zu trösten
Gottheit und Menschheit
Wo aber ist der Geist?
In den Exerzitien
Cardoner/La Storta
Das geistliche Tagebuch
Streitend und hierarchisch, mütterlich und bräutlich
In allen Gliedern derselbe Geist
Schwarz und weiß
Freunde im Herrn
Unterscheidung in Gemeinschaft
Betrachtung, um Liebe zu erlangen
Magis
An Spannungen wachsen
Discreta charidad
Amor reverencial
Gott die Ehre
Zum Beginn
Theologie. Wer sich über Gott (griech. theos) ein Wort, einen Begriff, einen Gedanken, eine Theorie (logos) bildet, betreibt Theologie. Theologie ist eine Arbeit des Denkens, der Vernunft. Theologie ist nicht zuerst kritischer Zugriff von außen auf den Glauben, sondern sie erwächst aus dem Glauben, indem dieser die Vernunft befragt.1 Quelle der Theologie ist Gottes Offenbarung, die von jener vernünftig ausgelegt wird. Da Gott sich nicht nur in Schrift und Tradition offenbart, sondern auch in individueller und gemeinschaftlicher geistlicher Erfahrung, wird in der spirituellen Theologie auch diese immer subjektive Erfahrung zur Quelle und zum Ort der Theologie. Theologie befriedigt zum Ersten das urmenschliche Bedürfnis nach rationaler Selbstvergewisserung in einem existentiellen Vollzug, dem des Glaubens; zum Zweiten hilft sie, den Glaubensvollzug auf den einen, wahren, in Jesus Christus offenbaren Gott hin auszurichten und ihn zugleich vor Irrwegen zu bewahren; zum Dritten ermöglicht sie ein vor dem Forum der Vernunft verantwortetes Bezeugen des Glaubens für Nichtgläubige, ein Anliegen nicht nur des ignatianischen Charismas. Das theologische Reflektieren gehört damit wesentlich – und wiederum ganz ignatianisch – zum Vollzug der Unterscheidung der Geister und damit zu den Exerzitien selbst. Theologische Reflexion ist immer gebunden an die Kultur und an den Kontext ihrer Zeit – das ist ihre Grenze und zugleich ihre Stärke. Theologie ist immer unzureichend, denn ihr Thema, Gott selbst, bleibt menschlichem Tun und Denken entzogen – begrifflich wird keine Theologie Gott wirklich fassen. Theologie ist ein Sprechen auf etwas hin; sie orientiert sich auf Ziele, geht tastend auf diese zu, erreicht sie nur näherungsweise; immer ist sie ärmlich und fragmentarisch, immer auch ausgestreckt auf Neues und durch Neues überbietbar.
Ignatianische Exerzitien. Ignatius von Loyola (1491–1556),2 der Gründer des Jesuitenordens, schrieb das Buch der Exerzitien, im Original Ejercicios espirituales (span.), also „Geistliche Übungen“. In das Buch hinein flossen seine persönliche geistliche Erfahrung, außerdem alte spirituelle Traditionen der Kirche und seine philosophisch-theologische Bildung. „Exerzitien“ meint im weiten Sinn, dass man, um im spirituellen Leben Fortschritte zu machen, regelmäßig üben muss. Ignatius vergleicht die geistlichen Übungen mit körperlichen: Wie der Körper regelmäßig trainiert, um sich zu kräftigen, so muss die Seele regelmäßig üben, um in der Gottesbeziehung zu wachsen und aus ihr zu leben (1).3 Im engeren Sinn bezeichnet „Exerzitien“ die konkreten Übungen, die Ignatius in seinem Buch dem Gott suchenden Menschen vorschlägt. Exerzitien verbinden Aszese (von griech. askein, üben), ein durchaus mühevolles und loslassendes Üben, und Mystik, die Erfahrung der Gegenwart Gottes: Sie sind aktives Tun der Übenden und zugleich Tun Gottes, das die Übenden erfahren.
Theologie der Exerzitien. Das Exerzitienbuch richtet sich ganz auf spirituelle Praxis und ist kein theologisches Werk. Dennoch enthält es theologische Aussagen und regt theologisches Denken an. Theologisches Nachdenken mag helfen, den spirituellen Weg der Exerzitien besser zu verstehen. Dabei ergibt sich aus dem übenden Vollzug eine Sicht und ein Verständnis Gottes, und umgekehrt ergeben sich aus dem reflektierenden Verstehen Gottes Hinweise zum übenden Vollzug. Spirituelle Theologie will Spiritualitäten mit ihren Sprachen, mit ihren Menschen- und Gottesbildern, mit ihren Pädagogiken, mit ihren sozialen, kulturellen und kirchlichen Prägungen auf Aussagen über Gott hin ausleuchten und ausdeuten. Die ignatianische Spiritualität ist theologisch ungewöhnlich ergiebig – das kann hier nur angedeutet werden und muss sich in der Durchführung erweisen.4
Gott die Ehre. Über Gott selbst kann und darf Theologie nicht viel sagen. Daher geht der Fokus dieses Buches mehr darauf, wie Gott im Menschen und mit dem Menschen wirkt. Im Blick auf das Geschehen in Exerzitien versucht es aufzuzeigen, wer der Mensch vor Gott ist, was er von Gott erfährt und was Gott an ihm getan hat und weiter tut. Die fünf Abschnitte des Buches entsprechen den fünf Phasen des Exerzitienwegs: Von Gott wird der Mensch geschaffen, geheilt, gesandt, gerettet und geliebt. Der Blick geht also von Gott zum Menschen – und zugleich vom Menschen zurück zu Gott: Allein seinem Gott gibt der Mensch die Ehre, im Gebet, im guten Leben und – das ist der ignatianische Akzent – in seiner Lebenshingabe und im Dienst. Vom Menschen her betrachtet – denn nur von ihm her können Menschen schauen – sind die Bewegungen die des Empfangens und die des Gebens, die der empfangenen Gnade und die der zurückgebenden Tat. Die beiden Bewegungen werden zur Doppelbewegung der ehrfürchtigen Liebe, die am Ende die ignatianische Theologie zusammenfassen wird.
Weise des Vorangehens. Diese kurze Theologie der Exerzitien gibt keinen historischen, pastoralen oder theologischen Kommentar zum Text des Exerzitienbuchs – dafür gibt es genügend Literatur.5 Sie versucht vielmehr, gleichsam essayistisch entfaltend, direkt in theologisches Nachdenken einzutreten, wobei selbstverständlich der Aufbau, die Begrifflichkeit und die Themen dem Exerzitienweg entstammen. Sie ist eine heutige Theologie, mit heutigen Fragestellungen und Denkweisen – die hermeneutische Brücke über fast 500 Jahre Distanz wird sie respektvoll zu schlagen versuchen. Diese Theologie ist maßvoll subjektiv: Der Theologe betreibt sie in der individuellen Perspektive seiner Geschichte, seiner Kultur und – selbstverständlich – seiner geistlichen Erfahrung. Und sie ist in Maßen selektiv: Aus der Fülle der Anregungen des Exerzitienbuchs wählt sie aus, was dem Theologen für heutiges Glauben und Denken relevant und anregend erscheint, und sie relativiert oder lässt beiseite, was ihm weniger relevant oder gar irreführend erscheint. Von der Fülle der Sekundärliteratur lässt sie sich anregen, aber sie setzt sich nicht direkt mit ihr auseinander und zitiert sie nur gelegentlich. Von Ignatius zitiert sie vor allem den Originaltext des Exerzitienbuchs; gelegentlich nimmt sie auch auf andere