bewiesen, als sie die Organtransplantation entwickelte. Kein Organ ist leiblich-stofflich mit einem anderen identisch, es gibt nur mehr oder weniger Ähnlichkeiten. Immer muss das transplantierte Organ durch starke immununterdrückende (-suppressive) Medikamente vor dem durchaus aggressiv reagierenden Immunsystem des Empfängers bewahrt werden, welches das ihm fremde Organ »abstoßen« will und diese Intention auch über lange Jahre nicht aufgibt, sodass die Immunsuppressiva lebenslang genommen werden müssen. Eine Ausnahme bilden sehr kleine Kinder, bei denen – allerdings auch in längeren Zeiträumen – eine Assimilation des fremden Organs erfolgen kann. In der Kindheit sind eben – um an den Ausgangsgedanken anzuknüpfen – zunächst alle Organe fremd, stammen von Eltern, und müssen allmählich, das heißt in rund 20 Jahren, zu eigenen verwandelt werden.
physisch-stoffliche Organisation Lebensorganisation Empfindungsleib
Der Leib ist in sich gegliedert in eine physisch-stoffliche Organisation, die auch als Morphe oder morphologisch bezeichnet wird. Sie ist der entscheidende Bereich für die Leibvorstellung der naturwissenschaftlich orientierten Medizin, die auch Schulmedizin genannt wird. Hier kann sie messen, wiegen und zählen, hier lassen sich Befunde erstellen. Dieser physisch-stoffliche Anteil des Leibes wird durchzogen von einer Lebensorganisation, die für alle Funktionen verantwortlich ist und sich im Befinden äußert. Beide bilden von der Geburt bis zum Tod, ja einige Tage über ihn hinaus, eine untrennbare Einheit, sie sind der Leib im engeren Sinne. Doch wirkt eine dritte eigenständige Organisation in beide hinein, die Träger unserer Empfindungen ist und zugleich Verbindungsglied zur Seele. Dieser Anteil des Leibes kann Empfindungs- oder auch Seelenleib genannt werden, wie die ersten beiden Stoff- oder physischer Leib bzw. Lebens- oder Funktionsleib.
Der Empfindungsleib ist extrem feinstofflich, Steiner verglich ihn mit der Dichte von Luft, wir können auch sagen feiner Gase. Er hat wesentlichen Anteil an der Immunität, speziell der spezifischen Abwehr durch feinste Stoffe, die auch Antikörper genannt werden. Er äußert sich seinem Namen entsprechend in der Welt unserer Empfindungen, die wir auch als Instinkte, Triebe, Begierden, Lust und Unlust, Schmerz, Hunger und Durst bezeichnen, und übergeordnet durch unsere leibliche Gestimmtheit. Es ist hier nicht beabsichtigt, eine ausführliche und differenzierte Darstellung des Leibes zu geben, das ist andernorts geschehen und dort nachlesbar.16 Wir brauchen aber die Grundbegriffe, um die Entwicklungsschritte und Metamorphosen der ersten 21 Jahre nachvollziehbar beschreiben zu können. Denn auf ihnen bauen die späteren auf, die schließlich zu der Epoche des Lebenslaufs führen, die wir Alter nennen.
Die Entwicklung des Leibes (1. bis 3. Jahrsiebt)
Ich-geprägte Entwicklung
Diese vollzieht sich also in drei großen Zyklen von jeweils sieben Jahren mit dem Ziel, alles, jede einzelne Zelle, die Organe und alle Gewebestrukturen wie Knochen, Nerven, Muskulatur ganz Ich-geprägt zu entwickeln und schließlich nichts mehr als Leib an sich zu haben, das noch fremd ist, von Eltern oder Vorfahren stammt.
Überwinden alles Fremden
Das beginnt im 1. Jahrsiebt mit der physisch-leiblichen Struktur, die wir Stoffleib nannten, auch Körper im engeren Sinne. Alles von der Genetik der Eltern geprägte Stoffliche muss zu etwas Eigenem, Individuellem werden. Der elterliche Anteil wird entweder abgebaut und ausgeschieden und durch eigene Zellen bzw. Gewebe ersetzt, oder das Elterliche wird umgeschmolzen und in Eigenes verwandelt. Dabei schult sich das Immunsystem, von dem dargestellt wurde, dass das Überwinden alles Fremden eine seiner Hauptaufgaben ist. Hierbei haben – heute muss ich fast sagen hatten – die sogenannten Kinderkrankheiten und besonders die hochfieberhaften eine wichtige Funktion. Das Abstoßen und Umschmelzen war wie ein Verbrennen durch das Fieber, wie eindrucksvoll am Beispiel der Abschuppung der gesamten Haut im Ablauf einer Scharlacherkrankung zu sehen ist. Wie oft erlebten die Eltern an ihrem Kind einen damit verbundenen Entwicklungsschritt oder auch eine starke äußere Veränderung, wie sie Goethe so köstlich in Dichtung und Wahrheit beschreibt, nachdem er die Pocken durchgemacht hatte. Eine Tante, die ihn bis dahin immer so entzückend fand, nennt ihn nun nur noch »garstig«.17 Am Ende der ersten sieben Jahre ist im Idealfall alles ursprüngliche Gewebe als Stoffliches zumindest einmal vollständig ausgetauscht. Und auch der härteste Stoff, den der Leib in den Zähnen bildet, wird dann im sogenannten Zahnwechsel ausgetauscht.
