gebannt verfolgte Roderick Sentenza die Route der Ikarus auf der Kursdarstellung, blickte hin und wieder auf zum Hauptschirm und nickte anerkennend bei den gekonnten Ausweichmanövern. Er musste unbedingt nachher mit Trooid darüber sprechen, welche Flugkorrekturen der Droid und welche das Schiff selbst vorgenommen hatte.

      »Ziel müsste gleich in Sichtweite sein«, sagte Weenderveen. »Wenn uns nicht vorher einer dieser Klumpen pulverisiert.«

      »Vertrauen Sie unserem Piloten, Darius«, meinte Sonja. »Immerhin haben Sie ihn gebaut.«

      »Ebendas beunruhigt mich«, erwiderte Weenderveen, allerdings nicht ohne die Mundwinkel zu einem breiten Grinsen zu verziehen. Trooid konnte dies nicht sehen und gab auch mit keiner Geste zu verstehen, ob der Scherz seines Schöpfers ihn beleidigt hatte oder nicht.

      Die Darstellung auf dem Hauptschirm wurde vergrößert. Zwischen den dahintreibenden Asteroiden erkannte Roderick Sentenza etwas Metallisches, das sich deutlich von den Felsbrocken abhob. Das Objekt wurde bei der gegenwärtigen Geschwindigkeit rasch größer und füllte nach wenigen Augenblicken den gesamten Schirm aus.

      »Eigenartige Form für eine Fluchtkapsel«, sinnierte Sonja.

      Sie sahen auf ein sternförmiges Objekt mit einem einzigen Nottriebwerk. Aussichtsluken oder eine Frontsichtscheibe waren nicht zu erkennen. Ebenso ungewöhnlich wie die Form war auch der Anstrich. Die Rettungskapsel glänzte in einem leuchtenden Gold. Trotz ihres Raumflugs, der unweigerlich seine Spuren am Material der Außenhaut hinterlassen hatte, schien die Farbe kaum stumpf geworden zu sein, geradezu als leuchte das sternförmige Design von innen heraus.

      »Kann es sein, dass da jemand Wert auf einen strahlenden Abgang gelegt hat?«, wunderte sich Darius Weenderveen.

      »Eher auf Imagepflege«, pflichtete Sonja bei. »Ich möchte nicht wissen, wie das Mutterschiff aussieht.«

      »Immer noch keinen Kontakt?«, fragte Sentenza dazwischen.

      »Negativ«, gab Weenderveen zurück.

      »Wir sind in drei Minuten in Andockreichweite«, teilte Trooid mit. »Soll ich das Manöver einleiten?«

      »Wir holen die Kapsel mit dem Traktorstrahl in Hangar eins herein. Was sagen die Sensoren?«

      »Ein Lebenszeichen wird angezeigt«, verkündete Thorpa. »Humanoid mit schwachem Puls. Keine Kontamination der Außenhülle. Wir können die Kapsel gefahrlos bergen.«

      »Manöver nach eigenem Ermessen, Trooid. Sonja und Thorpa, mit mir in den Frachtraum. Weenderveen, zur Krankenstation. Sie behalten dort unsere beiden Patienten im Auge und schicken den Doc ebenfalls zum Hangar.«

      Die anderen bestätigten kurz. Danach verließen sie die Brücke. Als sie den Hangar erreichten, gab es noch keine Freigabe zum Betreten. Soeben wurde die Kapsel mit dem Fangstrahl hereinbefördert. Erst als der Druckausgleich wiederhergestellt und Frischluft in den Hangarraum gepumpt worden war, ließen sich die Schotten öffnen.

      Sentenza schritt voran. Ihm folgten Sonja und Thorpa. Das Protokoll des Corps verlangte, dass zumindest einer bei der Bergung eines unidentifizierten Objekts bewaffnet war. Wie um Sentenza daran zu erinnern, zog Sonja den Strahler, den sie auf dem Weg an sich genommen hatte, und hielt ihn schussbereit in Richtung der Kapsel.

      Das geborgene Fluchtvehikel parkte neben einem der beiden Beiboote der Ikarus. Die sternförmige Kapsel maß vielleicht drei Meter im Durchmesser. Aber niemand machte Anstalten, das Fahrzeug zu verlassen. Seltsam … Sentenza beschlich ein ungutes Gefühl, als er das sternförmige Objekt betrachtete. Er wusste nicht, woher die Nervosität kam. Möglicherweise war es eine Spur innerer Eingebung und etwas von angeborenem Instinkt, der ihn am liebsten das Ding wieder in den Weltraum hinausschleudern lassen wollte. Doch dafür war es jetzt zu spät.

      Doktor Jovian Anande betrat den Hangar und prüfte nochmals mit einem medizinischen Handscanner die Außenhülle der Kapsel. Nach einer halben Minute schüttelte er leicht den Kopf und verkündete: »Keine bekannten Viren.«

      »In Ordnung, an die Arbeit!«, befahl Sentenza.

      Während Sonja weiterhin sicherte, öffneten Thorpa und der Captain die magnetische Versiegelung. Es gab an der Ausstiegsluke ein elektronisches Eingabefeld, das auf die Standardcodes des Freien Raumcorps ansprach. Zischend schob sich das Luk beiseite und gab den Blick auf den engen Innenraum der Kapsel frei. Sie bot gerade einmal Platz für eine Person und der Mann, der in dem unbequemen Schalensessel lag, hatte sich bei seiner Größe förmlich in den Raum zwängen müssen.

      Anande