Jule Hildmann

Schatzkiste der Simple Things


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der Trainer eine ganz zentrale Bedeutung im pädagogischen Prozess hat, ist einleuchtend. Wie vielseitig und vielschichtig dieser Einfluss – z.B. eben durch die diversen Anforderungen prozessorientierten Arbeitens – ist, wird allerdings oft zu wenig bedacht.

      Stapelweise Fachbücher und -artikel stellen Anforderungsprofile für Erlebnispädagogen vor (König & König, 2002; Paffrath, 2013; Heckmair & Michl, 2004; BE, 2015a/b; Reiners, 1995; 2003; Martin, Cashel, Wagstaff, & Breunig, 2006; Shooter, Sibthorp, & Paisley, 2009; Priest & Gass, 2005). Worüber sich alle einig sind, ist, dass eine Kombination verschiedenartiger Kompetenzen erforderlich ist, um gute Erlebnispädagogik zu leisten. Dazu gehört, dass man neben den konkreten Aktivitäten, die durchgeführt werden sollen, auch allgemeine Methoden der Moderation und Gruppenleitung beherrscht. Weiterhin sind (Er-) Kenntnisse über oben genannte Gruppenprozesse und typische Themen in Gruppen erforderlich, und wie diese wachstumsorientiert begleitet werden können (siehe die Abschnitte Ziel- & Prozessorientierung und Sicherheits- und Notfallmanagement). Die Anwendung dieser Kompetenzen basiert auf einer ethischen Grundhaltung der Trainer, die von einem ressourcenorientierten Menschenbild und einem ganzheitlichen und systemischen Bildungsverständnis geprägt ist.

      Obwohl es noch weitere Anforderungen an das Trainerprofil gibt, sei es jedem Leser ans Herz gelegt, sein Kompetenzspektrum kontinuierlich zu reflektieren und zu erweitern. Ein Bereich, der besonders von Anfängern oft hinten angestellt wird, ist der Ausbau solider Kompetenzen im Umgang mit Krisen- und Notfallsituationen.

      Es kann immer etwas schief gehen, egal wie gut wir ausgebildet und vorbereitet sind. Und sobald wir uns in die Natur bewegen, setzen wir uns von vorne herein einer Vielzahl an Risiken und Unsicherheiten aus. Das nehmen wir zwar in Kauf in der Erlebnispädagogik, in der es gezielt darum geht, Herausforderungen zu schaffen und bekannte, sichere Wege zu verlassen. Gleichzeitig haben wir jedoch auch eine Verantwortung für die psychische und körperliche Unversehrtheit unserer Teilnehmer. Diesen Spagat zu leisten, ist oft nicht einfach, wie die aktuelle Diskussion um Risiko und Wagnis demonstriert (z.B. Siebert, 2003; Gill, 2010; Leberman & Martin, 2003).

      Ein ausgereiftes Sicherheits- und Notfallmanagement kann erstens viele Notfall- und Krisensituationen von vorne herein vermeiden, zweitens dafür sorgen, dass im Falle eines Notfalls schnell und kompetent gehandelt wird, und drittens für die Veranstalter und Trainer als wertvoller Schutz im Falle eines Rechtsstreits dienen.

      Zu einem solchen Sicherheits- und Notfallmanagement gehören unter anderem:

       Kenntnisse und Kompetenzen in Bezug auf psychische Grenzerfahrungen und einer kompetenten Betreuung von Teilnehmern in Krisensituationen.

       Ein Konzept, wie in Notfällen standardmäßig zu verfahren ist (Interaktion mit dem Veranstalter, Telefonlisten, Koordination der Gruppenbetreuung, etc.).

       Eine systematische Risikoanalyse der geplanten Aktivitäten in Bezug auf Gruppe, Örtlichkeiten, Wetter, etc.

       Eine angemessene Abfrage gesundheitlicher Einschränkungen bei den Teilnehmern.

       Neben einem formellen Erste-Hilfe-Schein auch praktische Handlungskompetenzen. Wer draußen unterwegs ist, sollte zusätzlich Kompetenzen in Erste-Hilfe-Outdoor haben.

       Ein für das jeweilige Programm angemessen ausgestattetes Erste-Hilfe-Set.

       Eine gewissenhafte Aufarbeitung aller Unfälle, Beinahe-Unfälle, und relevanter Vorkommnisse, mit dem Ziel eines stetig ausgereifteren Präventions- und Sicherheitsmanagements.