Individualisierung der Lebensorganisation
Im 2. Jahrsiebt wird die ebenfalls von den Eltern und Vorfahren mitgegebene Lebensorganisation individualisiert. Hier ist es weniger Elimination wie beim Stoffleib, sondern Verwandlung. Die ureigene Lebensorganisation, die bereits im Vorgeburtlichen mithilfe hierarchischer Wesen aus dem großen Lebenskosmos herausgesondert wurde, durchdringt nun die elterliche, verbindet sich mit ihr und verwandelt sie zu Eigenem. In dieser Zeit der Schulreife hat jeder Mensch einen Überschuss an Lebenskräften, weil die eigenen und die der Eltern sich potenzieren. Es ist daher auch die Phase mit den größten Gesundheitskräften während des ganzen Lebens.
Etwa in der Mitte dieser Zeit wird ein Teil von den Lebenskräften abgesondert und stellt sich dem Denken zur Verfügung, wird zu Denkkräften. Erst von dieser Zeit an sollte pädagogisch das Lernen mehr und mehr über das Denken erfolgen, der Intellekt erzogen werden. Vorher ist ein mehr spielerisches, bildhaftes Lernen angemessen. Das findet sich in der Waldorfpädagogik wieder.
Die Lebenskräfte sind in sich gegliedert, Rudolf Steiner sprach von sieben Lebensstufen, die das eigentliche Leben ausmachen.18 Die siebte und letzte beschreibt das Reproduktionsleben, die Fähigkeit, selber neues Leben hervorzurufen. Das zeigt sich zum Abschluss des 2. Jahrsiebts in der Geschlechtsreife.
Individualisierung des Empfindungsleibes
Im 3. Jahrsiebt individualisiert sich dann der Empfindungsleib, der zum Seelenträger wird. Und wieder durchdringt die eigene Empfindungsorganisation die elterlich vorgegebene. Dabei geht es weniger »freundschaftlich« zu als bei der Begegnung der beiden Lebensorganisationen. Jetzt kommt es zu oft recht heftigen Auseinandersetzungen. Das wird Pubertät genannt. Der Empfindungsleib birgt ja alles schon Genannte wie Leidenschaften, Begierden, Triebe und Instinkte in sich, Lust und Unlust, auch Hunger und Durst, alle Quellorte, die wir heute Emotionen nennen. Und da ist das »Fremde«, von den Eltern Gegebene, nicht mehr akzeptabel, da will man selbst die Quelle des emotionalen Lebens werden.
Egoismus
Nun bekommt auch der Egoismus eine ganz andere Intensität. Jedes Kind ist egoistisch, muss es auch sein, es sucht ja – durchaus mit Hilfe – seinen Weg ins Leben, will seinen Leib, will entdecken, welchen Lebensplan es in langen vorgeburtlichen Zeitläufen zusammen mit dem begleitenden Engel erarbeitet hat, den es mit der Geburt »vergessen« hat. Vergessen aber nur insoweit, als der Plan vollständig in uns existiert, doch in tiefe Schichten des Bewusstseins hinabgesunken ist, aus denen er nur allmählich und durch Übung wieder bewusst gemacht werden kann.
Die Intensivierung des Egoismus im 3. Jahrsiebt hängt mit der Intendierung aller nun erfolgenden Veränderungen unmittelbar aus dem Ich zusammen. Steiner hat diese Gesetzmäßigkeit der Leibentwicklung so formuliert: Immer das nächsthöhere Wesens- oder Leibesglied übernimmt die Führung und Verantwortung für die Individuation des nächstniedrigeren, die Lebensorganisation die des Stoffleibs, die Empfindungsorganisation (die eben noch nicht Leib ist und aus dem Vorgeburtlichen stammt) die des Lebensleibs (Ätherleibs) und schließlich die Ich-Organisation die des Empfindungsleibs.19
Leibesentwicklung der ersten vier Jahrsiebte
Ich-Leib
Wir werden darauf aufmerksam, dass es noch ein viertes Glied des Leiblichen gibt, ganz im Verborgenen, von Beginn an wirksam, alles überblickend, letztlich auch steuernd. Wir können vom Ich-Leib oder einer Ich-Organisation sprechen, die sich überhaupt nicht mehr stofflich manifestiert, auch nicht