Die Haltung in der Gruppe
Eine pferdegerechte Haltung sollte so weit wie möglich auf die natürlichen Bedürfnisse des Tieres eingehen. Aus dem natürlichen Verhalten von Wildpferden kann man die Bedürfnisse unserer domestizierten Pferde ableiten: Um sich vor Raubtieren besser schützen zu können, leben Pferde in freier Wildbahn immer in Gruppen. Man unterscheidet grundsätzlich zwei wesentliche Gruppenformen: In den meisten Fällen lebt ein Hengst mit bis zu sechs adulten Stuten, deren Saugfohlen und subadulten Nachkömmlingen zusammen. Die zweite Art der Gruppierung sind sogenannte Junggesellengruppen. Erreichen die Junghengste mit circa zwei Jahren die Geschlechtsreife, werden sie aus der Herde vertrieben oder sondern sich freiwillig ab. Sie gruppieren sich dann mit anderen Junghengsten, bis sie genügend Erfahrungen gesammelt haben, um sich selbst eine Jungstute zu „erkämpfen“. Das Bedürfnis, von Artgenossen umgeben zu sein, ist auch für das Wohlbefinden unserer Hauspferde besonders wichtig.
Hier werden leider oft Fehler gemacht. Da man sehr an den Fohlen hängt und sehen möchte, wie sie groß werden, verbleiben sie immer häufiger nach dem Absetzen direkt im Reitstall, anstatt in einem gut geführten Fohlenaufzuchtbetrieb aufzuwachsen. Solche isoliert aufwachsenden Pferde − ohne gleichaltrige Spielgenossen oder eine Gruppe von anderen Pferden − bleiben oft ein Leben lang verhaltensauffällig. Kommen sie in ihrem späteren Leben doch einmal in eine Herde, gibt es häufig Probleme, weil sie die Sprache der Artgenossen nicht ausreichend gelernt haben. Daher sind diese Pferde oft sehr ängstlich und reagieren bei den kleinsten Auseinandersetzungen extrem: Entweder sie halten sich verängstigt von anderen Pferden fern oder beißen und schlagen heftig beim geringsten Anlass. Die Haltung in der Gruppe ist für ein solches Pferd nicht zu empfehlen, weil es dadurch unter ständigem Stress steht.
Fohlen sollten somit grundsätzlich im Gruppenverband großgezogen werden. Der Idealfall ist eine Aufzucht nach Alter und Geschlecht gemischt, was aber oft aus Gründen der Handhabe nicht möglich ist. Erfahrene, ältere Pferde sind für Fohlen wichtige Bezugspartner und Erziehungsberechtigte. Besonders gut eignen sich hierfür ältere Wallache, weil sie nicht nur erzieherische Maßnahmen ergreifen, sondern auch noch sehr gern toben und spielen. Dieses Spielen ist sehr wichtig für das psychische Wohlbefinden eines jeden Fohlens. Sie trainieren dabei ihre Koordination und üben sich zugleich im Sozialverhalten. Hengstfohlen spielen, indem sie Wettrennen machen, sich gegenseitig zwicken oder ansteigen. Stutfohlen hingegen bevorzugen Laufspiele und soziale Pflege.
Leben im Familienverband schafft Sicherheit. (Foto: Christiane Slawik)
Mit viel Bewegung im Freien
Die natürlichen Lebensbedingungen der Vorfahren unserer Pferde liegen unter freiem Himmel. Für den Fall, dass eine Herde flüchten muss, können die Atemwege der Pferde Außergewöhnliches leisten – aber nur, wenn die Pferde immer an der frischen Luft sind und dabei ihre Atemwege trainiert werden. Für unsere domestizierten Hauspferde kann man daraus ableiten, dass auch sie zur Gesunderhaltung der Lunge Tageslicht und viel frische Luft brauchen.
Ein Wildpferd bewegt sich während der Futteraufnahme in freier Wildbahn circa 17 Stunden am Tag langsam schreitend vorwärts. Dadurch kommt es zu einer guten Durchblutung des Bewegungsapparats und der Organe. Muskeln, Sehnen und Bänder bleiben elastisch. Damit Fohlen und Jungpferde gesund heranwachsen und Folgeerkrankungen verhindert werden können, brauchen sie genügend Bewegungsmöglichkeiten – möglichst, wann immer sie wollen.
Das Verdauungssystem des Pflanzenfressers Pferd ist in der Lage, Raufutter wie Heu, Stroh und Gras in verwertbare Einzelstoffe aufzuspalten und aufzunehmen. In freier Wildbahn sind Pferde etwa 17 bis 19 Stunden pro Tag mit der Futteraufnahme beschäftigt. Zwischendurch nehmen sie größere Mengen frisches Wasser auf. Futterpausen von über vier Stunden können auf längere Sicht körperliche Folgen haben.