      Wer sich in diesen Bereichen noch nicht sicher fühlt, der ist dringend angehalten, sich entsprechend fortzubilden. In Hinblick auf SimpleThings ist unbedingt zu beachten, dass eine Begrenzung auf die Verwendung von Alltagsmaterialien körperliche und psychische Gefahren keinesfalls ausschließt!

      In diesem Zusammenhang sei ebenfalls betont, dass man Übungen nicht einfach aus einem Buch o. Ä. übernehmen und unkritisch anwenden sollte (auch aus diesem nicht)! Stattdessen gilt der dringende Rat, sie entweder vorzutesten oder wirklich so viel Erfahrung mit Gruppen und erlebnispädagogischen Prozessen zu haben, dass man sich sicher fühlt, Abwandlungen und Experimente zu wagen, Gefahrenstellen zu antizipieren, und auch unvorhergesehene Wendungen in Lernsituationen zu einem positiven Lernzuwachs zu leiten.

       Viel Erfolg!

      Nach diesen wohl gemeinten Warnungen und Hinweisen wünschen wir allen Lesern nun viel Freude und Erfolg mit den in diesem Buch beschriebenen Übungen.

      Wer Lust hat, auch selber Übungen zu entwickeln, der kann sich aus Leitfäden für Förster und Naturpädagogen, sowie aus Büchern mit einfachen Spielen (z.B. Hechenberger, Michaelis, & O’Connell, 2007; Frank & Eckers, 2007; Lehner, 2005; Mertens, 2005; Geissler & Butschkow, 2004; Köckenberger, 2004; Baer, 1997) Anregungen holen und oft durch einfache Veränderungen Kooperationsaufgaben und andere erlebnisorientierte Herausforderungen umwandeln lassen. Wie erlebnispädagogische Übungen systematisch und Ziel- bzw. Zielgruppen bezogen entwickelt werden können, ist an anderer Stelle ausführlich beschrieben (Hildmann, vorr. 2017; Hildmann & Moseley, 2012; Hildmann & Seuffert, 2010).

      Rückmeldungen und Anregungen zur Verbesserung dieses Konzeptes sowie auch SimpleThings-Ideen oder Übungen, die Sie vielleicht kennen, sind jederzeit herzlich willkommen. Bitte an [email protected].

      Teil 1:

      Naturnahe Räume

      Park und Wiese

       Park und Wiese

      Parks sind großartige erlebnispädagogische Handlungsräume nahe oder gar inmitten der Stadt. Mit ihren Bäumen, Rasen- und Wiesenflächen, Wegen, Gebüschen und Gewässern sind sie äußerst vielseitig, bieten viele Vorzüge der Natur (Geräuscharmut, Naturmaterialien, etc.), und das alles ohne lange Anfahrtswege. Perfekt für SimpleThings.

      Wiesen können als Teil von Parks oder davon unabhängig auftreten, z.B. als Obstwiese, Waldlichtung, Naturwiese, oder einfach unbestelltes Gelände mit Unkraut und Gestrüpp. Der Fokus liegt dabei auf der Vielfalt an Blumen und Gräsern, sowie ein relatives „Freisein“ von größeren Hindernissen wie Bäumen oder Gebäuden.

      In diesem Kapitel gibt es für beide Räume etwas, und zudem vieles, was auch drinnen oder anderswo durchgeführt werden kann und im Park einfach ein schönes und wohltuendes Ambiente bekommt. Denn die gesundheitlichen und sozio-emotional positiven Auswirkungen eines Verweilens in der Natur und naturnaher Umgebung sind vielfach belegt (siehe z.B. Muñoz 2009). Im Park können wir davon gratis profitieren und dies als Bonus für den Lernerfolg verbuchen.

      Das schnelle Entfliehen aus einem städtischen Alltag fördert besonders Lernziele wie zur Ruhe kommen und Abstand gewinnen. Außerdem bietet eine einfache Rasenfläche die Möglichkeit, nahezu alle Übungen aus dem Kapitel Seminar- und Gruppenräume anzuwenden, mit dem erwähnten Gratiseffekt der belebenden Grünfläche und frischen Luft.

      In Parks ist neben der Parkordnung in erster Linie zu beachten, dass die Rechte anderer Nutzer gewahrt bleiben müssen. So sollten z.B. keine Fahrradwege mit Seilen überspannt werden, oder lebendige Gruppen-diskussionen am Zengarten stattfinden. Das Prinzip ist selbstverständlich und gerät doch manchmal im Trubel des Geschehens aus dem Blick.

      Blumenwiesen im klassischen Sinne werden oft landwirtschaftlich genutzt