Wolfgang Altgeld

Geschichte Italiens


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Form die Machtbefugnisse des Papstes, ohne jedoch den scharfen Ankündigungen Taten folgen zu lassen. Es spricht vieles dafür, dass Urban VI. geistig verwirrt war und einer Art von päpstlichem Cäsarenwahn verfiel. Die Kardinäle verließen Rom, erklärten am 20. Juli Urbans Wahl für ungültig und schritten am 20. September 1378 zur Neuwahl, aus der Kardinal Robert von Genf als Clemens (VII.) hervorging. Da Urban VI. auf seiner Rechtmäßigkeit beharrte, war das Schisma entstanden.

      Dass Urbans Wahl unter Zwang erfolgte, wie die Kardinäle zur Begründung ihres Schrittes behaupteten, ist nicht erwiesen und hätte keinesfalls erst drei Monate nach der Wahl eingewendet werden dürfen, zumal die Kardinäle während dieser Zeit Urban als rechtmäßigen Papst behandelten, an seiner Krönung teilnahmen und Gnaden von ihm erbaten. Für das Problem der offenkundigen [140]Unfähigkeit des Papstes sah das Kirchenrecht freilich keine Lösungsstrategie vor. Abgesehen davon war Clemens (VII.), dem man den Beinamen »Henker von Cesena« gab, weil er als Heerführer Gregors XI. im Frühjahr 1377 in dieser Stadt ein Massaker angerichtet hatte, aus moralischen Gründen als Kirchenoberhaupt ebenso ungeeignet.

      Die Stellungnahme der Staaten zu den beiden Päpsten war uneinheitlich und oft politisch bedingt. In Italien sprach sich der nördliche Teil unter dem Einfluss des Reiches im Wesentlichen für Urban aus; Johanna I. von Neapel entschied sich nach mehrfachem Schwanken für Clemens, was zu ihrer Absetzung und späteren Ermordung und zum Ausbruch des »Königsschismas« im Königreich Neapel führte (vgl. S. 117). So spielte der wichtigste Vasallenstaat des Papsttums bei dem Versuch, das Schisma zu beenden, keine Rolle. Nachdem viele Anläufe, das Schisma beizulegen, gescheitert waren, einigten sich schließlich die Kardinalskollegien beider Obödienzen darauf, für 1409 eine Generalsynode nach Pisa einzuberufen. Dieses Konzil von Pisa erklärte am 5. Juni 1409 sowohl Gregor XII. als auch Benedikt (XIII.) für abgesetzt. Auf die Absetzung der alten folgte am 26. Juni 1409 die Wahl eines neuen Papstes: Alexander V., dem am 17. Mai 1410 Johannes (XXIII.) folgte. Da Gregor XII. und Benedikt (XIII.) die Absetzung jedoch nicht akzeptierten, hatte sich das Schisma verdreifacht: Neben der (allerdings übermächtigen) Konzilsobödienz bestanden die römische und die avignonesische Obödienz weiter, Letztere vor allem in Spanien.

      Ausschlaggebend für die weitere Entwicklung war wiederum die Stellungnahme der Staaten, insbesondere die Unterstützung der Konzilsobödienz durch den neuen [141]deutschen König Sigismund (seit 1410). Unter seinem Einfluss berief Johannes (XXIII.) ein weiteres Konzil nach Konstanz ein, das von 1414 bis 1418 tagte. Hier gelang es, das Schisma zu beenden, wobei durch einen geänderten Abstimmungsmodus (nach nationes, nicht nach Köpfen) der Einfluss des anwesenden Johannes (XXIII.) entscheidend zurückgedrängt wurde. Dieser versuchte, durch ein fluchtartiges Verlassen des Konzilsortes am 20./21. März 1415 die Versammlung zur Auflösung zu bringen, scheiterte jedoch; vielmehr definierte das Konzil die Oberhoheit der Synode über den Papst gemäß der Lehre des Konziliarismus (Dekret Hec sancta synodus vom 6. April 1415) und setzte Johannes (XXIII.) am 29. Mai 1415 ab, was dieser akzeptierte. Der »römische« Papst Gregor XII. ging daraufhin auf einen Kompromiss ein: Er berief das Konzil am 4. Juli 1415 seinerseits neu und trat am selben Tag zurück. Benedikt (XIII.) weigerte sich dagegen hartnäckig, abzudanken; er wurde aber bedeutungslos, als es König Sigismund Ende 1415 gelang, die spanischen Könige für das Konzil zu gewinnen, und am 26. Juli 1417 ebenfalls abgesetzt. Nunmehr wählten die Kardinäle unter Beteiligung zusätzlicher Vertreter der nationes am 11. November 1417 einen neuen Papst: Martin V.