„Alles Lernen ist Spielen.“
Platon
Bewegung ist wichtig und ein kleines Wettrennen macht riesig Spaß. (Foto: Claudia Rahlmeier)
Mit ausreichend Schlaf
Genügend Schlaf ist für Pferde genauso wichtig wie für uns Menschen. Gerade Fohlen brauchen wie Kleinkinder mehr Schlaf, um sich immer wieder zu erholen und Erlebtes zu verarbeiten. Es gibt beim Pferd drei verschiedene Arten zu schlafen: Eine davon ist das Schlafen im Stehen, was 80 Prozent des Schlafens bei adulten Pferden ausmacht. Sie können nicht nur dösen, sondern auch im Stehen in die REM-Phase kommen.
So viele neue Eindrücke machen müde und müssen erst einmal verarbeitet werden. (Foto: Namay Dolphin)
Eine weitere Ruheform ist das Liegen auf dem Bauch mit eingeklappten Beinen, der Kopf ist dabei erhoben. Dies wird man aber nur beobachten, wenn sich ein Pferd sicher und wohlfühlt. Das Pferd als Fluchttier ist immer gefährdet, wenn es sich zum Schlafen hinlegt. Daher wird man auch nicht alle Herdenmitglieder gleichzeitig liegen sehen. Ein paar wenige stehen immer und übernehmen die Wache.
Vor allem Fohlen liegen häufiger auch ausgestreckt auf der Seite, Hals und Kopf am Boden. In dieser Phase kommt das Pferd immer wieder kurz in die REM-Phase, aber die Aufwachschwelle ist sehr niedrig, sodass es schnell aufspringen und flüchten kann. Erwachsene Pferde beobachtet man seltener in dieser Schlaflage.
Für eine artgerechte Haltung sollten wir unsere Haltungsbedingungen an die Bedürfnisse unserer Pferde anpassen. Dies bedeutet ein Leben in der Gruppe mit genügend Auslaufmöglichkeiten, frischer Luft und ausreichenden Schlafplätzen. Besonders wichtig ist die Gruppenhaltung für Fohlen und Jungpferde, da zwar alle sozialen Verhaltensweisen angeboren sind, das gegenseitige Verstehen der Sprache aber erlernt werden muss.
Die artgerechte Fütterung
Fohlen und Jungpferde sind noch im Wachstum. Daher ist es entscheidend, dass sie alle Stoffe bekommen, die sie für eine gesunde Entwicklung brauchen. Die Basis der Fütterung − ob für ein Fohlen, ein Jung- oder ein ausgewachsenes Pferd − ist das Raufutter. Grundsätzlich sollte man hier immer auf eine sehr gute Qualität achten, insbesondere bei Jungpferden. Füttert man ihnen ein schlechtes Raufutter, kann dies bereits früh zu Immunproblemen oder einer chronischen Bronchitis führen. Über den Sommer sollte ein Teil der Fütterung frisches, nicht zu proteinreiches Gras ausmachen.
Da unsere Weiden und Wiesen nicht mehr die Vielfalt an Gräsern und Kräutern haben wie früher, fehlt diese unseren Pferden auf der Koppel, aber auch im Heu oder der Heulage. Um dieses Defizit auszugleichen, brauchen sie ein qualitativ hochwertiges, vor allem natürliches Mineralfutter, damit der Körper mit allen notwendigen Mineralien, Vitaminen und Spurenelementen versorgt ist.
Durch die Grünlandintensivierung in den vergangenen 20 bis 30 Jahren wurden viele Kräuter und Gräser zurückgedrängt.(Foto: Christiane Slawik)
Von proteinlastigen Fohlenmineralstoffmischungen und hoch dosierten Zusatzfuttermitteln für Zuchtstuten und Fohlen rate ich ab. Durch ihren sehr hohen Proteingehalt und ihre hoch angesetzten Mineralstoff-, Vitamin- und Spurenelementgehalte werden die Pferde viel zu schnell viel zu groß. Irreparable Schäden können an den Knochen, Sehnen und Bändern entstehen, da diese nicht schneller wachsen, als von der Natur vorgesehen, und das Gewicht des überdimensional wachsenden Körpers dennoch tragen müssen. Die Folgen treten oft erst einige Jahre später zutage.
Auch Kraftfutter und Müslis braucht ein Fohlen oder Jungpferd nicht. Diese Futtermittel sind eine Erfindung der Futtermittelindustrie aus den letzten Jahrzehnten. Hier gilt: Weniger ist mehr! Bei einer artgerechten Fütterung sollte immer der Erhaltungsbedarf