      Es kennzeichnet die Verhältnisse in Rom und dem Kirchenstaat, dass Martin V. zunächst über zwei Jahre in Florenz residieren musste, ehe er 1420 in Rom einziehen konnte. Dann aber führte er ein strenges und, wie es scheint, weitgehend unwidersprochenes Regiment sowohl gegenüber den Kardinälen als auch der Stadt Rom; dabei mag die allgemeine Erschöpfung nach den Wirren des Schismas mitgespielt haben. Die Reaktion auf Martins [142]Regiment bekam sein Nachfolger Eugen IV. zu spüren: Er ging gegen die Familie seines Vorgängers, die Colonna, vor, musste dann aber vor einem durch diese erregten Aufstand der Römer aus der Stadt fliehen und wiederum in Florenz residieren.

      Noch schwerwiegender war die Auseinandersetzung Eugens IV. mit dem Konziliarismus. Das Konzil von Konstanz hatte festgelegt, dass künftig regelmäßig Synoden stattfinden sollten, und zwar erstmals nach fünf, dann nach sieben und anschließend jeweils nach zehn Jahren. Martin V. berief fristgemäß 1423 ein Konzil nach Siena ein (das aber so schwach besucht war, dass er es nach kurzer Zeit wieder auflöste) und dann kurz vor seinem Tode ebenso fristgemäß das nächste Konzil 1430 nach Basel. Dieses am 14. Dezember 1431 eröffnete Konzil versuchte Eugen IV. in derselben Weise wie sein Vorgänger am 18. Dezember wieder aufzulösen, scheiterte aber mit diesem Versuch am Widerstand der Teilnehmer. So kam es von Anfang an zu Konflikten zwischen Papst und Synode; das Konzil, das die Lehren des Konziliarismus voll ausschöpfen wollte, ging im Juni 1439 so weit, den Papst wegen Ungehorsams gegenüber dem Konzil für abgesetzt zu erklären und im November 1439 mit Felix V. einen Gegenpapst zu wählen.

      Um diese Zeit hatte Eugen IV. das Konzil aber bereits nach Ferrara (später nach Florenz) verlegt; eine Minderheit der Basler Teilnehmer folgte dieser Verlegung, während die Mehrheit am bisherigen Ort weitertagte. In Ferrara wurden die Sitzungen im Januar 1438 eröffnet; im März desselben Jahres traf eine Delegation griechischer Bischöfe, an der Spitze Kaiser Johannes VIII. und der Patriarch von [143]Konstantinopel, ein, um über die Union zwischen der lateinischen und der griechischen Kirche zu verhandeln und Hilfe gegen die Türken zu erhalten, die kurz vor der Eroberung Konstantinopels standen. Dass diese Verhandlungen am 6. Juli 1439 in Florenz erfolgreich abgeschlossen wurden und dass sich der deutsche König Friedrich III. (unter dem Einfluss Enea Silvio Piccolominis, des nachmaligen Papstes Pius II.) auf die Seite Eugens IV. stellte, gab den Ausschlag im Ringen zwischen diesem und dem Konzil von Basel. Die Synode, durch die Erneuerung des Schismas ohnehin diskreditiert, wurde bedeutungslos und löste sich 1449 schließlich selbst auf, Felix V. trat zurück. Eugen IV. konnte 1443 nach Rom zurückkehren.

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